Planetenwissenschaften
Jonas Kühn fängt Bilder von sehr fernen Planeten ein
Jonas Kühn, Professor für astronomische Instrumentierung, hat ein neuartiges Instrument entwickelt. Es basiert auf Flüssigkristallen, wie wir sie von den Smartphones kennen, und wird auf einem neuen Teleskop Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems abbilden.
Auf dem Bildschirm in seinem Büro zeigt Jonas Kühn ein Foto, das sein Leben als Forscher veränderte: Auf dem Bild aus dem Jahr 2008 sind drei unscheinbare Pünktchen zu sehen – Planeten, die um einen anderen Stern kreisen.
Es war die erste direkte Aufnahme eines Exoplanetensystems ausserhalb unseres Sonnensystems. Zuvor konnten solch ferne Welten nur mit indirekten Methoden nachgewiesen werden. «Ich war überwältigt», erzählt Kühn: «Ich fand es unglaublich, dass man um Sterne kreisende Planeten direkt abbilden konnte. Das war total neu, und mir war sofort klar, dass ich dies auch machen wollte.»
Flüssigkristalle bringen den Durchbruch
Heute leitet der Professor der Universität Bern ein Projekt namens PLACID, welches das direkte Abbilden von Exoplanetensystemen auf eine völlig neuartige Weise machen wird. Für die direkte Bildgebung braucht es einen sogenannten Koronographen – eine Maske, die das helle Licht des Sterns abschirmt, um die viel lichtschwächeren Planeten sichtbar zu machen.
Anstatt eine Platte sehr präzise im Lichtweg eines Teleskops zu platzieren, verwendet PLACID digitale Technik basierend auf Flüssigkristallen, wie man sie von den Displays in Smartphones oder den Computer- und TV-Bildschirmen kennt.
«Ich fand es unglaublich, dass man Planeten, die andere Sterne umkreisen, direkt abbilden konnte.»
Das neue Instrument PLACID wurde gemeinsam von der Universität Bern und der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kanton Waadt in Yverdon (HEIG-VD) gebaut und 2025 in einem neuen 4-Meter-Teleskop in der Osttürkei installiert. Im ersten Halbjahr 2026 soll es in Betrieb gehen.
Vom Mikrokosmos zu den Sternen
Damals als Kühn sich für die ersten Exoplaneten-Bilder begeisterte, arbeitete er an einem völlig anderen Thema. Für seine Doktorarbeit an der ETH-Lausanne untersuchte er die mikroskopische Welt lebender Zellen und Mikroben. Weil ihn Weltraumforschung und Astronomie jedoch schon immer fasziniert hatten, kam er ins Gespräch mit ehemaligen NASA-Mitarbeitenden, die damals nach Lausanne gezogen waren. Dies gab ihm den Anstoss, sich für ein Postdoc-Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds zu bewerben, das ihn schliesslich an das «NASA Jet Propulsion Laboratory» (JPL) nach Pasadena in Kalifornien führte.
«Heutzutage kommt es selten vor, dass man ein Instrument von Grund auf neu entwickeln, in ein grosses Teleskop installieren und damit selbst beobachten kann.»
«Am JPL lernte ich, wie man astronomische Instrumente baut», erzählt Kühn. Er arbeitete aber nicht nur im Labor, sondern konnte auch mit dem Palomar 5-Meter-Hale-Teleskop in Kalifornien und den 8-Meter-Teleskopen auf Hawaii Beobachtungen durchführen, was ihn besonders faszinierte.
Er freut sich denn schon jetzt auf die Zeit, die er und sein Team im türkischen Observatorium verbringen werden. «Heutzutage kommt es selten vor, dass man ein Instrument von Grund auf neu entwickeln, in ein grosses Teleskop installieren und damit selbst beobachten kann», sagt er: «Ich darf mich also glücklich schätzen.»
Digitale Revolution erreicht Exoplaneten
Die Idee für das neuartige Instrument hatte Kühn aufgrund seiner Erfahrung mit der interferometrischen Mikroskopie, bei der eine digitale Technik zu entscheidenden Fortschritten geführt hatte. «Bei den traditionellen Koronographen verwenden wir immer noch diese sehr teuren und schwer herzustellenden Phasenplatten», erklärt der Wissenschaftler: «Ich will die digitale Revolution auch in der direkten Bildgebung von Exoplaneten vorantreiben.» Mit aktiven Flüssigkristallanzeigefeldern, sogenannten Spatial Light Modulators (SLMs), ist es möglich, den Lichtweg für jedes Pixel auf einem 1-Megapixel-Bildschirm anzupassen. So lassen sich mit einem einzigen Mausklick sehr komplexe Masken erstellen, was das Leben der beobachtenden Astronominnen und Astronomen erheblich erleichtert.
Dass diese Idee funktioniert, konnte Kühn 2017 an der ETH Zürich im Labor zeigen, dank eines SNF Ambizione fellowship. Seit 2019 arbeitet er an der Universität Bern, wo er 2022 zum Assistenzprofessor ernannt wurde. Er lobt das inspirierende Umfeld: «Wir haben hier so etwas wie ein Mini-JPL mit hochqualifizierten Ingenieuren und Ingenieurinnen, die Weltrauminstrumente bauen, und vielen kleinen Forschungsgruppen, die einander helfen.» Dank der internen Unterstützung gelang es Kühn auch, den Zuschlag für den Bau von PLACID zu erhalten, zusammen mit Forschenden der HEIG-VD, die das adaptive Optiksystem für das türkische Teleskop entwickeln.
Mit Skilift zum Teleskop in der Türkei
Das neu erbaute 4-Meter-Teleskop namens DAG befindet sich in Ostanatolien. «Die Landschaft sieht ähnlich aus wie im Jura», sagt Kühn: «Nur sind wir dort gut 1000 Meter höher.» Von der nächstgelegenen Stadt, Erzurum, dauert die Autofahrt etwa anderthalb Stunden bis zum Teleskop auf 3170 m.ü.M. «Während der Wintersaison fahren wir zunächst zu einem nahe gelegenen Skigebiet, dann mit dem Skilift weiter hinauf, wo uns ein Pistenfahrzeug abholt und zum Observatorium bringt», erzählt Kühn: «Das ist ziemlich lustig.» In den nächsten Monaten wird er mit seinem Team das PLACID-Instrument bei mehreren Besuchen für den Betrieb einrichten.
Ruben Tandon, Doktorand in Kühns Team hat bereits einen Katalog von Beobachtungszielen zusammengestellt. Die Forschenden wollen unter anderem versuchen, Exoplaneten, die Doppelsterne umkreisen, direkt abzubilden. «Das wird eine Premiere sein», sagt Tandon. Denn mit den herkömmlichen Koronographen war dies bisher nicht möglich. «Mit PLACID können wir unsere Maske in Echtzeit so anpassen, dass das Licht von mehreren Sternen gleichzeitig perfekt abgeblockt wird», erklärt er.
Mit einem ERC Consolidator Grant in der Höhe von 2,7 Millionen Euro arbeiten die Forschenden im Labor in Bern zudem bereits an einer Weiterentwicklung dieser Technologie. Sie hoffen, dass dereinst ein solcher digitaler Koronograph in einem der künftigen Riesenteleskope installiert wird, wie beispielsweise dem 39 Meter hohen European Extremely Large Telescope in Chile.
Forschung mit Familienleben vereinbaren
Dass das Privileg, in einer entlegenen Sternwarte arbeiten zu können, auch seine Schattenseiten hat, ist Kühn bewusst. «Als in den USA unser erstes Kind zur Welt kam, musste meine Frau häufig alleine zurechtkommen, und auch jetzt bin ich oft weg», erzählt er. «Generell ist es nicht einfach, Familie und akademische Karriere miteinander zu vereinbaren. Wenn man astronomische Beobachtungen vor Ort durchführt, ist es wohl noch schwieriger.»
«Generell ist es nicht einfach, Familie und Karriere miteinander zu vereinbaren. Wenn man astronomische Beobachtungen vor Ort durchführt, ist es wohl noch schwieriger.»
Inzwischen sind seine beiden Söhne sechs und zwölf Jahre alt, schauen gerne Science-Fiction-Filme wie zum Beispiel Star Wars und interessieren sich – von Natur aus neugierig – für die Arbeit des Vaters. «Mit Astronomie habe ich einen grossen Vorteil gegenüber einigen anderen Forschungsgebieten», sagt Kühn: «Wenn ich erkläre, was ich mache, gibt es zwar immer ein oder zwei Personen, die fragen, was das Ganze überhaupt soll, weil wir nie zu den fernen Planeten reisen werden, aber die meisten finden es sehr spannend.»
Gerne würde er seine Frau und die Kinder eines Tages zu einem Besuch in einem grossen Observatorium mitnehmen, um sie die Faszination miterleben zu lassen: «Wenn man zuschaut, wie sich die Kuppel öffnet und sich das riesige Teleskop in Bewegung setzt, wenn der Himmel sichtbar wird, und all diese Photonen, die von einem Stern gesammelt wurden, auf deinem Bildschirm erscheinen: Das ist schon etwas ganz Besonderes.»
Zur Person
Jonas Kühn
ist Professor für astronomische Instrumentierung an der Universität Bern. Er entwickelt neue Konzepte für besonders empfindliche und kontrastreiche Instrumente, um lichtschwache Exoplaneten direkt abzubilden.
Kontakt
Prof. Dr. Jonas Kühn
Physikalisches Institut, Weltraumforschung und Planetologie
Jonas.kuehn@unibe.ch
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