Ein Frühwarnsystem für Bienenvölker

Weltweit schrumpfen die Bienenkolonien. Als Mitglied des internationalen B-GOOD-Projekts ist Alexis Beaurepaire den Ursachen auf der Spur. Im Interview erzählt er, wie er mithilfe von Daten die Gesundheit von Bienenvölkern vorhersagen kann.

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Was versuchen Sie herauszufinden?

Das Hauptziel des B-GOOD-Projekts ist es, die Entwicklung einer nachhaltigen Bienenzucht in Europa zu fördern. Mit nachhaltig meine ich eine Bienenzucht, welche die Umwelt, die Gesellschaft und auch die Wirtschaft berücksichtigt. Um eine solch nachhaltige Imkerei zu entwickeln, braucht es viele verschiedene Kompetenzen. Entsprechend besteht das B-GOOD-Projekt aus 17 Partnern in ganz Europa, von Finnland bis Portugal, vom Vereinigten Königreich bis nach Rumänien und zur Schweiz – natürlich mit der Universität Bern. Gemeinsam möchten wir herausfinden, welche Faktoren die Bienenkolonien beeinflussen und deren Sterblichkeit verursachen.

Wieso ist das aus wissenschaftlicher Sicht wichtig?

Durch die Multidisziplinarität des B-GOOD-Projekts können wir erkennen, wie verschiedene Faktoren miteinander interagieren. Nehmen wir die zerstörerische Varroamilbe: das ist ein Parasit, der die Gesundheit der Bienen hier in Europa bedroht. Er überträgt ihnen Viren und greift die Brut an, also die jungen Bienen in der Entwicklung. Er schwächt die Kolonien erheblich. Hinzu kommen Pestizide, von denen bekannt ist, dass einige von ihnen sehr schädliche Auswirkungen auf die Bienenvölker haben. Dank der verschiedenen Expertisen, die wir in unserem Team haben, werden wir nicht nur untersuchen können, wie diese Faktoren einzeln wirken, sondern auch, wie sie miteinander interagieren und wie sich diese gehäuften Faktoren auf die Gesundheit der Bienen auswirken.

Was für ein Nutzen für die Gesellschaft könnte daraus resultieren?

Dass Bienen und andere Bestäuber eine zentrale Rolle spielen für die Umwelt, aber auch für die Landwirtschaft und die Wirtschaft, ist wohl bekannt. Bienen bestäuben die Blumen und sichern deren Fortpflanzung. Genauso sichern sie die Produktion von Obst und Gemüse. Das Projekt B-GOOD zielt also darauf ab, die Gesundheit der Bienen zu verbessern, so dass wir weiterhin von den Ökosystemleistungen profitieren können, die sie für uns erbringen.

Was fasziniert Sie persönlich an diesem Forschungsprojekt?

Was ich sehr interessant finde, ist die Kombination von verschiedener Expertise, die es uns ermöglichen wird, ein Modell zu erstellen, um die Gesundheit von Bienen vorherzusagen. Dieses Modell basiert auf Daten, die wir in den letzten vier Jahren gesammelt haben. Es handelt sich dabei um biologische Daten zu Krankheitserregern, die die Bienenvölker infizieren, zur Umwelt und insbesondere zu den Blumen in ihrer Umgebung, zur Bienenhaltung der Imkerinnen und Imker, um wirtschaftliche Daten und auch um Wetterdaten. Mit diesem Modell werden wir all dies nicht nur zusammenführen und analysieren können – sondern auch künftige Entwicklungen vorhersagen. Wir füttern also das Modell mit Daten. Basierend darauf, wie sich eine Kolonie im Moment verhält, wird es vorhersagen können, wie es ihr in etwa zwei Wochen gehen wird. So wird dieses Modell den Imkerinnen und Imkern ermöglichen, bestimmte Probleme in ihrem Bienenvolk schon früh zu erkennen.

Welches ist die grösste Herausforderung, die es zu überwinden gilt?

Eigentlich gibt es zwei: Die erste war, dass wir alle zusammenarbeiten – eine schwierige Aufgabe. Wir haben im Projekt Ingenieurinnen und Ingenieure, Forschende aus verschiedenen Disziplinen, und arbeiten auch mit Imkerinnen und Imkern und weiteren Beteiligten zusammen. Wir haben es im Laufe des Projekts geschafft, uns gegenseitig zu verstehen, die gleiche Sprache zu sprechen. Das ist wirklich ein Erfolg und war für alle sehr bereichernd.

Die zweite Herausforderung ist derzeit die Datenanalyse. Es sind sehr viele verschiedene Daten, die im Projekt gesammelt werden. Wir müssen sie analysieren, in das Modell einbauen und auch verstehen, was wir genau beobachten und gesammelt haben. Zum Beispiel haben wir in unseren Bienenstöcken vernetzte Werkzeuge, welche die Temperatur oder das Gewicht messen und alle 15 Minuten Daten senden – das ganze Jahr über, und das schon seit drei Jahren. So haben wir 350 Kolonien, die in ganz Europa mit diesen Instrumenten vernetzt sind. Das ist eine ziemlich beeindruckende Datenmenge, die da zusammenkommt.

Wie ist das Forschungsprojekt finanziert?

B-GOOD ist ein Projekt im Rahmen des Horizon 2020 Programms der Europäischen Kommission. Das sind Projekte, die auf Forschung und Innovation abzielen. Unser Projekt macht beides: Zusätzlich zu unserer Forschung entwickeln wir eine Reihe von Werkzeugen und Methoden, die insbesondere den Imkerinnen und Imkern helfen, sich um ihre Kolonien zu kümmern und die Gesundheit ihrer Bienen zu verbessern. Wir haben zum Beispiel Tests entwickelt, mit denen man Viren oder Pestizide nachweisen kann – ganz ähnlich wie Covid-Schnelltests ermöglichen diese eine schnelle Diagnose vor Ort. Solche Tools werden auch als Innovation in das Projekt einfliessen.

Dieses Interview erscheint auch im Anzeiger Region Bern.

Zur Person

Alexis Beaurepaire

ist Projektmitarbeiter von B-GOOD am Institut für Bienengesundheit der Universität Bern und am Zentrum für Bienenforschung vom Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, Agroscope. Sein Forschungsinteresse gilt der evolutionären Biologie mit einem Schwerpunkt auf Wirt-Parasit-Interaktionen

Über das Institut für Bienengesundheit

Das Institut wurde im Jahr 2013 an der Universität Bern gegründet und besteht aus einem internationalen Team, dem die Bienen und ihre Gesundheit sehr am Herzen liegen. Priorität des Instituts ist es, die Gesundheit der Bienen zu verstehen und zu verbessern, indem es grundlegende und angewandte Forschung betreibt und Wissen an Studierende, Imkerinnen und Imker und andere Interessengruppen weitergibt. Das Institut fördert die internationale Zusammenarbeit und ist Sitz der globalen Vereinigung COLOSS (Prevention of honey bee COlony LOSSes, www.coloss.org).

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