20 Jahre Verwaltungsforschung in Bern

Vor 20 Jahren wurde das Kompetenzzentrum für Public Management gegründet. Prof. Adrian Ritz ist heute geschäftsführender Direktor und war von Anfang an dabei. Zusammen mit Dr. Caroline Schlaufer, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin, schauen beide für «uniaktuell» zurück und nach vorne.

Von Nicola v. Greyerz 01. Februar 2023

Zwei Generationen des KPM im Gespräch: Prof. Dr. Adrian Ritz und Dr. Caroline Schlaufer. © zvg
Zwei Generationen des KPM im Gespräch: Prof. Dr. Adrian Ritz und Dr. Caroline Schlaufer. © zvg
Wie kam es zu der Gründung des Kompetenzzentrums Public Managements, KPM, vor 20 Jahren?

Adrian Ritz: Das KPM ist als virtuelles Netzwerk zwischen den drei Instituten für öffentliches Recht, Organisation & Personal und Politikwissenschaft entstanden. Zudem wurde aus der Bundesverwaltung der Wunsch nach einer Kaderausbildung an die Universität herangetragen. In der Initialisierung des Weiterbildungsstudiengangs Executive Master of Public Administration (MPA) haben wir die Chance erkannt, das virtuelle Netzwerk zu institutionalisieren. Von Beginn weg hatten wir mit Nationalfonds- und Habilitationsprojekten aber auch wichtige Forschungsvorhaben bei uns. Nach rund fünf Jahren war der Vierklang, den das KPM heute ausmacht, komplett: Ausbildung, Weiterbildung, Forschung und Dienstleistungen.

Und wo stehen Sie heute?

Adrian Ritz: Das KPM steht heute an einem anderen Ort, gleichzeitig ist es sich treu geblieben. Wir sind von 5 auf 55 Personen angewachsen und haben rund 550 Personen aus- und weitergebildet. Heute ist aber die Forschung der wichtigste und grösste Bereich: Wir verstehen uns als Forschungszentrum, das sich der Steuerung öffentlicher Aufgaben und Institutionen sowie deren Beziehungen mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft widmet. Gleichzeitig ist uns der Praxistransfer wichtig. Die Weiterbildung ist seit 20 Jahren erfolgreich und auch Praxisprojekte wie Gutachten oder Evaluationen sind zentraler Bestandteil des KPM.

Was versteht man genau unter Verwaltungswissenschaft?

Caroline Schlaufer: Verwaltungswissenschaft untersucht die Steuerung öffentlicher Aufgaben im politisch-administrativen System aus politik-, rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Perspektiven. Am KPM können wir je nach Projekt von der Expertise der anderen Fachrichtungen profitieren. Die Nähe, die wir hier am KPM haben, fördert diesen Austausch – auch wenn wir alle in unseren Disziplinen arbeiten.

Adrian Ritz: Wir verstehen uns als verwaltungswissenschaftliches Zentrum, das sich immer wieder der Frage stellt, was den Staat von morgen ausmacht. Die Antwort ist multi-disziplinär. Das KPM nimmt dabei die Rolle der Brückenbauerin wahr und führt Forscherinnen und Forscher aus den verschiedenen Disziplinen zusammen. Es bietet Raum, um als multidisziplinäres Team zusammenzukommen und an Projekten zu arbeiten.

Und wer definiert, was eine «öffentliche Aufgabe» beziehungsweise der Service public ist?

Caroline Schlaufer: In der Politologie wird das ganz klar als Aushandlungsprozess einer Gesellschaft, der über die politischen Institutionen läuft, gesehen.

Adrian Ritz: Die Politik definiert, was der Staat tun soll. Im Recht wird es verankert und dann breitet sich die Verwaltung aus (lacht)! Ökonomen hingegen sagen: Wenn wir ein Marktversagen bei Aufgaben im öffentlichen Interesse haben, dann müssen staatliche Lösungen gefunden werden, die effizient sind. Hier kommt das KPM ins Spiel: Wir können helfen, verschiedene Organisationsvarianten zur Aufgabenerfüllung aufzuzeigen.

Mit Blick auf Dienstleistungen und Expertengutachten: In welchen Bereichen ist das KPM hier vor allem tätig und mit welcher Wirkung?

Adrian Ritz: Wir erbringen Dienstleistungen mit Mehrwert für Forschung und Lehre. Oft sind das Evaluationen, Gutachten, Organisationsanalysen oder Umfragen. Ein wichtiger Bereich war lange die Evaluation von NPM-Projekten, aber auch Machbarkeitsstudien zu Gemeindefusionen. Heute sind es beispielsweise Studien zu Auslagerungen von öffentlichen Aufgaben, zur Public Corporate Governance, zum Management der Justiz, Evaluationen im Bereich Covid-Krisenmanagement oder Schulreformen, aber auch massgeschneiderte Angebote für Strategieberatungen von Regierungen. Wir nehmen dabei oft stärker eine evaluative als eine gestaltende Perspektive ein.

Caroline Schlaufer: In der Evaluationsforschung ist das Feld sehr breit und reicht von der Evaluation des Tabakpräventionsfonds über das Betäubungsmittelgesetz bis hin zur Tierseuchenpolitik. Unsere Arbeit fliesst hier teilweise auch in Gesetzesrevisionen oder in die Veränderungen von Umsetzungsstrukturen ein. Für mich ist es da auch immer wieder ein Erfolg, wenn das KPM neben allen privaten Forschungseinrichtungen als einziges universitäres Institut zu Evaluationen eingeladen wird.

Wo steht das KPM im nationalen und internationalen Bereich?

Caroline Schlaufer: Bei internationalen Kongressen im Bereich öffentlicher Politik erlebe ich immer wieder, dass wir als einziges Schweizer Institut so breit aufgestellt sind, was schon einzigartig ist.

Adrian Ritz: Durch unsere multidisziplinäre Zusammensetzung sind wir seit einigen Jahren schweizweit das forschungsstärkste Institut im Fachgebiet. Im Shanghai-Ranking belegt der Bereich Public Administration hinter der Veterinär- und der Zahnmedizin innerhalb der Uni Bern den dritten Rang. Das KPM leistet hierzu einen relevanten Beitrag.

Das KPM wird sehr stark auch als Weiterbildungsinstitution wahrgenommen. Wie wichtig ist diese für Ihre Profilierung?

Adrian Ritz: Die Weiterbildung war ein wichtiges Standbein zu Beginn, weil wir uns zu drei Vierteln selbst finanzieren mussten. Heute ist sie ein wichtiges Transfergefäss, damit wir unsere Forschungsergebnisse auch in die Praxis bringen können. Und wir profitieren von unseren Abgängerinnen und Abgängern, die uns bei Forschungsprojekten unterstützen. Heute sind wir aber ein breit aufgestelltes Forschungszentrum, das auch Weiterbildung anbietet, die in Bewerbungsverfahren als entscheidende Zusatzqualifikation angeschaut wird. Zudem haben wir einen grundständigen Master in Zusammenarbeit mit der Uni Lausanne und der USI.

Mit einem Blick in die Zukunft: Wo liegen die grössten Herausforderungen für das KPM in den kommenden 20 Jahren und wohin will es sich entwickeln?

Caroline Schlaufer: Wir wachsen. Das ist schön, stellt uns aber auch vor Herausforderungen. Heute verstehen wir uns alle als KPMler und das macht uns stark. Bei weiterem Wachstum ein so homogenes Team zu bleiben, stelle ich mir herausfordernd vor.

Adrian Ritz: Als multidisziplinäres Zentrum kann man die Entwicklung nur bedingt steuern. Es kommen Leute mit ihrem Hintergrund und ihren Forschungsschwerpunkten und bringen diese ein. Man muss ihnen den Freiraum und die Möglichkeiten geben, ihre Fähigkeiten zum Kernauftrag des Zentrums beizusteuern. Wir hatten da aber auch immer wieder Glück. Rudolf Blankart in Kollaboration mit sitem-insel AG hat erstmals EU-Forschungsgelder für das KPM akquiriert. Doina Radulescu beforscht bereits seit Jahren das Thema Energieversorgungssicherheit. Niemand hat damit gerechnet, dass dieses Thema plötzlich so stark in den Fokus rückt. In der Hauptstadtregion werden uns die Themen nicht ausgehen. Wir entwickeln neue Strategien, etwa im Bereich Digitalisierung oder New Work, oder wir stossen in neue Felder vor, wie die aufgrund von Covid aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft. Aber auch in der Lehre können wir künftig noch ausbauen und den Politik- und Verwaltungsstandort Bern noch bekannter machen.

ÜBER PROF. DR. ADRIAN RITZ

Adrian Ritz ist seit 2002 Geschäftsleitungsmitglied und seit 2020 geschäftsführender Direktor des Kompetenzzentrums für Public Management der Universität Bern und Professor für Public Management an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität. Er ist an Hochschulen im In- und Ausland tätig, so hatte er u.a. eine Gastprofessur an der Universität der Bundeswehr in München inne und war als Gastforscher an der Indiana University und der University of Georgia in den USA. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Verwaltungswissenschaften und Public Management, insbesondere Public service Motivation, Arbeitgeberattraktivität und Performance Management im öffentlichen Sektor.

ÜBER DR. CAROLINE SCHLAUFER

Caroline Schlaufer arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am KPM. Seit Mai 2022 leitet sie zudem den Policy Teil des Ethics and Policy Labs des Multidisciplinary Center of Infectious Diseases (MCID) der Universität Bern. Sie hat ihre Dissertation in Verwaltungswissenschaften 2016 an der Universität Bern abgeschlossen. 2017 bis 2021 arbeitete sie als Professorin in öffentlicher Politik an der Higher School of Economics in Moskau. Ihre Forschung befasst sich mit der Nutzung von wissenschaftlicher Evidenz und Narrativen in der Gestaltung öffentlicher Politik.

ÜBER DAS KOMPETENZZENTRUM FÜR PUBLIC MANAGEMENT KPM

Das KPM der Universität Bern wurde 2002 gegründet. Als interfakultäre Einheit, angesiedelt zwischen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern, sieht es sich der Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen Recht, Ökonomie und Politikwissenschaft verpflichtet. Kernprodukte des Kompetenzzentrums sind die Grundlagenforschung im Bereich der Verwaltungswissenschaften, der Master-Studiengang Public Management & Policy (PMP) sowie die Nachdiplomstudiengänge Executive Master of Public Administration (Executive MPA) und der CAS-Lehrgang Management und Politik öffentlicher Institutionen (CeMap). Zudem werden Dienstleistungen für die öffentliche Hand in Form von Beratungen, Gutachten und Evaluationen erbracht.

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