„Once a Mootie, always a Mootie“

Der „Vienna Moot Court" ist der weltweit grösste und renommierteste Wettbewerb für Jus-Studierende im Zivil- und Wirtschaftsrecht. Erneut hat ein Team vom Zivilistischen Seminar der Universität Bern ein Glanzresultat erzielt. Uniaktuell hat sich mit dem Team unterhalten.

Von Nicola von Greyerz 29. April 2022

Das diesjährige Team: v.l.n.r.: Alina Kuster, Margaretha Schulz, Michelle Stöckli, Lucas Nold, Annina Schmid, Patrick Gürtler, Elena Konvalina, Laura Müller, Loïc Stucki, Tim George ©zvg
Das diesjährige Team: v.l.n.r.: Alina Kuster, Margaretha Schulz, Michelle Stöckli, Lucas Nold, Annina Schmid, Patrick Gürtler, Elena Konvalina, Laura Müller, Loïc Stucki, Tim George ©zvg

Wann haben Sie das erste Mal von der Veranstaltung Moot Court gehört?

Bereits während des Bachelorstudiums wurden wir von ehemaligen Mooties – so werden die teilnehmenden Studierenden genannt – auf den Moot Court aufmerksam gemacht. Vor allem sie schwärmten von der Erfahrung.

Was hat Sie dazu bewogen/gereizt teilzunehmen?

Die Mischung aus akademischen, karrierefördernden sowie sozialen Benefits macht den Moot zu einer einmaligen Gelegenheit: Die Teilnahme am Vis Moot Court hat uns besonders gereizt, weil es eine spannende Möglichkeit ist, bereits während des Studiums praktische Erfahrungen zu sammeln und die Interessen eines „Klienten“ zu vertreten. Auch das Aufbauen eines internationalen Netzwerks erachten wir als enorm wertvoll. Zudem wird man intensiv von den Coaches betreut und erhält direktes Feedback. Das erhält man in anderen Veranstaltungen weniger und hat uns sehr geholfen.

Haben Sie sich als Team beworben oder wurden Sie „zusammengewürfelt“?

Man kennt sich aus den Vorlesungen – aber beworben haben wir uns einzeln. Prof. Christoph Brunner und Prof. Mirjam Eggen, die den Moot betreuen, haben uns gemeinsam mit den Coaches – das sind ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wettbewerbs – ausgewählt und zu einem Team zusammengestellt.

Worum ging es in dem Fall, den Sie bearbeiten mussten?

Beim Moot Court geht es immer um Fragen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und des UN-Kaufrechts, auch Wiener Kaufrecht genannt. Dieses Jahr drehte sich der Fall um zwei internationale Unternehmen, die über den Kauf von umweltfreundlich produziertem Palmöl verhandelt haben. Die Parteien waren sich in vielen Punkten bereits einig, doch blieben noch ein paar Fragen offen. Einige Monate vor der ersten Lieferung wurde dann ein Greenwashing-Skandal der einen Partei publik. Sogleich erklärte die andere Partei die Verhandlungen für beendet, obwohl die Gegenseite davon ausging, dass der Vertrag bereits abgeschlossen wurde.

In der Folge stellten sich jede Menge Rechts- und Sachverhaltsfragen, die wir auf je 35 Seiten für die Klägerin und für die Beklagte beantworten mussten. Die Fragen waren unter anderem, ob die klagende Partei darauf vertrauen konnte, dass der Vertrag bereits abgeschlossen war und ob die allgemeinen Geschäftsbedingungen gültiger Vertragsbestandteil geworden sind, obwohl nicht klar war, ob sie der Beklagten geschickt oder zugänglich gemacht worden sind. Alle Fakten dazu fanden wir in einem dicken Dossier, das uns allen im Oktober 2021 zugestellt wurde.

Was versteht man unter einem Schiedsgerichtsverfahren? Was ist das Besondere daran?

Ein Schiedsgericht ist eine alternative Streitschlichtungsmethode zu staatlichen Gerichten, auf die sich die Parteien einigen können. Die Entscheide haben zwar vergleichbare Wirkung wie ein Gerichtsurteil, die Parteien können das Verfahren aber weitgehend selbst gestalten. Diese Gestaltungsmöglichkeit erlaubt eine spannende Kombination an Verfahrensregeln aus aller Welt.

Die «Mooties» plädierten im Kopenhagen erfolgreich unter anderem gegen Teams aus Argentinien, Dänemark, Indien und Slowenien. ©zvg
Die «Mooties» plädierten im Kopenhagen erfolgreich unter anderem gegen Teams aus Argentinien, Dänemark, Indien und Slowenien. ©zvg

Wie kann man sich die gemeinsame Arbeit an einer solchen Klageschrift vorstellen? Wie sind sie vorgegangen?

Zu Beginn der schriftlichen Phase haben wir uns in zwei Untergruppen aufgeteilt: Eine Gruppe hat sich um den verfahrensrechtlichen, die andere um den materiell-rechtlichen Teil der Klageschriften gekümmert. Was folgt, ist viel Recherche und zahlreiche Besprechungen – eine intensive Team- aber auch Einzelarbeit. Jede Woche haben wir einen Entwurf verfasst und den Coaches vorgelegt. Diese haben uns dann Rückmeldungen und Tipps gegeben, welche wir gemeinsam an wöchentlichen Meetings besprochen haben. Kurz vor den beiden Abgabeterminen im Dezember 2021 und Januar 2022 bearbeiteten wir den Text jeweils gemeinsam. Jedes Argument und jedes Komma muss richtig sitzen. Entsprechend haben wir dann auch gefeiert, als wir alles abgegeben haben.

Der diesjährige Moot Court fand hybrid statt. Was war die Herausforderung dabei?

Die Herausforderungen bei virtuellen Verhandlungen sind hauptsächlich technischer Natur. Auf die Qualität der Verhandlungen hat dies keinen Einfluss. Sowohl in virtuellen Verhandlungen als auch in solchen vor Ort spielen schlüssige Argumentationen, ein sicheres Auftreten und eine natürliche Interaktion mit dem Schiedsgericht die entscheidende Rolle.

Sie konnten nun etwas fiktive „Gerichtsluft“ schnuppern. Wäre/Ist eine Karriere in der Justiz für Sie ein Thema? Hat es Sie gepackt?

Auf jeden Fall. Sowohl die Arbeit an den Rechtsschriften als auch das Plädieren hat uns enorm Spass gemacht. Man erhält die Gelegenheit, in die Rolle eines prozessierenden Anwaltes oder einer prozessierenden Anwältin zu schlüpfen, um die Position seines Klienten bestmöglich zu vertreten. Schiedsverfahren sind von Natur her zwar etwas informeller als Gerichtsverfahren, aber das juristische Handwerk ist ähnlich. Ob vor oder hinter dem Richterpult – oder als Schiedsrichter – wird sich noch zeigen.

Die vom Team gemeinsam verfasste Klageschrift erreichte den dritten Rang und holte sich somit die Bronzemedaille. Damit gehört das Berner Team bei den Rechtsschriften zu den besten 1,1 % aller Teams. ©zvg
Die vom Team gemeinsam verfasste Klageschrift erreichte den dritten Rang und holte sich somit die Bronzemedaille. Damit gehört das Berner Team bei den Rechtsschriften zu den besten 1,1 % aller Teams. ©zvg

Sie studieren an der Uni Bern Jus. Was hat Sie dazu bewogen, in Bern dieses Studium zu ergreifen?

Die Universität Bern ist nicht unbedingt eine kleine Universität und trotzdem bewegt man sich in einem familiären Umfeld. Dies zeigte sich auch in der „Moot Familie“. Wir haben eine intensive und persönliche Betreuung sowie Unterstützung der Universität erhalten. Ausserdem hat die Universität einen hervorragenden Ruf und einige der besten Dozierenden der Schweiz, wozu sicherlich auch Prof. Brunner und Prof. Eggen gehören.

Warum würden Sie jungen Studierenden empfehlen, bei einem nächsten Moot Court teilzunehmen?

Der Moot Court bietet einzigartige Erlebnisse: professionelle und persönliche Kontakte, Reisen sowie Höhen und Tiefen im Team. Er bietet wertvolle Lernmöglichkeiten: der Feinschliff von komplexen Argumenten und das sichere mündliche Auftreten. Er verlangt aber auch einiges an Aufwand – dieser lohnt sich aber allemal. Obwohl wir alle im Moment etwas den „Post-Moot Blues“ spüren, ist eines gewiss: „Once a Mootie, always a Mootie“.

Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot (Vienna Moot Court)

Der Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot ist ein Wettbewerb für Jurastudenten, der das Studium und die Praxis des internationalen Handelskaufrechts und der Schiedsgerichtsbarkeit fördern soll. Teilnahmeberechtigt sind Studierende aus allen Ländern (am 27. Vis Moot nahmen Studierende aus 82 Ländern teil). Beim Moot geht es um einen Streitfall, der sich aus einem Kaufvertrag zwischen zwei Ländern ergibt, die dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf beigetreten sind. Der Vertrag sieht vor, dass etwaige Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren in Danubia beigelegt werden sollen, einem Land, das das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in Kraft gesetzt hat und dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche beigetreten ist. Die anzuwendende Schiedsordnung wechselt jährlich zwischen den Schiedsordnungen der Institutionen, die den Moot mittragen.

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Zivilistisches Seminar

Das Zivilistische Seminar gehört zum Departement für Privatrecht und ist das Kompetenzzentrum der Universität Bern für das schweizerische und europäische Privatrecht sowie internationale gesetzliche (z.B. UN-Kaufrecht) und nichtgesetzliche Regelwerke (z.B. Incoterms). In seinen Abteilungen befassen sich die Mitarbeitenden mit dem Obligationenrecht und dem Zivilrecht (OR, ZGB und Nebengesetzgebung) und nehmen in diesen Bereich die Lehre und Forschung wahr. Die Ordinarien des Zivilistischen Seminars leiten zudem das Institut für Bankrecht (Professorin Susan Emmenegger), das Institut für Haftpflicht- und Versicherungsrecht (Professor Frédéric Krauskopf) und das Institut für Notariatsrecht und Notarielle Praxis (Professor Stephan Wolf). Ausserdem werden am Zivilistischen Seminar Studierende gecoacht, die an nationalen und internationalen Moot Court Wettbewerben teilnehmen (z.B. Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot).

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Zur Autorin

Nicola von Greyerz arbeitet als Verantwortliche für gesamtuniversitäre Anlässe in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

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