Moderne Holzwirtschaft im Bernbiet

Die Holzbranche gilt als träge und wenig innovativ. Zu Unrecht: Drei Berner Zimmereien setzen in Randregionen lokalen Rohstoff in Wert und bieten dabei zukunftsweisende Arbeitsmodelle. Das zeigt eine Forschungsarbeit der Wirtschaftsgeographie der Universität Bern.

Die Fabrikationshalle der Truberholz AG.
Moderne Holzwirtschaft in Bern: die Fabrikationshalle der Truberholz AG.

Schon der Duft nach Harz und Sägespänen im Empfangsbereich macht klar: Hier gehts um Holz. Und spätestens nach dem Händedruck von Jürg Hirschi (1 Meter 98 gross), der irgendwo zwischen kräftig und schmerzhaft ausfällt, ist man definitiv in der Holzverarbeitung angekommen. Hirschi ist Verwaltungsratspräsident der beiden Firmen Zimmerei Hirschi und Truberholz. Mit ihren insgesamt 90 Arbeitsplätzen sind die beiden Aktiengesellschaften für die gut 1200 Menschen zählende Oberemmentaler Gemeinde Trub wirtschaftlich zentral.

Industriehalle als Visitenkarte

Wer an Zimmerei denkt, stellt sich womöglich einen düsteren Schuppen mit einer ohrenbetäubenden Kreissäge vor. Stattdessen führt der Patron in eine grosszügige, 2015 fertiggestellte Industriehalle. 50 Meter lang, 30 Meter breit und am First 16 Meter hoch ist der lichte Raum. Die Fabrikationsräumlichkeiten sind die dreidimensionale Visitenkarte des Doppelunternehmens: Das Tannen- und Fichtenholz – insgesamt 1000 Kubikmeter wurden hier verbaut – stammen aus Trub selbst. Sogar der Zement für den Betonboden wurde im Werk der Standortgemeinde angerührt. «Auf der Hälfte des Gemeindegebiets von Trub wächst Wald. Diese kurzen Wege machen wir uns zunutze», erklärt Hirschi, der auch gelernter Landwirt ist und Lokales und Traditionelles hochhält.

Investieren in Innovation

Doch die Firma setzt auch auf Innovation. 2015 schwärmte ein Zimmerergeselle aus der Ostschweiz vom neuen System, das sein Vater zur Produktion von Hauswandmodulen entwickelt hatte. Der Clou: Auch Bretter der wenig gefragten Holzklasse C können damit zu 18 bis 24 Zentimeter starken Modulen zusammengefügt werden, die dann als Hauswände und -dächer verbaut werden. Statt Leim oder Schrauben fixieren massive Holzdübel die sechs bis acht Schichten. Anderthalb Millionen Franken kostete die Anschaffung der im Toggenburg gefertigten Maschine. Um die Bankhypothek möglichst tief zu halten, beteiligte sich die ganze Wertschöpfungskette – Waldbesitzer, Sägereien, Belegschaft – an der Risikoinvestition.

Truberholz AG
Jürg Hirschi ist Verwaltungsratspräsident der Truberholz AG.

Es dauerte einige Jahre, bis die neue Art, mit Vollholz und ohne Leim oder Metallverbindungen Hauswände zu bauen, genügend Publikum fand und die Anlage Gewinn abwarf. Heute verarbeiten die zwei Zimmereien jährlich 2000 Kubikmeter Nadelholz, zugeschnitten und getrocknet in fünf benachbarten Sägereien. Allein die Dübel aus Buchenholz, welche die sechs bis acht Bretterschichten fixieren, würden aneinandergereiht pro Jahr einen 50 Kilometer langen Stab ergeben, rechnet Hirschi vor.

Teilzeit boomt auch in der Holzbranche

«Das Beispiel Truberholz zeigt, dass neue Ideen auch in der angeblich so trägen Holzbranche eine Chance haben», erklärt Miriam Hug. Die Doktorandin am Geographischen Institut der Universität Bern hat in ihrer 2025 endenden Forschungsarbeit die Arbeitswelt in 86 Berner Unternehmen aus der Holzbranche betrachtet. 24 davon untersuchte sie auf ihr transformatives Potenzial hin, stellte also die Frage, wie weit diese Firmen die Region umweltschonender, gesellschaftlich gerechter und wirtschaftlich langfristig stabil machen können. «Die Auswertung hat gezeigt, dass diese bodenständige Branche zukunftsweisend ist, etwa wenn es um den sozialen Mehrwert geht oder darum, Beschäftigung in peripheren Lagen zu schaffen.» Neben der Universität Bern beteiligt sich die Wyss Academy for Nature, die im Hub Bern zum Thema «Regionale Wertschöpfung Wald und Holz» forscht, ebenfalls finanziell am Projekt.

Miriam Hug
Miriam Hug ist Doktorandin an der Universität Bern.

Die Truberholz AG ist einer der Betriebe, welche die Doktorandin näher prüfte. Die innovative Technik, bei der computergestützte Bauplanung und modernste CAD-Technik ein Muss sind, schafft einen kontinuierlichen Absatz fürs lokale Holz. Zeitgemäss ist auch die Personalpolitik, Teilzeitarbeit ist in: 25 der 90 Festangestellten ziehen wöchentlich einen Papitag ein, bewirtschaften nebenbei noch einen Bauernhof oder üben ein politisches Amt aus und treten deshalb im Erstberuf kürzer. Der moderne Betrieb lockt viele Lernende an, aktuell bietet die Firma 23 Lehrstellen im Bereich Zimmerei und Hochbauplanung an. Auch der Absatz ist stabil: Aus Trub kommen zunehmend nicht nur Holzelemente für Einfamilienhäuser, sondern auch für drei- und vierstöckige Bauten.

Fingerspitzengefühl – in Umbau und Personalführung

Immerhin 40 Arbeitsplätze, davon neun Lehrstellen, bietet die Röthlisberger Zimmerei AG an. Hier in Bowil, auf halbem Weg von Trub nach Bern, ist der Familienbetrieb in fünfter Generation seit 111 Jahren in der Region verwurzelt. Seine Spezialität ist der Umbau jener Landwirtschaftsbetriebe, die nicht länger zur Produktion genutzt, sondern in der Streuzone in reinen Wohnraum umgewandelt werden. Daneben fertigt das Unternehmen der Inhaber Michael Röthlisberger und Jürg Ramseier Bauteile für denkmalgeschützte Gebäude an.

Michael Röthlisberger
Michael Röthlisberger ist Mitinhaber der Röthlisberger AG.

Im Lagerraum stehen schon die individuell vorbereiteten Elemente für einen Innenausbau fein säuberlich auf einer Pritsche bereit, durch eine Folie gegen Witterung und Sonneneinstrahlung geschützt. Demnächst wird die Ladung vom Lastwagen abgeholt und zur Baustelle verfrachtet. Dort kann sie, weil fixfertig vorbereitet, effizient verbaut werden. Neben dem regionalen Holz – vor zwei Jahren hat die Firma eine zwei Kilometer entfernte Sägerei übernommen – ist das Personal das wichtigste Kapital. Röthlisberger weiss das und trägt ihm Sorge: «Einmal pro Woche informiere ich das Team offen über den Auftragsbestand und anstehende Projekte», so der Inhaber. Und täglich vor Arbeitsbeginn um 6.30 Uhr steht seine Bürotür offen für persönliche Anliegen.

Hier spielt die lokale Musik

Über Mangel an Lehrlingen, gelegentlich auch weiblichen, kann Röthlisberger nicht klagen. «In der Holzbranche kennt man noch einen Berufsstolz, der anderswo selten geworden ist», nennt er einen möglichen Grund für die Attraktivität. Zudem werde der Betrieb oft von früheren Lernenden empfohlen. Ein dezentes Werbemittel für sein Unternehmen hat Röthlisberger mit dem Dachgeschoss der 2015 vergrösserten Betriebshalle geschaffen: Hier sind Übungs- und Konzerträume untergebracht, in die mehrere lokale Musikformationen eingemietet sind und wo wöchentlich Proben stattfinden. «Für die Produktion ist der Estrich ungeeignet und am Abend ist unser Parkplatz ohnehin leer. Zudem verfügte die Gemeinde bisher über keine Versammlungsräume», begründet Röthlisberger, der in seiner Freizeit selbst Musik macht, sein Engagement für die Allgemeinheit. Modern ist auch seine Einstellung zur Arbeitszeitreduktion: Teilzeit mache die Planung zwar etwas komplizierter. Doch wer reduziert arbeite, tue dies oft besonders engagiert.

Wo die Kundschaft Hand anlegt

Diese Beobachtung kann Tobias Fehr bestätigen, aus eigener Erfahrung: «An den drei Tagen pro Woche, an denen ich arbeite, mache ich das sehr konzentriert und effizient, die Tage sind dicht.» Fehr ist Firmenchef der Querbau GmbH, wie seine zwei Kollegen und eine Kollegin auch: Wer bei der Querbau GmbH mitarbeitet, ist am Unternehmen beteiligt. Nur die aktuell zwei Lernenden müssen sich an Hierarchien halten.

Querbau GmbH
Die flache Hierarchie der Querbau GmbH, schwarz auf weiss.

Arbeiten unter enormem Zeitdruck und unfaire Arbeitsbedingungen waren vor acht Jahren der Grund, warum Fehr zusammen mit Andreas Ferrazzini, den er an der Gewerbeschule kennenlernte, die Querbau GmbH gründete. Zuvor absolvierten die beiden noch ein Architektur- respektive Ingenieurstudium. Nachdem sie Väter geworden waren, senkten sie das Anfangspensum weiter von 80 auf 60 Prozent. Nach wie vor gilt, dass beim Inhaberquartett – heute sind auch die Zimmerin Sissel Størseth Haarr und der Architekt Raphael Fitz im Kollektiv – alle alles machen. Das erfordert zwar viel Koordination und auch mal eine Signal-Message in der Freizeit. Dafür bringt die Arbeitsweise Abwechslung und ermöglicht es, sich gegenseitig zu vertreten. Ausbezahlt wird ein Einheitslohn, Ende Jahr wird der Firmengewinn entsprechend den geleisteten Stunden ausgeschüttet.

«Neue Ideen haben auch in der angeblich so trägen Holzbranche eine Chance.»

Miriam Hug

Aussergewöhnlich ist das Verhältnis zur Kundschaft: Wer mag, legt, angeleitet von den Fachleuten, selbst Hand an und senkt so die Kosten. Ökologie ist wichtig: Die Querbau GmbH verarbeitet viel naturbelassenes Holz aus der Region, dafür wenig Leim und andere Fremdstoffe – doch gross mit diesen Leistungen werben mag Fehr nicht. Ohnehin ist die Auftragslage gut, und statt Marketing ist ein Umzug angesagt. Im Moment logiert die Querbau GmbH noch auf der Stadtberner Aebimatte, gleich neben dem Gleisstrang der SBB und in direkter Nachbarschaft zu einem Gemüsedepot, einem Keramiker und drei weiteren Ateliers. Im Sommer wird das Areal wegen Eigenbedarf geräumt. Das Unternehmen wird dann in die Lorraine ziehen, erneut in ein Umfeld mit gleichgesinnten Firmen. Auch am neuen Ort bleibt bei Querbau vieles beim Alten: Selbstverwaltung, die Freude am schönen Material Holz und ein gewisser Stolz, den die Branche hierzulande ausstrahlt.

Vielfalt als gute Voraussetzung

«In meiner Forschungsarbeit habe ich fünf Unternehmenstypen der Holzbranche identifiziert, die unterschiedlich stark transformativ aufgestellt sind», erklärt Miriam Hug. Während die einen an besonders innovativen Produkten tüfteln, setzen andere auf eine starke Verankerung in der Region, nutzen lokale Rohstoffe oder tragen besonders Sorge zu ihren Beschäftigten.

Querbau GmbH
Tobias Fehr ist Mitinhaber der Querbau GmbH.

Auch wenn die Wald- und Holzwirtschaft im Kanton Bern nur für 1,8 Prozent der Bruttowertschöpfung verantwortlich ist, für Hug sind solche weichen Faktoren wichtige Elemente, damit die Berufsgruppe gut gerüstet ist für die Zukunft: «Sie stellt attraktive Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten zur Verfügung und trägt dank dem regionalen Rohstoff Holz zur nachhaltigen Entwicklung bei.»

Regionale Wirtschaft

Voneinander lernen

«Innovation wird üblicherweise nur mit Technik in Verbindung gebracht, doch diese Definition greift zu kurz», sagt Heike Mayer, Professorin und Leiterin der Einheit Wirtschaftsgeographie am Geographischen Institut und Vizerektorin Qualität und Nachhaltige Entwicklung der Universität Bern. Für Mayer, die das Forschungsprojekt «Transformative Unternehmen» von Miriam Hug betreut, kann sich ein Unternehmen auch profilieren, indem es nicht nur auf den möglichst schnellen Gewinn aus ist, sondern auf traditionelle Werte wie Qualität, Sinnhaftigkeit oder soziale Verantwortung setzt. Die Arbeit von Hug zeige zudem, dass sich transformative Firmen meistens gleich in mehreren Bereichen fortschrittlich verhalten. Dazu gehört neben der regionalen Versorgung mit Rohstoffen und Energie etwa auch der sorgsame Umgang mit der Belegschaft. Das Angebot beispielsweise, Teilzeit zu arbeiten, entschärfe den aktuellen Fachkräftemangel und ermögliche es den Beschäftigten, die persönliche Erwerbsarbeitszeit zu reduzieren und einen suffizienteren Lebensstil zu pflegen.

Die öffentliche Hand kann laut Mayer eine transformative Wirtschaft zweifach unterstützen: «Die Holzwirtschaft im österreichischen Bundesland Vorarlberg, die im Projekt ebenfalls untersucht wurde, macht vor, wie wichtig Plattformen für die Zusammenarbeit, den Austausch, die Koordination und das Lernen voneinander sind.» Ausserdem sollten staatliche Institutionen mit der eigenen Beschaffung beispielhaft vorangehen und dafür sorgen, dass regionale Angebote auch nachgefragt werden.

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