Lernen tut gut – ein Leben lang

Neue Technologien und die demografische Entwicklung verändern die Arbeitswelt und damit auch die Weiterbildung: Kontinuierliches Lernen ermöglicht den Zugang zu neuen Berufen und Fähigkeiten. Die Universität Bern versteht sich als ein Ort des Lernens über alle Lebensphasen hinweg.

Text: Béatrice Koch 03. Juni 2025

Am Lifelong Learning Center (LLC) der Universität Bern können verschiedene Weiterbildungen absolviert werden. Neben den Formaten CAS, DAS und MAS gibt es vermehrt auch Mikrozertifikate. © Universität Bern

Digitalisierung und Automatisierung, diese zwei grossen Trends pflügen die Arbeitswelt derzeit um, ist Andreas Hirschi überzeugt. «Die Arbeitsinhalte der meisten Menschen werden sich verändern, manche Berufe werden ganz verschwinden», so der Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Bern. Darüber hinaus macht sich die demografische Entwicklung bemerkbar: «Es gibt mehr ältere berufstätige Menschen, und sie arbeiten immer öfter auch über das ordentliche Pensionsalter hinaus.»

Laufbahnmosaik ersetzt gradlinige Karrieren

Die Folgen dieser Entwicklung: Berufliche Laufbahnen verlaufen dynamischer, Arbeitnehmende wechseln häufiger die Stelle oder gleich die Branche, haben neben dem Hauptjob noch einen Zweiterwerb oder machen sich selbstständig. «Der gradlinige Karriereweg wird seltener werden. Stattdessen entsteht ein Laufbahnmosaik, das wir uns individuell zusammenstellen», so Hirschi.

Zur Person

Bild: zvg

Andreas Hirschi

ist Ordentlicher Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Bern. Er forscht zu den Themen Berufswahl, Karriereentwicklung und Laufbahnberatung. In der Lehre bietet er unter anderem anwendungsorientierte Seminare zur Laufbahngestaltung an.

Universitäre Bildung für Kinder, Berufstätige und ältere Menschen

Mit der Arbeitswelt verändern sich auch die Weiterbildungsangebote. Vor diesem Hintergrund steht die Transformation des Zentrums für universitäre Weiterbildung (ZUW) der Universität Bern zu einem Lifelong Learning Center (LLC) (siehe Box). «Wissen entwickelt sich rasant – und die Universitäten sind gefordert, diesen Wandel aktiv mitzugestalten», erklärt LLC-Direktorin Christina Cuonz. «Wir verstehen Lifelong Learning – also Bildungsangebote für Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen, von Kindern über Berufstätige bis hin zu älteren Menschen – nicht als isolierte Zusatzleistung, sondern als integralen Bestandteil unseres Bildungsauftrags.»

«Wir verstehen Lifelong Learning nicht als isolierte Zusatzleistung, sondern als integralen Bestandteil unseres Bildungsauftrags.»

Christina Cuonz

Weiterbildung wird zum festen Bestandteil der Arbeitswelt

Weiterbildung müsse sich zudem konsequent an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts orientieren: «Für die jüngere Generation gehören Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten ganz selbstverständlich zu einem attraktiven Arbeitsumfeld, und sie bringt diesen Anspruch aktiv in Anstellungsverhandlungen ein.» Über das eigentliche Studium hinaus solle die Universität auch ein Ort sein, der Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen und Altersklassen Zugang zu akademischem Wissen gewährt. Insgesamt wolle die berufsbegleitende Weiterbildung nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch zur selbstständigen Gestaltung der eigenen Laufbahn befähigen, so Cuonz. «Um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, braucht es vermehrt methodische und soziale Kompetenzen», ist sie überzeugt.

Zur Person

© Universität Bern

Christina Cuonz

ist Direktorin des Lifelong Learning Center (LLC) an der Universität Bern. Sie hat an den Universitäten Lausanne, Oslo und Edinburgh Anglistik, Germanistik und Journalismus studiert und im Bereich der kognitiven Soziolinguistik promoviert. Christina Cuonz engagiert sich als Dozentin in Weiterbildungsstudiengängen in den Themenbereichen Weiterbildungsmanagement sowie Führungskommunikation.

Lernen fördert die kognitive Gesundheit

Auch Arbeitspsychologe Andreas Hirschi betont die Bedeutung von übergeordneten Skills wie Eigeninitiative, die Fähigkeit, sich an neue Arbeitsbedingungen und Teams anzupassen, oder Selbstverantwortung: «Um in diesem dynamischen Umfeld im Arbeitsmarkt interessant zu bleiben und jederzeit eine neue Stelle zu finden, muss man Veränderungen von sich aus angehen.» Man sollte also eine Weiterbildung nicht erst in der Not absolvieren, etwa nachdem man seinen Job verloren hat, sondern sich immer wieder überlegen, welche Kompetenzen man braucht, um auf dem sich verändernden Arbeitsmarkt zu bestehen.

Magazin uniFOKUS

«Arbeitswelt im Wandel»

Dieser Artikel erschien erstmals in uniFOKUS, dem Printmagazin der Universität Bern. uniFOKUS beleuchtet viermal pro Jahr einen thematischen Schwerpunkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aktuelles Fokusthema: «Arbeitswelt im Wandel»

Berufsbegleitende Weiterbildung dient somit dazu, sich im dynamischen Arbeitsmarkt zu behaupten. Warum aber sollen sich auch ältere Menschen weiterbilden, die kurz vor der Pensionierung stehen oder bereits pensioniert sind? «Tatsächlich zeigen Studien, dass ältere Menschen weniger motiviert sind, an Weiterbildungen teilzunehmen», sagt Hirschi. Das liege einerseits daran, dass Arbeitgebende eher in junge Mitarbeitende investieren. Andererseits halten sich Ältere oft selbst für weniger lernfähig – zu Unrecht, wie die Forschung zeige. «Die Lernfähigkeit bleibt bis ins hohe Alter erhalten. Zudem ist ein 60-Jähriger unter Umständen ebenso lange in einem Unternehmen wie eine 25-Jährige, die nach ein paar Jahren den Job wechselt, weil sie sich langweilt.» Ständiges Lernen trägt zudem zur kognitiven Gesundheit bei: So wie regelmässiger Sport den Körper fit hält, bleibt auch das Gehirn durch das Lernen jung. «Lebenslanges Lernen bedeutet, Lernen nicht als Belastung, sondern als Chance zu verstehen», erklärt Hirschi. «Neues zu lernen, ist bereichernd und soll Freude machen.»

Finanzieller Nutzen von Weiterbildung ist nicht garantiert

Mit Freude allein ist es natürlich nicht getan. Wer im Berufsleben steht, wird sich vor allem weiterbilden, um sich gegen Arbeitslosigkeit zu schützen und in Lohnverhandlungen bessere Karten zu haben. Zahlt sich eine teure Weiterbildung denn lohnmässig aus? Nicht unbedingt, meint Stefan Wolter, Leiter der Forschungsstelle für Bildungsökonomie an der Universität Bern. Denn während sich ein Studium erwiesenermassen positiv auf das Lohnniveau auswirke, sei es für die Forschung schwierig, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer absolvierten Weiterbildung und höherem Lohn herzustellen.

«Die Lernfähigkeit bleibt bis ins hohe Alter erhalten.»

Andreas Hirschi

Zu viele Faktoren spielen hier eine Rolle: Wurde ein Angestellter nur deshalb nicht befördert, weil er ein paar Jahre zuvor auf die Weiterbildung verzichtet hat? Verdient seine Kollegin heute mehr, weil sie den Kurs besucht hat, oder zeigte sie schon immer mehr Motivation und Engagement? Immerhin: Wenn das Unternehmen die Weiterbildung initiiert und bezahlt, zieht das häufig einen Lohneffekt nach sich. Aber natürlich findet auch hier eine vorgängige Selektion statt: Unternehmen bewilligen eher fähigen und motivierten Mitarbeitenden eine Weiterbildung, und sie schicken sie in Kurse, die sich direkt auf die Arbeitsproduktivität auswirken.

Wissen veraltet schneller denn je

Dass Weiterbildung für die Laufbahn wichtig ist, sei an sich keine neue Erkenntnis, sagt Wolter: «Darüber spricht man seit über 50 Jahren.» Was sich aber verändert habe, sei der Grund, warum sich jemand weiterbildet: In den 1960er-Jahren diente Weiterbildung vor allem dazu, die Mängel des formalen Bildungssystems zu kompensieren und Verpasstes nachzuholen. Heute ist das anders: «Es treten mehr als doppelt so viele Menschen mit einem Hochschulabschluss in den Arbeitsmarkt ein wie noch vor 25 Jahren.» Diese bringen einen enormen Wissensstand mit, gleichzeitig führt die Digitalisierung dazu, dass dieses Wissen rasch veraltet und an Wert verliert. «Wer nicht mit ständiger Weiterbildung Gegensteuer gibt, läuft Gefahr, sich zu dequalifizieren», sagt Wolter. «Es ist ein Rennen gegen die Zeit.»

«Es ist ein Rennen gegen die Zeit.»

Stefan Wolter

Zudem bringen es die neuen Technologien mit sich, dass bestehende Berufe verschwinden und sich neue Tätigkeitsfelder auftun. Auch das sei zwar kein neues Phänomen, so Wolter. «Aber der Wandel wird schneller, und die Notwendigkeit, sich im Lauf der Karriere komplett neu orientieren zu müssen, immer wahrscheinlicher.»

Zur Person

Bild: zvg

Stefan Wolter

ist Leiter der Forschungsstelle Bildungsökonomie an der Universität Bern. Er hat Nationalökonomie und Psychologie an der Universität Bern studiert und ist Titularprofessor für Bildungsökonomie an der Universität Bern.

Trend zu Weiterbildung «on the job»

Der Vorteil der Weiterbildung: Sie kann auf gesellschaftliche Veränderungen rascher reagieren als das formale Bildungssystem. Um die Jahrtausendwende etablierten sich Weiterbildungsangebote wie CAS und MAS, die mit der Vergabe von ECTS-Credits einen Hochschulabschluss imitierten, oftmals aber keinen direkten Wissenstransfer in den beruflichen Alltag brachten. Wolter: «Heute muss eine Weiterbildung praxisnah sein und sich sofort lohnen, sowohl für die Unternehmen als auch die Arbeitnehmenden.»

uniAKTUELL-Newsletter abonnieren

Entdecken Sie Geschichten rund um die Forschung an der Universität Bern und die Menschen dahinter.

Es mache keinen Sinn, sich in einer Weiterbildung Kompetenzen anzueignen, ohne zu wissen, ob man diese überhaupt je braucht. Auch LLC-Direktorin Cuonz ist überzeugt, dass gezielte, praxisnahe Weiterbildung «on the job», etwa über Mikrozertifikate, immer wichtiger wird: «Arbeit und Weiterbildung verlaufen nicht mehr in getrennten Phasen, sondern verschmelzen zunehmend ineinander.» Oder anders gesagt: Weiterbildung wird immer mehr Bestandteil der beruflichen Tätigkeit.

Lebenslanges Lernen

Alles unter einem Dach

Das Zentrum für universitäre Weiterbildung der Universität Bern (ZUW) wird aktuell zu einem Lifelong Learning Center (LLC) umgestaltet. Das LLC versteht sich als Kompetenzzentrum für lebenslanges Lernen und vereint alle Angebote ausserhalb des grundständigen Studiums unter einem Dach – von der Kinderuniversität über berufsbegleitende Weiterbildung bis zur Seniorenuniversität. Bereits heute bietet die Uni Bern über 140 Lehrgänge in allen Fakultäten an. Neben den Formaten CAS, DAS und MAS gibt es vermehrt Mikrozertifikate für eine gezielte Weiterbildung. Digitale und hybride Formate werden ausgebaut, die Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft, Hochschulen und Verwaltung wird vertieft. Themen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit werden interdisziplinär vermittelt.

Weitere Informationen