Orte an der Universität Bern
NeuroTec Loft: Eine Wohnung erforscht Krankheiten
Im NeuroTec Loft am sitem-insel wird anhand von Sensortechnologien erforscht, wie man Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose besser behandeln kann. Ziel ist es, dass Betroffene möglichst lange selbstbestimmt leben können.

Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer und Bad: Das NeuroTec Loft wirkt wie eine gewöhnliche Wohnung, doch knapp 200 sogenannte Lidarsensoren, Seismographen und Kameras messen menschliche Bewegungen, Sprache und Alltagssituationen.
Hier steht die Erforschung von neurologischen Erkrankungen im Zentrum – von Parkinson über Multiple Sklerose bis hin zu Alzheimer. Betroffene werden im Rahmen von Studien gezielt eingeladen, um je nach Studie unterschiedlich lange im Loft zu wohnen. «Wir erforschen, wie Patientinnen und Patienten mit einer neurologischen Beeinträchtigung mit ihren Alltagsfunktionen umgehen. Das heisst, wie sie essen, kochen, schlafen oder lesen», erklärt Tobias Nef, Forscher am ARTORG Center. Nef leitet zusammen mit Kaspar Schindler das NeuroTec Center, eine Forschungs- und Entwicklungsplattform von sitem-insel, der Universitätsklinik für Neurologie und dem ARTORG Center (siehe Infobox).
Selbstbestimmt leben dank Messungen zu Hause
Betroffene, die an Forschungsprojekten im Loft teilnehmen, geben bewusst ihr Einverständnis, konstant getrackt zu werden. Nef erklärt weiter: «Das Loft verstehen wir auch als Testlabor für Sensortechnologien, die am Ende bei den Betroffenen zu Hause zum Einsatz kommen, aber auch im Patientenzimmer im Spital.»

Viele Patientinnen und Patienten mit einer neurologischen Erkrankung äussern den Wunsch, möglichst lange selbstbestimmt zu Hause wohnen zu können. Aus diesem Grund werden neue Technologien in einer alltagsnahen Umgebung wie dem NeuroTec Loft getestet. «So können zu Hause oder im Spital Notsituationen wie ein Sturz erkannt werden. Man kann auch erkennen, ob die Betroffenen beim Kochen, Essen oder beim Aufstehen am Morgen Probleme haben», so Nef.
«Digitale Biomarker und Sensorik sind wichtige Bausteine, um neurologische Krankheiten besser zu verstehen und in der Zukunft auch besser behandeln zu können.»
Tobias Nef
Bei den Patientinnen und Patienten zu Hause würden laut Nef weniger Sensoren ausreichen. Somit wäre eine Messung zu Hause weniger auffallend: «Wir untersuchen hier auch, wie wir wichtige Daten gewinnen und gleichzeitig die Privatsphäre der Betroffenen schützen.»

Alltagssituationen als Forschungsobjekt
Wie ein konkretes Forschungsprojekt im NeuroTec Loft aussieht, erklärt Kevin Möri, Doktorand am ARTORG Center. Seine Studie beschäftigt sich mit Kindern und Jugendlichen mit einer einseitiger Bewegungseinschränkung. «Um Handfunktionen zu messen, stellen die Kinder hier im Loft alltägliche Situationen nach, wie Wasser einschenken oder mit einer Schere schneiden», erläutert Möri. Daraus ergäbe sich eine Zwischenstandsmessung, um die Handfunktionen der Teilnehmenden vor und nach einer Operation zu vergleichen. Die Rückmeldungen der Kinder und Jugendlichen seien positiv, sagt er: «Sie fühlen sich hier wohl und freuen sich immer, wenn sie ins Loft kommen dürfen. Da es fast wie ein Zuhause aussieht, sind sie entspannter als in einer neutralen Laborumgebung.»
«Die Teilnehmenden fühlen sich hier wohl und freuen sich immer, wenn sie ins Loft kommen dürfen.»
Kevin Möri
Für das Forschungsprojekt von Kevin Möri sind die Teilnehmenden nur einige Stunden im Loft. Andere Studien, die beispielsweise das Schlafen analysieren, erfordern einen längeren Aufenthalt mit Übernachtungen. Die Erforschung neurologischer Erkrankungen erfolgt im Loft anhand von digitalen Biomarkern. Ein digitaler Biomarker ist ein messbares Merkmal des menschlichen Körpers oder Verhaltens, das mit Hilfe digitaler Geräte oder Sensoren erfasst wird, wie Bewegungsmuster, Sprachveränderungen oder Schlafrhythmen.

Blick in die Zukunft
Eine Heilung für Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose gibt es zurzeit noch nicht – aber Tobias Nef sieht im NeuroTec Loft einen entscheidenden Schritt in die richtige Richtung: «Digitale Biomarker und Sensorik sind wichtige Bausteine, um neurologische Krankheiten besser zu verstehen und in der Zukunft auch besser behandeln zu können.» Es sei wichtig, Verhaltensmuster zu untersuchen. Heute wisse man, dass gerade bei Demenz mit Verhaltensmodifikationen die Risiken einer Erkrankung reduziert werden können. Bei neurologischen Erkrankungen sei ausserdem der zeitliche Verlauf besonders relevant. Neurologische Krankheiten würden über die Tage fluktuieren. Eine kontinuierliche Messung wie im Loft kann wertvolle Informationen generieren – zusätzlich zur Behandlung bei der Ärztin oder beim Arzt.

Zur Person

Tobias Nef
Prof. Dr. Tobias Nef ist Co-Direktor des NeuroTec Centers und Forscher am ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern. Er ist spezialisiert auf Gerontechnologie und Rehabilitation.
Zur Person

Kevin Möri
Kevin Möri ist Doktorand am ARTORG Center der Universität Bern. Sein aktuelles Projekt untersucht Alltagssituationen mit Kindern und Jugendlichen mit einseitigen Bewegungseinschränkungen.
NeuroTec Loft
Das NeuroTec Loft gehört zum NeuroTec Center, das Teil der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern ist. Geleitet wird das NeuroTec Center von Prof. Dr. Tobias Nef und Prof. Dr. Kaspar Schindler.
Im Zusammenhang mit dem Neurotec Loft besteht eine Zusammenarbeit mit dem ARTORG Center. Das Loft ist eine vollständig eingerichtete Wohnung am sitem-insel, das Swiss Institute for Translational and Entrepreneurial Medicine, die mit rund 200 Lidarsensoren, Seismographen und Kameras ausgestattet ist. Es dient als Testlabor, um neue Technologien in einer alltagsnahen Umgebung zu erproben, bevor diese in Patientenzimmern oder direkt bei Patientinnen und Patienten zu Hause eingesetzt werden. Im Loft untersuchen Forschende, wie digitale Biomarker helfen können, Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer, Multiple Sklerose oder Epilepsie besser zu verstehen und Therapien gezielter anzupassen. Damit soll Betroffenen mehr Selbstständigkeit ermöglicht und Angehörige entlastet werden.
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