Schöne Ferien! Wie viel Politik steckt in Ihrem Urlaub?

Umstrittene Feriendestinationen, Flugscham, umkämpfte Airbnbs. Wohin Sie auch immer reisen: Das wird politisch.

Sind Sie reif für die Insel? Wo auch immer es Sie in den Sommerferien hinzieht: Sie mussten sich für eine Destination entscheiden, das Kühle der hiesigen Alpen gegen die Bruthitze des Mittelmeers abwägen. Es galt, sich auf ein Transportmittel zu einigen. Und vielleicht haben Sie sogar schon festgelegt, welches Souvenir der liebe Nachbar kriegt, dem Sie Ihre Balkonpflanzen jeweils anvertrauen.

«Alle Jahre wieder», mögen Sie murmeln. Doch haben Sie sich eigentlich schon einmal gefragt, wie viel Politik in Ihrem längst herbeigesehnten Urlaub steckt – und in Ihrem Koffer mitreist?

Es beginnt schon bei der Wahl Ihres Traumziels

Fakt ist: Allein schon die Wahl Ihres Traumziels ist politisch. Länder von nah und fern versuchen von jeher, ihre landschaftlichen Trümpfe zur Imagepflege auszuspielen. Man denke etwa an die israelische Küstenmetropole Tel Aviv, die sich als besonders queerfreundlich positioniert. Oder an das historische Beispiel Franco-Spanien: Aus einem einst gemiedenen faschistischen Staat wurde in den 1950er-Jahren ein europäisches Ferienparadies – mit Touristenströmen, die nicht nur Devisen brachten, sondern dem Regime auch internationale Anerkennung verschafften.

Eine unlängst publizierte Studie untersuchte erstmals, wie stark politische Erwägungen die Wahl der Feriendestination beeinflussen. In die Analyse gingen die internationalen Touristenankünfte in 137 Staaten ein. Lockten einst vor allem wirtschaftliche Faktoren wie die günstige Lira in ein Land, wurde Meinungsfreiheit zu einem zentralen Tourismusfaktor. Wo man sagen darf, was man denkt, wo politische Stabilität herrscht und offener Handel floriert, reist man lieber hin. Umgekehrt schrecken Protektionismus und mit Füssen getretene Bürgerrechte Reisende ab – aktuell in den USA. Nach dem zweiten Trump-Amtsantritt brach die Nachfrage europäischer Ferienwilliger teils um fast ein Drittel ein.

Fliegen, sich schämen, verdrängen?

«Sag, wie hast dus mit dem Fliegen?», liesse sich Goethe heute frei zitieren. Allerdings verfolgt uns das 2017 erstmals als #flygskam benannte Gefühl nicht alle gleich. Am stärksten nagt das schlechte Gewissen beim In-die-Ferien-Fliegen an uns, weniger hingegen bei Flügen für Familienbesuche oder Geschäftsreisen. Wer klimabewussten Verzicht für ein moralisches Gebot hält, verspürt Flugscham. Und wem das Umfeld zu verstehen gibt, man müsse sich fürs Fliegen schämen, schämt sich am Gate denn auch. Weniger entscheidend ist hingegen, wie viele Menschen im eigenen Umfeld tatsächlich noch fliegen.

Endlich im Ferienparadies angekommen und in ein hippes Airbnb eincheckend, treten Sie erst recht in ein politisches Minenfeld. Wo Touristen vermehrt in privat vermietete Wohnungen drängen, gehen die Anwohnenden aus Unmut auf die Strassen. Mehr noch, wie neue Forschungen zur Tourismusmetropole Barcelona offenbaren: Die Wahl Ihres Feriendomizils beeinflusst das Wahlverhalten vor Ort. In Stadtteilen mit vielen Airbnbs wählen die Menschen häufiger neu entstehende Protestparteien, die strengere Regeln für die Kurzzeitvermietung und einen Mietpreisdeckel fordern. Stadtentwicklung, das Recht auf bezahlbares Wohnen und politischer Protest sind in den Topdestinationen besonders eng miteinander verwoben.

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Ausgerechnet Stereotype können uns vor einem allzu angekratzten Ansehen in der lokalen Bevölkerung retten. Zählen wir nämlich zu einer Spezies, die im Gastland als umgänglich und kompetent gilt, löst dies Bewunderung aus. Aus dieser positiven Emotion speist sich hilfsbereites Verhalten uns Fremden gegenüber. Umgekehrt fördert ein klischiertes Bild rüpelhafter Touristen erst recht Verachtung – und kann sogar zu feindseligem, spöttischem Verhalten der Einheimischen führen.

Verfallen Sie in Ihrem wohlverdienten Sommerurlaub bitte ja nicht dem Irrglauben, dass Sie die Politik beim Souvenirkauf endlich hinter sich lassen können. Die Souvenirs, die uns Reisenden als besonders «authentisches» kulturelles Erbe (lautstark) angedreht werden, erzählen oft eine selektive, geklitterte Geschichte. Indigene Vermächtnisse werden oft marginalisiert.

Reisen und Reisende empfangen

Indes reisen wir Schweizerinnen und Schweizer ja nicht nur selbst, sondern verzeichneten 2024 hierzulande 42,8 Millionen Logiernächte. Der Tourismus hat das Potenzial, innenpolitische Veränderungen anzustossen, Stichwort Verkehrswende oder klimaangepasste Neuausrichtung der Winterdestinationen. Wenn es neue Mobilitätslösungen wie Park and Ride mit Shuttle oder Bike-Sharing gäbe, um die Tessiner Naturschönheiten zu erleben, würde der Anteil der Autonutzer gemäss neuen Befragungen von 65 auf weniger als 20 Prozent fallen.

Wer reist, trägt Verantwortung. Wer Gäste aus aller Welt beherbergt, ebenso. Nur so bleibt die Schweiz auch künftig ein «Glücklichmacherreiseland», wie sie es heute erwiesenermassen ist – zur Lebenszufriedenheit und zur Glückseligkeit unserer internationalen Gäste beitragend.

Zweitveröffentlichung

Tamedia-Kolumnen auf uniAKTUELL

Die Tamedia-Politkolumnen von Adrian Vatter und Rahel Freiburghaus sowie Markus Freitag erscheinen auch im Online-Magazin der Universität Bern uniAKTUELL.

Zum Institut für Politikwissenschaft (IPW) der Universität Bern

Das IPW ist eines der führenden politikwissenschaftlichen Institute der Schweiz. Es betreibt sowohl Grundlagenforschung als auch praxisrelevante Auftragsforschung. Deren Kernaussagen sind Bestandteil der angebotenen Studiengänge Bachelor «Sozialwissenschaften» und Master «Politikwissenschaft» sowie des schweizweit einzigartigen Studiengangs «Schweizer Politik im Vergleich». Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Politische Institutionen und Akteure, Europäische Politik, Klima, Umwelt und Energie, Öffentliche Meinung sowie Gender in Politik und Gesellschaft. Darüber hinaus bietet das IPW Dienstleistungen für die Öffentlichkeit an, wie zum Beispiel das Jahrbuch Schweizerische Politik (Année Politique Suisse).


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