UNO-Ozeankonferenz 2025
Der Ozean ist am Limit – und dennoch besteht Hoffnung
Erhitzung, Tiefseebergbau, gefährdete Ökosysteme: Klimaforscher Thomas Frölicher sagt im Interview, wie es um den Ozean steht, welche Lichtblicke es gibt und warum das für die Schweiz wichtig ist.

Thomas Frölicher: Es geht ihm so schlecht wie noch nie. Unsere Studien aus den letzten Jahren zeigen deutlich: Der Ozean erwärmt sich rasant und marine Hitzewellen nehmen stark zu. Allein im letzten Monat war fast ein Viertel der Ozeanoberfläche von solchen Hitzewellen betroffen. Die globale Ozeantemperatur hat in den letzten acht Jahren jedes Mal den vergangenen Jahresrekord gebrochen und es wird auch dieses Jahr voraussichtlich wieder einen neuen Rekord geben. Die Meere werden aber nicht nur wärmer, sondern aufgrund des CO2 auch saurer und sie verlieren Sauerstoff. Davon sind auch Ökosysteme betroffen, wie zum Beispiel Fische, aber auch Warmwasserkorallen. Im vergangenen Jahr waren 84 Prozent der Korallenriffe von Bleiche betroffen. Ausserdem steigt der Meeresspiegel weiter an und über die letzten 20 Jahre hat sich die Rate des Meeresspiegelanstiegs verdoppelt. Wir sind ganz klar auf dem falschen Pfad.
Das klingt sehr düster. Sie waren vergangene Woche an der UNO-Ozeankonferenz. Unternimmt die Weltgemeinschaft etwas dagegen?Ich habe bisher von den Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean gesprochen. Natürlich gibt es daneben noch weitere grosse Herausforderungen, die auch an der UNO-Konferenz intensiv diskutiert wurden. Beispielsweise die zunehmende Plastikverschmutzung und Überfischung, oder den Rückgang der marinen Biodiversität. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, haben 19 Staaten die Konferenz genutzt, um das Hochsee-Schutzabkommen zu ratifizieren. Dieses Abkommen schafft erstmals rechtlich verbindliche Regeln für den Schutz der Hochsee, also jener zwei Drittel des Ozeans, die ausserhalb nationaler Hoheitsgewässer liegen. Inzwischen haben bereits 50 Länder das Abkommen ratifiziert. Die Schweiz unterstützt das Abkommen ebenfalls. Es sieht also so aus, dass das Abkommen tatsächlich in Kraft treten wird – ein grosser Erfolg für den internationalen Meeresschutz.
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Das zweite grosse Thema war der Tiefseebergbau nach seltenen Erden wie Kobalt und Nickel. Aktuell unterstützen 37 Staaten ein Moratorium, darunter auch die Schweiz. Allerdings fehlen wichtige Staaten, wie zum Beispiel die USA, die bereits angekündigt haben, Tiefseebergbau betreiben zu wollen. Da ist eher unklar, wie es weitergeht, obwohl von Seiten der Wissenschaft klar ist, dass ein Moratorium unterstützt und in Kraft gesetzt werden sollte.
«50 Länder haben das Hochsee-Schutzabkommen bereits ratifiziert. Es wird also bald in Kraft treten. Das ist ein grosser Erfolg.»
Thomas Frölicher

Tiefseebergbau ist schädlich für die empfindlichen Ökosysteme im tiefen Ozean und kann zu irreversiblen Schäden führen. Zudem wissen wir über den tiefen Ozean weniger als über die Oberfläche des Mondes. Bis heute wurden lediglich etwa 0,001 Prozent der Tiefsee direkt beobachtet – mit Kameras oder durch Tauchfahrzeuge. Wir haben also kaum eine Vorstellung davon, was sich im tiefen Ozean befindet oder welche Arten dort leben.
Zur Person

Thomas Frölicher
ist ordentlicher Professor für Klima und Umweltphysik und war Teil der Schweizer Delegation an der UNO-Ozeankonferenz. Er hat an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften studiert und an der Universität Bern in Physik doktoriert. Danach hat er mehrere Jahre als PostDoc an der Princeton University in den USA gearbeitet. 2019 wurde Frölicher mit dem Theodor Kocher Preis der Universität Bern ausgezeichnet. Er ist Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung und hat als Leitautor massgeblich am IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate mitgearbeitet.
Ja, zum Beispiel durften Forschende, die an staatlichen Einrichtungen wie der NASA oder der NOAA angestellt sind, gar nicht zur Konferenz anreisen. Es waren auch sonst nicht viele amerikanische Forschende dort. Zudem sind einige wichtige ozeanographische Beobachtungssysteme durch Budgetkürzungen in den USA akut gefährdet. Das hat natürlich grosse Auswirkungen auf die Ozean-Forschung im Allgemeinen. Darüber habe ich bereits bei der Gesprächsrunde mit der Rektorin gesprochen.
Wie stark sind Sie und andere Forschende in den Verhandlungen an solchen UNO-Konferenzen involviert?Ich war Teil der Schweizer Delegation und war positiv überrascht, wie stark sich die Delegation auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt. Wie sehr wir Forschende die Entscheidungen letztlich beeinflussen, ist schwer zu sagen. Aber viele Forschende sind direkt in die Delegationen eingebunden, auch bei anderen Ländern. Frankreich hatte beispielsweise einige Forschende dabei, die ich persönlich kenne. Die französische Regierung hat zudem ausdrücklich betont, dass die Entscheidungen auf der UNO-Konferenz von wissenschaftlichen Fakten geleitet werden sollen. Deswegen wurde in der Woche vor der Konferenz eigens ein Wissenschaftskongress am gleichen Ort organisiert. Ich war Teil des wissenschaftlichen Organisationskomitee und wir konnten unsere Empfehlungen direkt an die Staats- und Regierungschefs adressieren. Die Wissenschaft wurde also zumindest angehört.
«Ohne Ozeane wäre der Temperaturanstieg in der Schweiz schon viel höher als die bisherigen 2,9 Grad.»
Marianne Meier
Sie haben gesagt, dass die Schweiz das Hochsee-Schutzabkommen und das Moratorium gegen Tiefseebergbau unterstützt. In einem aktuellen Positionspaper fordern Sie zudem, die Gesundheit des Ozeans müsse zu einem nationalen Anliegen werden. Warum?Erstens spielen die Weltmeere eine zentrale Rolle bei der Klimaregulierung: sie nehmen rund 90 Prozent der überschüssigen Wärme auf und einen Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. Ohne den Ozean wäre der Temperaturanstieg in der Schweiz deutlich höher als die bisherigen 2,9 Grad. Zudem beeinflusst der Ozean unser Wetter: Ein grosser Teil des Niederschlags in der Schweiz kommt entweder vom Atlantik oder vom Mittelmeer. Und dann ist auch die Biodiversität im Ozean grundsätzlich wichtig, etwa für unsere Ernährungssicherheit und das Leben auf unserem Planeten. Ich habe ausserdem erst kürzlich gelernt, dass Schweizer Unternehmen rund 4 Prozent aller weltweiten Patente auf marine genetische Ressourcen halten. Die biologische Vielfalt in den Ozeanen ist daher auch für die Medizin und die Biotechnologie von enormer Bedeutung.
Inwiefern?Mit Hilfe dieser genetischen Ressourcen entstehen neue Ansätze zur Entwicklung von Medikamenten, zum Beispiel gegen Alzheimer. Die Schweiz spielt dabei eine führende Rolle in einem aufstrebenden Forschungsbereich.
Im Ozean könnten sich also noch unbekannte Schätze verbergen. Wie schützen wir diese am besten?Das Wichtigste ist es, die CO2-Emissionen stark zu reduzieren. Sie wirken sich auf verschiedene Weise schädlich auf den Ozean aus: er wird wärmer und verliert Sauerstoff, die Versauerung nimmt weiter zu und das hat negative Auswirkungen auf die Ökosysteme. Doch angesichts des rekordhohen CO2-Ausstosses ist das kurzfristig leider eher unrealistisch. Eine realistischere Massnahme wäre daher ein Moratorium auf den Tiefseebergbau – zumindest so lange, bis wir wirklich verstehen, welche Auswirkungen dieser Eingriff auf die Ökosysteme hat. Mein grösster Wunsch ist es aber, die Faszination für das Meer an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Denn nur wenn diese Begeisterung mitgetragen wird, können wir den Schutz der Weltmeere langfristig sichern.