Obwohl schreibende Frauen aus diesem Zeitraum gerade in den letzten Jahren vermehrt in den Blick der literaturwissenschaftlichen Forschung gerückt sind, erscheinen sie bei Wikipedia selten: Für die meisten Autorinnen bestanden vor Kursbeginn gar keine Einträge, bei anderen waren die Einträge veraltet, zu knapp oder fehlerhaft. Auf der Wikipedia-Seite «Liste deutschsprachiger Autorinnen» waren für das 17. Jahrhundert gerade einmal sechs Namen aufgeführt; der Artikel «Barockliteratur» nannte unter der Rubrik «Bedeutende Vertreter» zwei Frauen neben 23 Männern.
Das Seminar setzte es sich zum Ziel, die deutschsprachige Literatur zu rekanonisieren. Barock und Aufklärung zählen zu den zentralen Epochen der deutschsprachigen Literatur. Die Studierenden wollten schreibende Frauen aus diesem Zeitraum in der öffentlichen Wahrnehmung sichtbarer machen und zuverlässige Informationen über ihr Leben, ihre Vernetzung und ihre Werke bereitstellen.
Ein innovatives Kursformat
In anfänglichen Plenumssitzungen wurden die Studierenden in das Thema weiblicher Autorschaft im 17. und 18. Jahrhundert eingeführt und machten sich mit verschiedenen bibliographischen Hilfsmitteln vertraut. Die Arbeit an den Artikeln erfolgte individuell, wobei wöchentliche Sprechstunden in Kleingruppen dazu dienten, mit der Kursleitung den jeweiligen Arbeitsstand zu besprechen und Schwierigkeiten zu diskutieren. Gerahmt wurde das Seminar von zwei halbtägigen Workshops mit einem Vertreter der Wikimedia CH. Dafür wurde der Kurs vom Vizerektorat Lehre mit der Massnahme «Förderung Innovative Lehre» (FIL) finanziell unterstützt.
Die Erarbeitung der Artikel erfolgte in vier Phasen. Auf Basis eines 1984 publizierten Katalogs gelehrter Frauen der Barockzeit erstellten die Studierenden zunächst eine Liste von über 200 Schriftstellerinnen, die auf ihre Wikipedia-Präsenz überprüft und gruppiert wurden: Zu welchen Autorinnen gab es bereits einen Artikel, welche davon waren qualitativ hinreichend, welche mussten überarbeitet werden? Und welche Schriftstellerinnen waren noch gar nicht bei Wikipedia vertreten? Die Studierenden übernahmen dann jeweils mehrere Autorinnen, zu denen sie Wikipedia-Artikel neu zu verfassen oder zu bearbeiten hatten.
Eine zweite, mehrwöchige Arbeitsphase galt der Recherche und Redaktion. Im Workshop lernten die Kursmitglieder die Funktionsweise von Wikipedia kennen und eigneten sich die praktischen Grundlagen zur Erstellung eines Artikels an. Mithilfe verschiedener bibliographischer Hilfsmittel suchten sie sodann Informationen zum Leben und Werk der Autorinnen. Dafür konsultieren sie ältere Bibliographien und biographische Nachschlagewerke, Fachjournale und Standardmonographien, aber auch Online-Kataloge und Datenbanken.
In einer dritten Phase lasen und korrigierten die Studierenden ihre Texte gegenseitig und überarbeiteten sie nach dem Feedback ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen. Abschluss und Höhepunkt des Seminars war ein Launch-Workshop, bei dem sie ihre Funde präsentieren, Erfahrungen austauschen und die Artikel gemeinsam veröffentlichen konnten.