«Im Kampf gegen Hate Crime müssen wir noch besser werden»

Hate Crime – also Straftaten, bei denen Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe angegriffen werden – standen im Zentrum einer gemeinsamen Tagung der Berner Rechtswissenschaften und der Polizei.

Nina Laky 14. März 2024

Jonas Weber, Ordentlicher Professor für Strafrecht und Kriminologie, führte durch die Konferenz. © Universität Bern

In den letzten Jahren rückte an der Universität Bern in den Rechtswissenschaften das Thema Hate Crime immer stärker in den Fokus. «Die Studierenden sind sensibilisiert und fordern die Auseinandersetzung mit dem Thema auch aktiv ein, ich finde, zurecht», sagt Mitorganisator Jonas Weber. In vielen Vorlesungen wurde darum das Thema Hate Crime aufgenommen, auch gibt es im Forschungsbereich mehrere laufende Projekte dazu. Jonas Weber schätzt die Initiative der Studierenden und die Offenheit der Universität Bern sehr, mit einer Tagung auf diese Tendenz reagieren zu können.

Trauriger antisemtischer Vorfall in Zürich beschäftigt auch an der Tagung

In der Schweiz steigt die Anzahl der erfassten Hate Crimes – also Straftaten, bei denen Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe angegriffen werden. Die Angriffe auf Menschen aus der LGBTIQ-Community ist auf Höchststand und auch der Schweizer Rassismusbericht spricht von einem Anstieg der Delikte. Zudem überschattete der Angriff auf einen orthodoxen Juden in Zürich die Konferenz; das Hassdelikt, das sich in derselben Woche in der Schweiz ereignete, gab der Tagung am 8. März eine traurige Aktualität.

«Die Uni Bern muss frühzeitig solche Diskussionen führen, die dann Politik und Gesetzgeber aufnehmen können.»

Jonas Weber

In Bern hatten neun internationale und nationale Expertinnen die Gelegenheit, sich über den Umgang mit Hate Crime auszutauschen und Fragen zu beantworten. Konkrete Praxisbeispiele aus der Polizeiarbeit sowie vorbildliche Initiativen aus Europa gaben den über 100 Teilnehmenden ein umfassendes Bild über aktuelle Tendenzen und Herausforderungen. Organisiert hat die Tagung die Uni Bern zusammen mit dem Schweizerischen Polizei-Institut (SPI) und der Kantonspolizei Bern.

Hate Crime Expertin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Maharyta Zhesko empfiehlt der Schweiz im ersten Schritt eine Verbesserung der Rechtsgrundlagen. © Kantonspolizei Bern

Die Schweiz sei mit dem Anstieg der Hate-Crime-Delikte nicht alleine, betonte Marharyta Zhesko, Expertin für Hate Crime der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie arbeitet dort im Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) und beobachtet, dass die Schweiz ihren Rechtsrahmen im Bereich Hate Crime noch verbessern kann. Das wird auch im Hate Crime Report, der die beiden Organisationen OSZE/BDMIR veröffentlichen, festgehalten. In diesem Report erheben die Organisationen Daten in 57 europäischen Ländern in Europa, Zentralasien, der Mongolei, den USA und Kanada. «Der Report stellt bezüglich der Schweiz fest, dass sie von einer Überprüfung des bestehenden Rechtsrahmens profitieren würde, dass voreingenommene Beweggründe effektiv anerkannt werden und angemessene Strafen gegen die Täter verhängt werden können. Das Erste, was verbessert werden muss, ist also die Rechtslage, dann eine effektivere Bestrafung von Tätern sowie mehr Strafen im Allgemeinen», fasst Marharyta Zhesko zusammen. Der Staat müsse zeigen, dass er das Problem ernst nehme, und die Polizei habe die Pflicht, die relevanten Daten auf kompatible und übertragbare Weise zu sammeln.

 

«An der Konferenz habe ich Programme und Workshops vorgestellt, die wir den Behörden zur Verfügung stellen, um sie im Umgang mit Hate Crime zu unterstützen.»

Marharyta Zhesko

 

Schulungen und Sensibilierung sind dringend

Die Polizei ist an allererster Stelle, wenn es zu Straftaten gegen Menschen aus der LGBTIQ-Community kommt. Michael Fichter hat die Fachtagung mit initiiert und ist Chef Prävention der Kantonspolizei Bern. «Wir stehen bereits seit einigen Jahren im Austausch mit der Community und haben im vergangenen Jahr unsere Mitarbeitenden erneut auf LGBTIQ-Hate Crime sensibilisiert, sagt Michael Fichter: «Dies war sehr wertvoll und wir wollen diesen Weg unbedingt weitergehen». Für ihn und seine Arbeit bedeute dies: Der Problematik innerhalb der Polizei weiterhin das nötige Gewicht geben und die notwendigen Ressourcen dafür finden. «Neben den internen Schulungen haben wir für unsere Mitarbeitenden beispielsweise auch Ausflüge an Ausstellungen organisiert, die sich mit LGBTIQ-Fragen auseinandersetzen.» In seinem Vortrag stellte er vor, wie die Berner Kantonspolizei Aufklärungsarbeit an Schulen leistet oder wie sie mit LGBTIQ-Organisationen zusammenarbeitet.

Michael Fichter setzt sich als Chef Prävention der Kantonspolizei Bern für die Sensibilisierung und Schulung der Polizistinnen und Polizisten ein. © Universität Bern

Ein Verein, der die Brücke zwischen der Polizei, den Strafverfolgungsbehörden und der queeren Community schlägt, ist PinkCop. Queere Polizistinnen und Polizisten arbeiten bei PinkCop daran, dass sich die Erfassung von Verbrechen gegen ihre Community verbessert.

Beantwortet in der Schlussrunde Fragen aus dem Publikum: Präsidentin von PinkCop Burçin Zeynol © Universität Bern

Präsidentin von Pink Cop ist Burçin Zeynol, die das Potential der Tagung darin sieht, das Bewusstsein für die Opfer und die Erfassung von Taten zu verbessern. «Vor 16 Jahren hiess es noch, Hate Crimes gegen LGTBIQ-Menschen existieren nicht», erinnert sie sich. Jetzt brauche es – nebst der Einsicht, dass es diese durchaus gibt – klare und einfache Erfassungsrichtlinien für die Polizei.

«Es ist äusserst wichtig und ein Mehrwert für alle, wenn sich Polizistinnen und Polizisten in Sachen Hate Crime weiterbilden und sich mit Geschlechteridentitäten auseinandersetzen.»

Burçin Zeynol

Eine Möglichkeit, sich in dieser Sache weiterzubilden, sei beispielsweise die Teilnahme an der Hate-Crime-Tagung von PinkCop, welche seit 2023 durch das Schweizerisches Polizei-Institut angeboten wird.

Mitorganisator Jonas Weber nimmt am Ende des Tages viel mit für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Hate Crime. «Bei der Recherche und auch heute hat sich für mich gezeigt: Die Schweiz ist im Rückstand, sie hat viel aufzuholen. Dies hat den Vorteil, dass sie sich an vielen guten Beispielen aus anderen Ländern orientieren kann», so Jonas Weber. «Besonders interessiert hat mich, wie die Polizei mit verschiedenen Opfergruppen und Unterschiedlichkeit umgeht», so der Strafrechtsprofessor. Aufgefallen sei ihm auch, wie Ideen, die in anderen Ländern gut funktionieren, teilweise in der Schweiz als nicht realisierbar bezeichnet würden. «Das Netzwerk, das an dieser Tagung entstanden ist und die Gespräche, die ich geführt habe, sind neu. Der Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft war wegweisend und ist hoffentlich nachhaltig.»

Zur Person

© Universität Bern

Jonas Weber

Jonas Weber ist Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bern. Seine Forschungsinteressen gelten den Strafsanktionen, dem Strafvollzug, der Kriminalpolitik, den Opferrechten und der Polizei. Neben seiner Arbeit als Professor ist Jonas Weber als nebenamtlicher Richter an einem zweitinstanzlichen Gericht tätig, was ihm eine Verbindung von Wissenschaft und Praxis ermöglicht. Kontakt: jonas.weber@unibe.ch

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