Wissenschaft zum Anfassen

Nach zehnjähriger Pause hatte die Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern Ende Juni zum Tag der offenen Tür geladen: Rund 3000 Interessierte haben «handfesten» Einblick in eine moderne, wissenschaftsbasierte Tiermedizin erhalten.

Mit ruhiger Hand verknotet der Chirurg den Faden

Ein letzter Stich. Mit ruhiger Hand verknotet der Chirurg den Faden. Der Fremdkörper ist entfernt. Ein alltäglicher Eingriff: Enzo, ein Bobtail-Rüde, hat einen Legostein verschluckt. Weniger alltäglich ist das Ambiente an jenem Samstagnachmittag im Operationssaal 3 der Berner Kleintierklinik: Hinter den Anästhesistinnen drängen sich knapp zwei Dutzend Interessierte durch die Tür, um einen Blick auf das Geschehen zu werfen. Hund Enzo ist aus Plüsch.

Kind spielt mit einem Pferdemodell

Rund 3000 Personen besuchen am 28. Juni den Tag der offenen Tür an der Vetsuisse-Fakultät, darunter viele Familien aus der Region. Auch Oskar gehört zu den Besucherinnen und Besucher: Er tastet fasziniert in jenem Modell herum, mit welchem Studierende rektale Untersuchungen trainieren. Solche Details blendet der Junge gekonnt aus.

Kinder sehen sich Tierorgane an

Etwas kritischer sind die Blicke in der Sektionshalle am anderen Ende des Geländes: Organe liegen verteilt auf dem Tisch – Mutige dürfen sie auch abtasten. Mit Hilfe des Pathologen Llorenç Grau Roma entdecken auch die Jüngsten die schwarzen Punkte auf den Organen und stellen ihre erste Krebsdiagnose.

Person mit VR-Brille

Organe abtasten ist zwar möglich, einen Streichelzoo sucht man jedoch umsonst. «Aus Gründen des Tierwohls haben wir darauf verzichtet, lebende Tiere zu zeigen», erklärt Gertraud Schüpbach, die Dekanin der Vetsuisse-Fakultät. «Dank VR-Brillen und unzähligen Modellen haben unsere kreativen Mitarbeitenden mit viel Engagement einen realitätsnahen Einblick in die Vielfalt der Veterinärmedizin geboten.»

Kinder forschen

Selbst Hand anlegen können die Besuchenden trotzdem, wenn auch nicht am lebenden Tier. Am Institut für Virologie etwa üben Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforscher zwischen rauchenden Reagenzgläsern das Pipettieren von Nährlösungen.

Kinder forschen

Bereits Erfahrung in dieser Tätigkeit haben Alexandra und Ethan aus den Kantonen Fribourg und Waadt, beides tiermedizinische Praxisassistierende. Im simulierten Hochsicherheitslabor kommt jedoch erschwerend die Schutzausrüstung dazu. Und dies bei weit über 30 Grad Aussentemperatur. «Das Pipettieren sind wir uns gewohnt – aber nicht in dieser Aufmachung.»

Handabdruck

Einen Einblick in das eigene Mikrobiom gibt es am Stand der Veterinärbakteriologie. Mit einem Handabdruck in eine Nährbodenplatte hinterlassen Interessierte Bakterien, Hefezellen und Viren aus der eigenen Hautbarriere. Einige Tage später publiziert das Institut die Bilder der kultivierten Mikroorganismen. So kann die je nach Person unterschiedliche Zusammensetzung des Mikrobioms sichtbar gemacht werden.

Rede der Dekanin

Während draussen Kinder mit selbstgebastelten Steckenpferden ihr Talent beim «Hobby-Horsing» bewiesen, gibt Dekanin Gertraud Schüpbach den geladenen Gästen einen kurzen Abriss über die Geschichte der Fakultät. Deren 125-jähriges Bestehen ist Anlass für den Tag der offenen Tür. Die Vorsteherin der Fakultät zieht eine durchwegs positive Bilanz: «Ich bin überzeugt, dass das vermittelte Bild einer spannenden, abwechslungsreichen und wissenschaftsbasierten Tiermedizin nachhaltigen Eindruck hinterlassen wird.»

125 Jahre veterinärmedizinische Fakultät

Vor 125 Jahren wurde die damals bereits 100 Jahre alte Berner Tierarzneischule als eigenständige Fakultät in die Universität Bern integriert. Damit gilt sie weltweit als erste veterinärmedizinische Fakultät. Seit 1966 ist sie in der hinteren Länggasse angesiedelt: Ein Standort, der nach 60 Jahren wieder an seine Kapazitätsgrenzen stösst. Aus diesem Grund hat der Grosse Rat den Regierungsrat damit beauftragt, bis Ende 2025 konkrete Vorschläge für den langfristigen Standort des Tierspitals auszuarbeiten.

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