Teilchenphysik im Bunker

Physikalische Forschungsarena am Tag, Produktionsstätte für medizinische Radioisotope bei Nacht: Ein Besuch im Berner Zyklotron-Labor, einem innovativen Arbeitstier.

Text: Serena Wölfel 18. April 2024

Das SWAN-Haus auf dem Inselareal vereint Krebsdiagnostik, Krebstherapie und multidisziplinäre Krebsforschung. © Saverio Braccini, Universität Bern

Von aussen lässt die unauffällige Fassade des SWAN-Hauses auf dem Campus des Inselspitals Bern nichts von der innovativen Forschung im Inneren vermuten. Im Souterrain, unter Palliativpflege und radiopharmazeutischer Produktion, befindet sich das Zyklotron, ein Teilchenbeschleuniger und das Kernstück der Einrichtung. Es ist eines von drei seiner Art, die in Schweizer Spitälern betrieben werden. Das Besondere an dem Zyklotron in Bern ist, dass es die Produktion von medizinischen Radioisotopen durch das Spin-off-Unternehmen SWAN Isotopen AG und zugleich multidisziplinäre Forschung ermöglicht. 

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Experimentieren im Bunker des Teilchenbeschleunigers

Der Laborkomplex im Untergeschoss ist Teil einer kontrollierten Zone, die durch eine Luftschleuse vom restlichen Gebäude getrennt ist. Der Grund: Der Zyklotron produziert nachts radioaktive Isotope für die Krebsdiagnostik . Aus Sicherheitsgründen trägt jede Person, die das Labor betritt, ein Dosimeter zur Messung von potenzieller Strahlung. «Die Gefahr einer Exposition gegenüber Radioaktivität im Labor ist aber sehr gering», versichert Saverio Braccini, der die physikalische Forschung um den Teilchenbeschleuniger leitet.

Das Zyklotron. © Laboratory for High Energy Physics (LHEP), Universität Bern

Der Hauptteil des Labors besteht aus zwei separaten Bunkern, die sich durch 2 Meter dicke Betonwände auf Schienen verschliessen lassen. Hinter einer solchen Mauer verborgen liegt das Zyklotron. Auf diese Weise können die Auswirkungen der erzeugten Radioaktivität eingedämmt werden. Im hellen, aber leeren Vorraum deuten nur ein schwaches Summen und Warnhinweise auf die Aktivität des 24-Tonnen-Beschleunigers hin. Die aktive Arbeit findet nebenan im Forschungsbunker statt, wo die «Beam Transfer Line» sichere physikalische Experimente ermöglicht. Forschende können hier alle Arbeitsschritte selbst umsetzen: ein Luxus, der in einer grossen Forschungseinrichtung wie dem CERN nicht möglich ist.

Die innovative «Beam Transfer Line» leitet einen Protonenstrahl in das angrenzende Labor, das ganz der Forschung gewidmet ist. © LHEP, University of Bern
Die innovative «Beam Transfer Line» leitet einen Protonenstrahl in das angrenzende Labor, das ganz der Forschung gewidmet ist. © LHEP, University of Bern

Ergiebige Zusammenarbeit

«Die Doppelnutzung des Zyklotrons ist eine Win-Win-Situation zwischen der Universität, der SWAN Isotopen AG und dem Inselspital», sagt Saverio Braccini über das konstante Hintergrundbrummen im Beam-Line-Bunker hinweg. «Für die Medizin ist der Beschleuniger in erster Linie ein Nutzgerät, das für die nächtliche Routine-Produktion zur Verfügung stehen muss. Durch unsere Forschung ist das Zyklotron tagsüber kreativer im Einsatz – mit dem Vorteil, dass wir alle beobachteten Defekte an der Maschine frühzeitig erkennen und melden können, um eine optimierte Produktion zum Wohle der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.»

Seltene Perspektive: das Innenleben des Berner Zyklotron. © Saverio Braccini, Universität Bern

Medizin und Physik werden von den Forschenden aber auch verbunden, zum Beispiel unter dem Fachbegriff «Theranostik». Ziel ist es, in der Nuklearmedizin Krebsdiagnose und -therapie in einem Schritt zu kombinieren. Zentral sind dabei die radioaktiven Isotope, die im Zyklotron hergestellt werden. Die Theranostik in der Krebsbehandlung steckt zwar noch in den Kinderschuhen, wird aber durch den einmaligen Dual-Use-Charakter des Berner Zyklotrons vorangetrieben.

Zur Person

Bild: Dres Hubacher

Saverio Braccini

ist assoziierter Professor für experimentelle Physik am Physikalischen Institut der Universität Bern. Er leitet die Forschungsgruppe für die Anwendung von Kern- und Teilchenphysik in der Medizin im Laboratorium für Hochenergiephysik (LHEP), die dazu das Zyklotron am Inselspital Bern nutzt.

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