Wissenschaft auf Kinoleinwand

Die Geographin Susan Thieme und der Künstler Mirko Winkel vom mLAB der Universität Bern kuratieren das 7. Global Science Film Festival. Am 25. und 26. Oktober 2025 finden Interessierte, Studierende, Filmemacherinnen und Forschende zusammen.

Von der Gestaltung des Plakats bis zum Awareness-Konzept: Susan Thieme und Mirko Winkel verantworten das diesjährige Global Science Film Festival.

Endlich ist es da – es strahlt gelb und lässt sich nun auch anfassen. Susan Thieme und Mirko Winkel rollen das Plakat zum 7.Global Science Film Festival im Foyer des Kino Rex behutsam aus. Einer der vielen freudigen Momente im Endspurt auf das Festival hin, alles kommt zusammen, wird plastisch.

Die Professorin für Geographie und der Künstler arbeiten und forschen im mLAB, einem experimentellen Labor am Geographischen Institut der Universität Bern. In den letzten Monaten sind sie zu kleinen und grossen Filmfestivals gereist und haben sich über hundert Filme angeschaut. Zurück in Bern präsentieren sie neun lange und neun kurze Filme rund um Wissenschaft – explizit nicht nur Wissenschaftsfilme.

Nicht nur Wissenschaftsfilme interessieren

Das Global Science Film Festival unterscheidet sich nicht nur aufgrund dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit von anderen Science-Festivals. «Bei der Auswahl der Filme suchten wir gezielt nach Überraschungen. Wo ist das Nicht-Offensichtliche?», beschreibt Susan Thieme ihren inhaltlichen Ansatz. «Uns beschäftigt aber auch die Frage, was können Forschende von der filmischen Praxis lernen? Das wird nicht an allen Science-Festivals so forciert», sagt Mirko Winkel.

Genauer gefragt, was qualifiziert einen Film für das Global Science Film Festival? «Das kann ein Film sein, in dem ganz einfach eine Wissenschaftlerin vorkommt. Es kann aber auch ein wissenschaftliches Thema sein, das in einem Film auftaucht. Oder, dass die Art und Weise, wie der Film gemacht wird, einer wissenschaftlichen Methode gleicht», erklärt Mirko Winkel. Ob Spielfilm, Komödie oder Dokumentarfilm spiele keine Rolle.

Ausschlusskriterien gibt es dennoch: Wenn ein Film bald sowieso in allen Kinos gezeigt wird oder wenn die Filmemacherinnen und Filmemacher nicht persönlich ans Festival kommen können. Die Filme kommen also aus der ganzen Welt, die eingeladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Bern.

Global Science Film Festival

Das Festival wurde 2017 vom Biologen und Filmemacher Samer Angelone in Zürich gegründet und findet an mehreren Schweizer Orten gleichzeitig statt. Im Jahr 2019 ist das Festival auch nach Bern gekommen, was der Initiative von Susan Thieme zu verdanken ist. Für die Ausgabe 2025 kuratiert sie zusammen mit Künstler Mirko Winkel zum ersten Mal die komplette Filmauswahl und das Rahmenprogramm. Ein besonderes Anliegen der beiden ist die Öffnung der Filmvorführungen und Diskussionen für ein breites Publikum, um eine Brücke zwischen Wissenschaft, Politik und Film zu schlagen. Im Kino Rex in Bern läuft das Festival am 25. und 26. Oktober.

Susan Thieme und Mirko Winkel sprechen begeistert über ihr nicht alltägliches Engagement. «Dass uns die Uni Bern bei der Festivalorganisation unterstützt, ist nicht selbstverständlich. Die Offenheit gegenüber einem Festivalformat ist für mich schon speziell», sagt Organisatorin Susan Thieme.

Was macht ein Künstler an der Uni?

Am Geographischen Institut hat die künstlerische Perspektive auf die Forschung einen hohen Stellenwert. Mit der Gründung des mLAB und der Anstellung des Künstlers Mirko Winkel als Koordinator schaffte Thieme zusammen mit der Geographieprofessorin Carolin Schurr 2017 ein experimentelles Labor, das dazu ermutigt, neue Formen transdisziplinärer Zusammenarbeit auszuprobieren.

Zum Beispiel unterstützt Mirko Winkel Forschende und Studierende darin, ihre Erkenntnisse als Dokumentarfilm, Buch oder Ausstellung für eine breite Öffentlichkeit sichtbar zu machen oder die Dialogformate in ihre Forschung zu integrieren. «Ich habe eine ungewöhnliche Position, weil ich als Kunstarbeiter die Perspektive der Forschung immer als eine unter vielen verstehe und dabei helfe, sie zu erweitern», sagt Mirko Winkel.

Über das mLAB

Das mLAB zielt darauf ab, neue Medien, digitale Technologien und künstlerische Arbeitsweisen zu einem integralen Bestandteil der Wissensgenerierung zu machen und diese kritisch zu reflektieren. Das mLAB wurde von Susan Thieme und Carolin Schurr 2017 ins Leben gerufen, Leiter ist Künstler Mirko Winkel. Das mLAB wird getragen von einem Team aus Forschenden und steht dem Geographischen Institut und weiteren Interessierten zur Verfügung.

Studierende des Geographischen Instituts werden verschiedene inhaltliche und technische Aufgaben am Festival übernehmen und eine Nachberichterstattung schreiben. «Wir binden 15 Studierende aktiv in die Organisation mit ein, so entstanden dieses Jahr auch ein Awareness- und Nachhaltigkeitskonzept oder die After-Party», sagt Susan Thieme. So ist das Filmfestival zu einem wichtigen Teil transdisziplinärer Lehre geworden. «Wir möchten den Wert dieses gemeinsamen, langen Erlebnisses unterstreichen – zusammen im Kino sitzen, schauen, diskutieren.»

Mirko Winkel und Susan Thieme sehen im transdiziplinären Arbeiten eine grosse Chance.

Wie aber ist Susan Thiemes Begeisterung für das Medium Film gewachsen? «Das hat biografische Gründe, ich habe eigentlich schon immer inter- und transdisziplinär gearbeitet, auch wenn wir es nicht so genannt haben. Teil meiner Habilitation war ein Dokumentarfilm. Es gibt viele Forschende, die selbstverständlich auch fotografierend oder filmend unterwegs sind», sagt Susan Thieme. Darum war für sie immer klar, dass sie in ihrer Rolle als Professorin einen Ort wie das mLAB ermöglichen möchte.

«Es gibt viele Forschende, die selbstverständlich auch fotografierend oder filmend unterwegs sind.»

Susan Thieme

Anfangs Oktober ist das Duo nun im Endspurt der Festivalorganisation. «Alles ist wirklich viel Handarbeit. Gerade bin ich sehr oft am Telefon, kläre logistische und inhaltliche Fragen», sagt Susan Thieme. Als die Filme ausgewählt waren, ging die Arbeit für sie weiter. Sie recherchierte an den verschiedenen Fakultäten der Universität Bern und kontaktierte Forschende, lud sie zur passenden Diskussion über einen Film ein. «Es ist ja nicht automatisch so, dass an einer Uni alle immer miteinander sprechen. Es gibt ein grosses Interesse daran, wenn sich eine Gelegenheit wie ein Filmfestival bietet.» Es sei auch für sie persönlich eine Chance, neue Forschungsbereiche zu entdecken.

Begleitet wird der Film «Messengers» über abgelegene Labore in Kanada, Japan und der Antarktis von einer Diskussion mit dem Filmemacher Jeffrey Zablotny und Michelle Lee Galloway vom Astronomischen Institut. © Jeffrey Zablotny

Dieses Jahr werden unter anderem die Historikerin Stefanie Mahrer, der Wissenschaftsphilosoph Claus Beisbart und der Strafrechtsexperte Martino Mona, der Biologe Stijn Verschueren, die Nachhaltigkeitsexpertin Elisabeth Bürgi Bonanomi, die Medienanthropologin Michaela Schäuble, die Astronomin Michelle Lee Galloway oder die Medizinanthropologin Julia Rehsmann auf dem Podium sprechen.

Rektorin Virginia Richter wird am Sonntagabend den Publikumspreis übergeben. «Dieses Netzwerken an der Uni macht mir enormen Spass, das Festival als verbindendes Element zu etablieren, ist uns ein grosses Anliegen», sagt Susan Thieme. Dank der neuen Verbindungen innerhalb der Uni kam es auch dazu, dass sich Forschende aus der Evolutionsbiologie dazu entschieden, am Festival mitzuarbeiten.

«Wir wollen in Bern vermitteln, dass Forschung jenseits von Lupe und Laborkittel stattfindet.»

Mirko Winkel

Das Kino ist also nicht tot, wie so oft heraufbeschworen? Beide schütteln den Kopf: Gerade Jugendprogramme seien an vielen Festivals sehr beliebt, Schulklassen würden Säle füllen. «Diese Erkenntnis hat uns auch dazu bewogen, Berner Schulklassen einzuladen. Unsere Studierenden machen zudem Nachgespräche in den Klassen», sagt Susan Thieme. «Wir wollen in Bern vermitteln, dass Forschung jenseits von Lupe und Laborkittel stattfindet. Vielleicht sogar eine Antwort darauf geben, warum man überhaupt an einer Universität studieren und aktiv werden sollte», fügt Mirko Winkel an.

Zur Person

Susan Thieme

wurde in der ehemaligen DDR geboren und lebt in Bern. Sie ist Professorin für Geographie und Kritische Nachhaltigkeitsforschung und geschäftsführende Direktorin des Instituts für Geographie an der Universität Bern. Ihre Forschung verbindet Fragen von gesellschaftlichem Wandel, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit mit Migration, Mobilität und Bildung. Sie ist Gründerin und Co-Direktorin des mLAB und leitet das Global Science Film Festival mit. Zuvor war sie Professorin an der Freien Universität Berlin und arbeitete an mehreren internationalen Universitäten. Ihre Arbeit steht für transdisziplinäre Ansätze zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft.

Zur Person

Mirko Winkel

er wurde in der ehemaligen DDR geboren und lebt in Zürich. Er studierte Bildende Kunst und Performancekunst bei Marina Abramović und Christoph Schlingensief und absolvierte ein Masterstudium in Solo/Dance/Authorship an der Universität der Künste und der HfS Ernst Busch Berlin. Seine Arbeiten wurden u. a. auf der Berlinale, im Haus der Kulturen der Welt, im Konzert Theater Bern sowie auf der Istanbul Biennale gezeigt. Er co-kuratierte in Baden das Ausstellungsprojekt «Vom Baden lernen» und forscht aktuell gemeinsam mit dem EcoArtLab der Hochschule für Künste Bern zu den Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit von Kunstschaffenden und Nachhaltigkeitsforschenden.

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