Kosmischem Eis auf der Spur

Mit 1,3 Millionen Franken fördert der Bund die Entwicklung eines neuartigen Raumfahrtinstruments unter der Leitung von Nicolas Thomas. Damit soll in Zukunft Wassereis unter der Oberfläche von Kometen, Planeten und Monden untersucht werden.

Text: Barbara Vonarburg 23. November 2023

Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko aufgenommen von der Raumsonde Rosetta. Die Mischung von Staub und Wassereis im Innern von Kometen kann Aufschluss über die Entstehung unseres Planetensystems geben. © ESA/Rosetta/NAVCAM

Kometen sind grosse Brocken aus Eis und Staub. Sie gelten als Überreste des Materials, aus dem vor 4,5 Milliarden Jahren unser Planetensystem entstanden ist. Von der Erforschung von Kometen erhoffen sich Forschende also unter anderem Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems.

«Bei Kometen ist es entscheidend, dass wir das Material und dessen Struktur unter der Oberfläche untersuchen können, denn auf der Oberfläche hat der Einfluss der Sonne alles verändert», erklärt Nicolas Thomas, Professor für Experimentalphysik an der Universität Bern. Nur so lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie sich im frühen Sonnensystem Staub und Eis miteinander verbunden haben, als die Sonne von einer protoplanetaren Scheibe aus Material umgeben war, aus dem schliesslich unser Planetensystem entstanden ist.

Der Beginn einer aussichtsreichen Zusammenarbeit

Doch wie genau sind das Wassereis und der Staub in einem Kometen miteinander verbunden? Und wie lässt sich das herausfinden? Diese Fragen beschäftigten Thomas schon lange, als er nach Feierabend zufällig seinen Kollegen Thomas Feurer traf und sich eine Weile mit ihm unterhielt. «Hast du schon einmal etwas von zeitaufgelöster Terahertz-Spektroskopie gehört?» fragte Feurer, der Experte für diese Technik ist, und erklärte, dass man damit Eis und Staub voneinander unterscheiden und sehen könne, was passiere, wenn Eis schmelze.

Mögliche Modelle, wie das Wassereis unter der Oberfläche eines Kometen verteilt sein könnte. Oben links: Das Eis (blau) umschliesst den Staub (braun). Oben rechts: Ein kleiner Anteil Eis heftet sich an den Staub. Unten links: Das Wassereis und anderes, volatiles Eis (rot) mischen sich unter einer ausgetrockneten Oberfläche. Unten rechts: Das Eis konzentriert sich und wird vom Staub umgeben. (cf Potapov et al., 2021)

Terahertz-Strahlung kennt man vor allem von der Sicherheitskontrolle an Flughäfen, wo sie bei Körperscannern zum Einsatz kommt, da sie die Kleidung durchdringen und so versteckte Objekte sichtbar machen kann. Es handelt sich dabei um elektromagnetische Strahlung im Frequenzbereich zwischen Infrarotstrahlung und Mikrowellen. Terahertz-Spektrometer analysieren, welche Frequenzen der Strahlung ein Material absorbiert oder reflektiert. So können zum Beispiel Sprengstoff oder Drogen anhand ihrer spezifischen Terahertz-Signatur identifiziert werden.

Zur Person

Nicolas Thomas ist seit 2003 Professor am Physikalischen Institut der Universität Bern und seit 2022 Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunkts NFS PlanetS, den die Universität Bern gemeinsam mit der Universität Genf leitet. Er arbeitet an Fernerkundungsinstrumenten für die Erforschung des Mars, von Kometen und dem Jupiter-System. Er hilft gerade dabei, eine Mission zum vulkanischen Jupitermond Io zu planen.

«Für Weltrauminstrumente wurde diese Technik bisher nicht angewandt», sagt Thomas. In Feurers Labor führten die Wissenschaftler ein erstes Experiment durch. Als Probe hatten sie eine Mischung aus Staub und Eis vorbereitet, wie sie in Kometen vorkommt. «Als wir diese Probe erwärmten, zeigte das Terahertz-Spektrometer tatsächlich ein Signal», erzählt Thomas: «Wir haben gesehen, wo das gefrorene Wasser flüssig wurde.»

Geld von der ESA und dem Bund

Aufgrund dieses Erfolgs beschloss er, ein Konzept für ein neuartiges Instrument zu entwickeln. Es soll dereinst mit Raumsonden ins All fliegen und Wassereis unter der Oberfläche von Kometen, Planeten und Monden untersuchen. Die europäische Weltraumorganisation ESA förderte erste Arbeiten mit 90'000 Euro. Für die weitere Entwicklung spannt die Universität Bern zusammen mit der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO) in Lausanne, die sich um die Elektronik kümmern wird, sowie dem Unternehmen Thales-Alenia Space Schweiz (TASCH), das bereits an der Entwicklung früherer Weltrauminstrumente unter der Leitung von Thomas beteiligt war.

Das gemeinsame Projekt wurde auf den Namen SUBICE getauft. Damit bewarben sich die drei Partner um einen Förderbeitrag im Rahmen von MARVIS, einem Programm des Schweizerischen Nationalfonds (SNF). MARVIS steht für «Multidisciplinary Applied Research Ventures in Space», übersetzt «multidisziplinäre Projekte der angewandten Weltraumforschung». SUBICE war eines der beiden Projekte, die nach einer Evaluation durch den SNF und das Staatssekretariat für Wirtschaft, Bildung und Innovation (SBFI) ausgewählt wurden.

«Die Projekte überzeugen durch ihre Multidisziplinarität und ihr Potenzial, spezifische Fachkompetenzen im Raumfahrtbereich zu entwickeln.»

Renato Krpoun

«Die Projekte überzeugen durch ihre Multidisziplinarität und ihr Potenzial, spezifische Fachkompetenzen im Raumfahrtbereich zu entwickeln», sagt Renato Krpoun, Leiter der Abteilung Raumfahrt im SBFI. Zudem seien sie vielversprechend im Hinblick auf eine Nutzung der Resultate in den Tätigkeiten der ESA. «Damit stärken sie die Position der Schweiz in der Raumfahrt, fördern die nationale und internationale Zusammenarbeit und tragen zur Umsetzung der Schweizer Weltraumpolitik bei.» Ein wenig stolz zeigt Thomas den von Bundesrat Guy Parmelin unterzeichneten Brief, der die Unterstützung seines Projekts mit 1,3 Millionen Franken für die nächsten zweieinhalb Jahre zusichert.

Mars und Monde als mögliche Ziele

Die heute gängige Theorie besagt, dass sich während der Entstehung des Sonnensystems kieselsteingrosse Objekte, sogenannte Pebbles, zusammenballten und so schliesslich die Kerne der grossen Gasplaneten bildeten. «Für diese sogenannte Pebble-Akkretion gibt es aber keinen Beweis», sagt Thomas. Geht man davon aus, dass Kometen Überbleibsel dieses Prozesses sind, sollte man die Eigenschaften der Pebbles erforschen können, wenn man die Strukturen im Inneren eines Kometen bestimmen kann. «Dies war ursprünglich der Hauptgrund, warum wir das neue Instrument entwickeln wollten», sagt Thomas.

Das Instrument könnte dereinst aber auch auf dem Mars oder dem Mond eingesetzt werden. «Wir wissen, dass es auf dem Mars innerhalb von einem Meter unter der Oberfläche Wassereis gibt», sagt Thomas. Zurzeit entwickelt die NASA zusammen mit internationalen Partnern das Konzept für eine Marsmission, die mit Hilfe von Radar die Vorkommen von Wassereis unter der Marsoberfläche kartieren soll. «Doch bevor man eine Raumfahrt-Crew zum Mars schicken kann, braucht man einen direkten Beweis, dass das Wassereis an einem bestimmten Ort tatsächlich vorhanden ist», sagt Thomas. Diesen könnte zum Beispiel ein Terahertz-Instrument an Bord einer späteren Landemission liefern.

Der markierte Bereich des Mars in dieser Illustration enthält oberflächennahes Wassereis, das für Astronautinnen und Astronauten leicht zugänglich wäre. Das Wassereis wurde als Teil einer Karte mit Daten von NASA-Orbitern identifiziert. © NASA/JPL-Caltech

Gleiches gilt für die Eisvorkommen in den Kratern am Südpol des Erdmondes oder auf dem Jupitermond Europa und dem Saturnmond Enceladus, sollte dereinst eine Raumfahrtmission mit einem Landegerät zu diesen Zielen starten. «Wir wissen, dass Wassereis ein Hauptbestandteil vieler planetarischer Objekte ist», sagt Thomas. «Deshalb sind Techniken zur Erforschung der Verteilung und Form von Eis unter der Oberfläche für die Wissenschaft von grossem Interesse.»

«Bevor man eine Raumfahrt-Crew zum Mars schicken kann, braucht man einen direkten Beweis, dass das Wassereis an einem bestimmten Ort tatsächlich vorhanden ist.»

Nicolas Thomas

Allerdings wird es noch einige Jahre dauern, bis das neuartige Instrument einsatzbereit sein wird. Die Forschenden hoffen, während der Laufzeit der MARVIS-Förderung einen Laborprototypen zu entwickeln, der zeigt, dass das Konzept im Prinzip funktioniert. Ein Flugmodell muss leicht sein und automatisch funktionieren. «Da gibt es noch viel mehr zu tun», sagt Thomas. «Wenn wir mit einem solchen Gerät in 15 Jahren starten können, wäre das ein Erfolg.»

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BERNER WELTRAUMFORSCHUNG: SEIT DER ERSTEN MONDLANDUNG AN DER WELTSPITZE

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung. Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht. Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

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