Gibt es einen speziellen Grund, weshalb dieser Bericht gerade jetzt veröffentlicht wird?
2016 haben die Vertreter der Regierungen, die den Weltklimarat bilden, beschlossen, dass der IPCC zusätzlich zu den Sachstandsberichten auch drei Sonderberichte verfassen soll. Bei einem davon geht es um den Ozean und die Kryosphäre, beides zentrale Elemente des Erdsystems. Sie sind nicht nur fürs Klima wichtig, sondern auch für den Erhalt des Lebens auf der Erde. Die Ozeane bedecken über 70 Prozent der Erdoberfläche. Und ohne Ozean gäbe es kein höheres Leben. Das marine Phytoplankton ist auch zuständig für etwa 50 Prozent der globalen Primärproduktion von Biomasse und deshalb für die Hälfte der globalen Sauerstoffproduktion auf der Erde. Die Kryosphäre wiederum speichert grosse Vorräte an Süsswasser und ist für das Leben an Land unverzichtbar.
Sie sind Schweizer und haben in Zürich studiert und in Bern promoviert, wie kommt es, dass Sie sich als Binnenlandbewohner ausgerechnet auf Ozeane spezialisiert haben?
Der Ozean scheint tatsächlich für viele Menschen in der Schweiz weit weg zu liegen. Doch auch wir sind auf die Funktion, die er im System Erde erfüllt, angewiesen. Weltweit hängen zig Millionen Menschen direkt vom Zustand des Ozeans ab. Er ist unter anderem für Wetter und Klima verantwortlich, und er ist eine wichtige Ressource für Nahrung und Wasser. Er spielt aber auch in Bereichen wie Energie, Handel, Transport, Freizeit und Tourismus eine wichtige Rolle. Und sein Zustand wirkt sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden unzähliger Menschen aus. Doch im Gegensatz zum Land oder zur Atmosphäre wissen wir noch herzlich wenig über den Ozean. Insbesondere darüber, wie der Klimawandel die biogeochemischen Bedingungen des Ozeans und seiner Ökosysteme beeinflusst. Genau diese offenen Fragen - das Unbekannte also - faszinieren mich.
Wie wird man eigentlich Leitautor eines IPCC-Berichts?
Fachleute aus der ganzen Welt können sich auf eine öffentliche Ausschreibung melden. Aus diesem Pool wählt die Leitung der Arbeitsgruppe II des IPCC, die die Verletzlichkeit des sozio-ökonomischen und des natürlichen Systems durch den Klimawandel untersucht, eine Handvoll Expertinnen und Experten. Das so zusammengestellte Team bestimmt und verfasst gemeinsam die verschiedenen Kapitel des Sonderberichts.
Was genau war Ihre Aufgabe als Leitautor?
Ich durfte gemeinsam mit anderen Expertinnen und Experten das Kapitel über «Extremes, abrupt changes and managing risks» verfassen, also über Extremereignisse, abrupte Veränderungen und den Umgang mit Risiken. Dabei waren wir auf vorhandenes Wissen angewiesen und nutzen soweit wie möglich Studien, die in wissenschaftlich begutachteten Fachzeitschriften publiziert wurden. Als Kapitel-Team mussten wir uns dann auf die Darstellung des zusammengetragenen Sachstands und auf dessen wissenschaftliche Bewertung einigen. Das ist ein intensiver Prozess, bei dem zum Teil auch unterschiedliche Ansichten aufeinanderprallen. Konträre Ansichten, Wissenslücken und Unsicherheiten werden im Bericht aber klar dargestellt.
Zudem wird er durch ein mehrstufiges Begutachtungsverfahren mehrmals geprüft. Die erste Begutachtung erfolgt durch externe wissenschaftliche Fachleute, bei der zweiten sind zudem Experten der Regierungen beteiligt. In einem letzten Schritt wird mit der Erstellung des Berichts auch eine Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger verfasst. Dieser Text wird schliesslich von den Regierungen in einer Vollversammlung Satz für Satz verabschiedet. Diese Vollversammlung, an der ich auch mit dabei war, fand vergangene Woche in Monaco statt. Sie stand unter dem Vorsitz der Wissenschaftler.
Wie wurden die Autoren dieses Sonderberichts ausgewählt, können da alle Spezialisten mitmachen?
Als Leitautor kann man sogenannte «Contributing Authors» beiziehen, die uns bei einem bestimmten Sachverhalt wissenschaftlich unterstützen. So haben wir zum Beispiel beim Thema marine Hitzewellen einen Korallenexperten an Bord geholt, der uns beim Zusammenfassen des Wissens über die Einflüsse von marinen Hitzewellen auf Warmwasserkorallen unterstützt hat. Beim Begutachtungsprozess konnten anschliessend alle Forschenden, auch solche, die nicht direkt am Bericht mitgearbeitet haben, den Text kommentieren.