Kollektivressourcen schützen

Wie kann der Raub von Land und weiteren Kollektivressourcen gestoppt und wie können Leistungen von Indigenen zum Erhalt der Biodiversität anerkannt werden? Diese Fragen standen im Zentrum einer internationalen Konferenz zu «Commons» in Kenia, die im Juni 2023 von den Universitäten Bern und Nairobi gemeinsam organisiert wurde.

Text: Tobias Haller 20. Juli 2023

«Warum werden unsere Leistungen der Erhaltung der Biodiversität nicht anerkannt?», fragt Milka Chepkroir, indigene Vertreterin der kenianischen Sengwer-Ethnie und Sozialanthropologin während ihrer Keynote. © Tobias Haller

Es war zum ersten Mal seit über 20 Jahren, dass die Konferenz der von der Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom gegründeten Organisation zum Studium der Gouvernanz von Kollektivressourcen (englisch Commons) wieder in Afrika stattfand. Unter dem Titel: «The Commons We Want: Between Historical Legacies and Future Collective Actions» debattierten die mehr als 600 Teilnehmenden aus allen Weltregionen zwischen dem 19. und 24. Juni in den kenianischen Hauptstadt Nairobi an der XIX Biennial Conference der International Association for the Study of The Commons (IASC). Im Sinne der Dekolonialisierung hatten die Universitäten Nairobi und Bern die Konferenz gemeinsam ausgerichtet; in Bern waren das Institut für Sozialanthropologie und das Centre for Development and Environment (CDE) mit der kenianischen Partnerorganisation CETRAD sowie die beiden Vizerektorate Entwicklung und Forschung federführend. Ebenfalls beteiligt waren das Schweizerische Tropen- und Public Health Institut (Swiss TPH) aus Basel sowie die Schweizerische Gesellschaft für Afrikastudien (SGAS).

Alles andere als rückständig

Hauptthema war die Frage, welche rechtlichen Garantien für den Schutz des Kollektiveigentums (common property) in Staaten sowie auch auf globaler Ebene nötig sind, um kolonialen Altlasten und neoliberalen Formen der ökonomischen Ausbeutung Einhalt zu gebieten. Diese führen zu Raub von Land und anderen Kollektivressourcen wie Weidegebiete, Fischereiregionen und Wälder und unterwandern Bestrebungen für eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen in Kollektiveigentum von lokalen und indigenen Gruppen. Gleichzeitig wurde auch deutlich, dass die diversen Ökosystemleistungen und der Erhalt von Biodiversität und Klimaschutz durch diese Gruppen nicht genügend anerkannt werden. Vor allem indigene Bevölkerungsgruppen werden von Regierungen weltweit eher als Hindernis für Entwicklung und nicht als Garantinnen und Garanten für nachhaltige alternative Lebensweisen wahrgenommen.

Universität Bern stärkt Forschungszusammenarbeit in Afrika

Gemeinsam mit afrikanischen und europäischen Partneruniversitäten baut die Universität Bern zwei langfristige Forschungskooperationen auf. Diese befassen sich mit der Gesundheitsversorgung sowie der nachhaltigen Nutzung von Wasser- und Landressourcen. Die Projekte sind Teil einer afrikanisch-europäischen Initiative für exzellente Forschung und sollen künftig eine gleichberechtigte und nachhaltige Form der Zusammenarbeit ermöglichen.

Dies hob in einer vielbeachteten Keynote die Indigenenvertreterin aus Kenia, Milka Chepkroir, von der ICCA/Territories of Life hervor. Als Mitglied der indigenen Gruppe der Sengwer führte sie aus, wie sie seit ihrer Kindheit für die «Rückständigkeit» ihrer ethnischen Gruppe verspottet wurde und wie der koloniale und postkoloniale Staat die kollektiven Ressourcenrechte ihrer Gruppe mehr und mehr entwendete. Trotz dieser Situation hätten indigene Völker mittels kollektiver Verwaltung dieser Commons eine reiche Artenvielfalt bewahrt.

Während der Globalisierungsprozess in seinen vielen Aspekten zur weiteren Verknappung und zum schnellen Aussterben von Arten auf dem Planeten geführt habe, müsse man sich, so Chepkroir, folgende Frage stellen: «Warum sind diese Prozesse immer noch im Gange und warum wird die Verbundenheit zwischen Mensch und Erde, die unsere Gemeinschaften prägt, nur minimal anerkannt?»

Windkraftanlage auf ehemaligem Weidegebiet der Maasai: Eine der Exkursionen der Konferenz führte zu den Ngong Hill Windmills auf staatlichem Land ausserhalb von Nairobi. Obwohl erneuerbare Energieproduktion für die Nachhaltigkeit wichtig ist, muss auch der Verlust der Weide-Commons in Erwägung gezogen werden. © Tobias Haller

Der blinde Fleck der Nachhaltigkeitsziele

Die ökologischen Leistungen zu erkennen, die Commoners weltweit erbringen – so auch in der Schweiz zahlreiche Bürgergemeinden und Korporationen wie Elias Maier vom Schweizerischen Verband der Bürgergemeinden und Korporationen (SVBK) in einer online Schaltung ausführte– , ist auch deshalb schwierig, weil unter anderem die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) die Commons ignorieren. Nachhaltiges Handeln wird in den SDG’s vor allem auf die Ebenen von Regierungen und Privatsektor (Grosskonzerne) delegiert. Dabei wird vergessen, dass weltweit und gerade auch im globalen Süden Kollektiveigentum an Ressourcen historisch die häufigste Rechtsform war, bevor koloniale und postkoloniale Staaten diese Kollektivrechte in Staats- und Privateigentum umgewandelt hatten.

Die Panels der Konferenz griffen diese Debatte in 11 Unterthemen auf, die in einem partizipativen Verfahren von Fachleuten der Universitäten Nairobi und Bern festgelegt wurden. Neben den oben erwähnten Themen der SDGs und des commons grabbing wurden aber auch die Themen «Regelwerksbildung von unten für eine nachhaltige Ressourcennutzung», «Naturschutz und ökologische Gerechtigkeit» sowie aktuelle theoretische Aspekte diskutiert. Neu waren die Themen der urbanen Commons sowie die Commons im Bereich der Digitalisierung und im Bereich der Gesundheit, zu welchen viele Panels stattfanden.

Das Joint Organizing Committee der Konferenz mit den Auszeichungen, die vom Präsidenten der IASC, Charles Schweik, während der Abschlusszeremonie als Dank überreicht wurden. © André Argollo Pitta, Uni Bern

Grusswort der zukünftigen Rektorin

Eingeleitet wurde die Konferenz von einer Eröffungszeremonie und einem Networking-Event, an dem die Vizerektorinnen und -rektoren der Universität Nairobi (Prof. Stephen Kiama Gitahi) sowie der Universität Bern (Prof. Hughes Abriel und die zukünftige Rektorin Prof. Virginia Richter) auf die wertvolle Zusammenarbeit beider Universitäten hinwiesen. Des Weiteren richteten die politische Nummer drei der aktuellen kenianischen Regierung, der Prime Cabinet Secretary Hon. Wycliffe Musalia Mudavadi, und der Schweizer Botschafter in Kenia, Valentin Zellweger, ebenso Grussworte an die Teilnehmenden wie auch Vertreterinnen und Vertreter von kenianischen und Schweizer Commoners Organisationen.

Umrahmt wurde die Konferenz von vier Keynotes: Neben der indigenen Vertreterin Milka Chepkroir präsentierten Mordecai Ogada (Kenya) zur Verantwortung der Forschung betreffend Umweltschutz und Ausgrenzung lokaler Gruppen, Jesse Ribot (USA) zu Vulnerabilität lokaler kommunaler Gruppen im Kontext des Klimawandels und Vertreterinnen der University of Western Cape (Moenieba Isaacs und Ruth Hall) in einer Doppelkeynote zu lokalen Strategien der Rückgewinnung der gestohlenen Commons und Zukunftsvisionen für eine solidarische nachhaltige Welt.

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