«Indigenes Wissen kann die Zukunft verbessern»

Indigene Völker bewirtschaften und pflegen mehr als ein Viertel der Landfläche der Erde. Sarah-Lan Mathez-Stiefel, Forscherin am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern, ist überzeugt, dass indigenes Wissen zur Bewältigung von Umweltkrisen beitragen kann.

Interview: Gaby Allheilig 12. April 2024

Weltkarte der von indigenen Völkern verwalteten und/oder kontrollierten Gebiete. Die Farbschattierungen zeigen den prozentualen Anteil der einzelnen Gradquadrate, die als indigen kartiert sind. Quelle: Garnett et al. 2018
uniAKTUELL: Wie kann indigenes Wissen zum Erhalt der biologischen Vielfalt und der Kulturlandschaften beitragen?

Sarah-Lan Mathez-Stiefel: Indigene Völker und lokale Gemeinschaften betrachten ihre Umwelt ganzheitlich: Die Natur – und damit auch die biologische Vielfalt – wird nicht als etwas ausserhalb der menschlichen Gesellschaft betrachtet, sondern als ein grosses Ganzes, mit der man in einer Beziehung steht und die man hegt und pflegt.

Die Auswirkungen dieser Sichtweise zeigen sich in dem mehr als einen Viertel der weltweiten Landflächen: ein weitaus grösserer Anteil dieser Gebiete sind ökologisch gesunde Landschaften als in anderen Regionen. Ihr Wissen kann uns daher helfen, die Umwelt zu verstehen und unsere globalen Umweltkrisen zu bewältigen. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern wird auch zunehmend in internationalen Foren wie dem Global Environmental Outlook 7 (GEO-7) des UNEP – also des Umweltprogramms der Vereinten Nationen – anerkannt. Es war sogar ein Auftrag der UN-Mitgliedsstaaten, indigenes und lokales Wissen in diese internationale wissenschaftliche Bewertung einzubeziehen. Das zeigt, wie wichtig es ist, sie an diesen Diskussionen zu beteiligen.

Zur Person

Bild: Per Tomas Kjaervic

Sarah-Lan Mathez-Stiefel

ist Senior Research Scientist am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern.  Sie ist Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Ethnobiologie und Mitorganisatorin der UNEP Global Environmental Outlook Task Force (GEO-7) zum Thema indigenes und lokales Wissen.

Kontakt

Sie sind Mitorganisatorin einer Konferenz über biologische Vielfalt und Kulturlandschaften, die wissenschaftliche, indigene und lokale Perspektiven zusammenbringt. Dies könnte zur Inklusion in diese Gespräche beitragen. Aber ist es nicht etwas utopisch zu glauben, dass diejenigen, die von den grossen globalen Debatten weitgehend ausgeschlossen waren, nun plötzlich die Tore zu einer besseren Welt öffnen können?

Indigene und lokale Wissenssysteme können – und das ist wichtig – nur dann zu innovativen, alternativen Ansätzen inspirieren, wenn politische Entscheidungsträgerinnen und mächtige Akteure bereit sind, von ihnen zu lernen. Natürlich ist die Aufgeschlossenheit von Entscheidungsträgern eine ganz andere Frage. Aber die Ausrichtung internationaler Veranstaltungen und wissenschaftlicher Bewertungen, die diese Alternativen ausdrücklich hervorheben, ist ein wichtiger erster Schritt, um diese anderen Kenntnisse und Werte zugänglich zu machen. Weitere politische Schritte gehen über unseren Aufgabenbereich als Forschende hinaus.

Dennoch versuchen Sie, die Debatte zu beeinflussen.

Ja, letztlich spiegelt dies die Aufgabe der Internationalen Gesellschaft für Ethnobiologie wider: einen Beitrag zu einer besseren Zukunft zu leisten, in der sowohl die natürliche Umwelt als auch die von ihr abhängigen lokalen Gesellschaften gedeihen können.

«Indigenes Wissen kann helfen, neue Wege in eine bessere Zukunft zu finden»
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