«Unter meinen Studienfreunden hatte ich einen schlechten Ruf, weil ich immer so viele Fragen stellte», scherzt Madhav Thakur. Zwanzig Jahre später hat der neugierige Maddy – so nennt er sich im Alltag – eine beeindruckende Karriere vorzuweisen. Die bisher letzten Stationen: 2020 wurde er 36-jährig Assistenzprofessor und Leiter der Abteilung Terrestrische Ökologie an der Universität Bern, 2021 wählten ihn die Berner Biologiestudierenden zum Teacher of the Year, und 2022 erhielt er einen prestigeträchtigen ERC Grant des Europäischen Forschungsrats. Seine Forschungsgruppe zählt mittlerweile ein Dutzend Mitglieder.
Gutgelaunt und charmant sitzt Maddy Thakur in seinem Büro in der Uni Muesmatt und erzählt vom Weg, der ihn vom Fuss des Himalayas an den Fuss der Alpen führte. Die kürzeste Version dieser Geschichte: Ein aufgeweckter junger Mann trifft während seines Master-Studiums in Umweltmanagement an der Universität von Pokhara auf einen Professor, der seine Begeisterung fürs Forschen weckt. Dieser ermuntert ihn, den Schritt ins Ausland zu wagen.
In einem armen Land wie Nepal, das ist auch dem Studenten klar, fehlt es an der Infrastruktur für ernsthafte Forschung. Also bewirbt sich Maddy Thakur für einen Master im niederländischen Wageningen, wo er sich schliesslich in Bodenökologie spezialisiert. «Von da an hat sich mein Leben verändert», erzählt er. «Ich realisierte, dass ich die Forschung liebe und immer tiefer in die Dinge eintauchen will. Ich wollte etwas zu meinem Gebiet beitragen.» Es folgten ein Doktorat in Leipzig am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung und verschiedene Postdoc-Stellen an deutschen und niederländischen Forschungseinrichtungen. Und schliesslich der Ruf an die Universität Bern. Schritte auf der Karriereleiter, von denen der bescheidene Maddy am liebsten kein grosses Aufheben macht.
Die Folgen des Klimawandels simulieren
Seinem Forschungsgebiet ist er treu geblieben. «Ich mache meine Hände mit Boden schmutzig», sagt er schmunzelnd, um dann etwas auszuholen. Thakurs Interesse gilt der Gemeinschaftsökologie, er untersucht die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten, und zwar mit Blick auf die Folgen des globalen Wandels. Wie wirken sich Faktoren wie Klimaerwärmung und Dürre auf die Interaktionen zwischen den Arten aus? Welche Auswirkungen haben diese veränderten Interaktionen auf die Struktur der Lebensgemeinschaften und die Funktionen der Ökosysteme?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, untersucht der Bodenökologe Mikroorganismen, wirbellose Lebewesen und Pflanzengemeinschaften. In Experimenten simuliert er den Klimawandel für das gesamte Leben im Boden – von Bakterien bis zu Käfern. «Ich möchte verstehen», erklärt er, «was sich von ganz einfachen über sehr viel komplexere Dinge lernen lässt – das ist es, was mich in der Nacht nicht schlafen lässt.»
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Maddy Thakurs Nächte werden nämlich auch von seinem frischgeborenen Sohn gestört. Nach dessen Geburt war er fast zwei Monate lang kaum mehr im Labor zu sehen – er bezog Vaterschaftsurlaub und Ferien an einem Stück. Doch sein international zusammengesetztes Team kam vorübergehend auch ohne ihn zurecht. Während seiner Abwesenheit hat zum Beispiel das grosse Feldexperiment Gestalt angenommen, das er dem Besucher nun zeigen will. Wir fahren dazu in die Ethologische Station Hasli. Das ehemalige Bauerngut liegt abgelegen am Aarehang gegenüber von Hinterkappelen und dient der Universität Bern zur biologischen Verhaltensforschung. Hier präsentiert uns der jugendlich wirkende Professor seine «Miniökosysteme».