Der Bergtourismus der Zukunft

Die Tourismusbranche ist starken Schwankungen ausgesetzt. Können soziale Innovationen helfen, den Tourismus krisenresistenter zu machen? Das untersucht Monika Bandi im Berner Oberland.

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uniAKTUELL: Was versuchen Sie herauszufinden, Frau Bandi?

Monika Bandi: In meinem Forschungsprojekt untersuche ich Berggebiete in Hinblick auf soziale Innovationen. Soziale Innovationen sind neue Lösungsansätze, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern. Vor allem in Hinblick auf neue Formen der Zusammenarbeit ist das interessant. Eine soziale Innovation kann zum Beispiel ein neues Mitarbeiter-Sharing-System im Tourismusbereich sein. Oder eine Kooperation zwischen der Baubranche und dem Tourismus, um die Sanierung von Zweitwohnungen umfassender voranzutreiben. Wir haben uns die Frage gestellt: Welchen Beitrag können soziale Innovationen leisten, damit der Tourismus in den Berggebieten weniger stark von wirtschaftlichem Wachstum abhängig ist?

Wieso ist das aus wissenschaftlicher Sicht wichtig?

Wir konzentrieren uns auf die Innovationen zwischen den Menschen, auf neue Formen des Zusammenlebens und Arbeitens. Das Innovationsverständnis ist zentral, um eine regionale Entwicklung voranzutreiben. Mit unserem Projekt wollten wir auch eine Chance bieten, das eher technische Innovationsverständnis neu zu denken. Wir haben uns auf einen wissenschaftlichen Artikel bezogen und diesen mit einer neuen Definition zu den sozialen Innovationen in Berggebieten versehen. Als nächstes haben wir ein Dateninventar ausgearbeitet, das die Innovationen im Berner Oberland seit 2000 sammelt.

«Letztlich geht es darum, zu untersuchen, ob an dieser Schnittstelle ein neues Geschäftsmodell für den Tourismus entwickelt werden kann.»

Monika Bandi

Was für ein Nutzen könnte für die Gesellschaft resultieren?

Soziale Innovationen und die wirtschaftliche Entwicklung sind zwei sehr wichtige Themen für ein Berggebiet. Letztlich geht es darum, zu untersuchen, ob an dieser Schnittstelle ein neues Geschäftsmodell für den Tourismus entwickelt werden kann. Wir haben in unserer Forschung 68 soziale Innovationen identifiziert, 41 davon im Bereich Tourismus. Der Tourismus ist also die ideale Plattform dafür, Menschen auf eine neue Art und Weise zusammenzubringen und ein neues Innovationsverständnis zu generieren.

Was fasziniert Sie persönlich an diesem Forschungsprojekt?

Genau dieser Punkt, dass der Tourismus eine solch passende Plattform für soziale Innovationen bietet. Aber auch, dass wir unterschiedliche Typen sozialer Innovationen gefunden haben. Beim touristischen Typ lancieren touristische Akteure eine Innovation zu einem touristischen Angebot, beim Transfer-Typ beteiligen sich touristische Akteure, aber es entsteht kein touristisches Angebot. Das war zum Beispiel bei einer Lehrstellenbörse der Fall. Es zeigte sich auch das Potenzial der Community, wenn nicht-touristische Akteure zum Beispiel ein Mini-Museum lancieren, dank dem der Tourismus dann wiederum an Wert gewinnt. Solche Wechselwirkungen zwischen Tourismus und lokaler Gemeinde faszinieren mich.

Mit KI generiertes Mini-Museum in den Bergen
Wie viel trägt beispielsweise ein Mini-Museum zur regionalen und touristischen Entwicklung bei? (Illustration mit KI generiert) DALL·E

Was ist die grösste Herausforderung bei Ihrem Forschungsprojekt?

Das war ganz der Anfang: Eine sinnvolle Definition für diese sozialen Innovationen im Kontext von wirtschaftlicher Tätigkeit zu finden. Aber auch sie mit gewissen Kriterien zu standardisieren, war nicht einfach. Eine grosse Aufgabe war zusätzlich, konkret im Berner Oberland die Innovationen über Preisverleihungen, Projektanträge oder über Medienberichterstattungen aufzuspüren, diese zu systematisieren und analysieren. Ausserdem stellte sich die Frage: Wie können wir die Ideen in eine andere Region übertragen? Ein technisches System kann man relativ einfach 1:1 in eine andere Region exportieren. Die Menschen, die soziale Innovationen in einem Gebiet umsetzen und prägen, können wir aber nicht klonen. Was braucht es, dass eine andere Region auch von diesen Innovationen profitieren könnte?

Wie ist das Forschungsprojekt finanziert?

Das Forschungsprojekt wurde vom Schweizer Nationalfond über vier Jahre finanziert. Die Unit Wirtschaftsgeographie des Geographischen Institut und das Zentrum für Regionalentwicklung CRED der Universität Bern sowie die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL haben die Forschung durchgeführt.

Dieser Artikel erscheint auch im Anzeiger Region Bern.

Zur Person

Universität Bern

Monika Bandi

Monika Bandi leitet seit 2012 die Forschungsstelle Tourismus (CRED-T) im Zentrum für Regionalentwicklung der Universität Bern. Ihre Laufbahn begann sie 2003 als Hilfsassistentin und später als wissenschaftliche Assistentin und Doktorandin am Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus (FIF). Zuvor studierte sie an den Universitäten Bern und Bergen (NO) Volkswirtschaft, Psychologie und Betriebswirtschaft.

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