Ist denn die Universität heute nicht gut aufgestellt? Oder wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf?
Ich denke, dass wir heute noch recht vernünftig aufgestellt sind. Es ist aber klug, über Veränderungen und Entwicklungen nachzudenken, solange es noch gut ist und man nicht bereits unter Druck steht. Wir müssen aber schon jetzt über die Konsequenzen und Möglichkeiten von Home-Office und Fernunterricht nachdenken. Beide Formate werden bleiben, da sie auch Vorteile haben.
Bezüglich Home-Office geht es auch um Fragen des persönlichen Arbeitsplatzes: Ab wie viel Prozent Anwesenheitsgrad ist ein eigener Arbeitsplatz sinnvoll und wann ist Desk- Sharing die bessere Lösung? Dies muss offen diskutiert werden. Hinsichtlich des Fernunterrichts stellt sich die Frage nach den geeigneten Lehrformaten, wo und wie er den Präsenzunterricht sinnvoll unterstützen kann.
Es geht zudem um die Ausstattung der Hörsäle. Aktuell beschäftigen wir uns zum Beispiel mit der Frage von Hybrid-Sitzungen, bei denen ein Teil der Teilnehmenden vor Ort ist und andere online zugeschaltet werden. Dabei haben wir gesehen, dass der Ton und die Akustik das Hauptproblem sind. Derzeit werden deshalb einige Sitzungszimmer aufgerüstet.
In welcher Form wird das Projekt durchgeführt und wer nimmt alles daran teil?
Wir bearbeiten die gestellten Fragen im Rahmen einer mehrtägigen Klausur und mit dem Format einer «Syntegration». Mit diesem Verfahren können wir mit maximal 42 Personen ein komplexes Problem bearbeiten und Lösungen in Gang setzen. Dabei arbeiten wir konzentriert und in einer festen Struktur, wobei inhaltlich sehr grosse Freiheit besteht.
Zunächst identifizieren wir die zu diskutierenden Themen. Die Teilnehmenden können selbst bestimmen, bei welchen Themen sie jeweils mitdiskutieren möchten. In den folgenden drei Tagen werden pro Thema als Erstes die Ausgangslage, dann die Handlungsmöglichkeiten und schliesslich die Massnahmen für die Umsetzung diskutiert. Dabei steht den Arbeitsgruppen ein Logistikteam zur Seite, das die Sitzungen zeitnah protokolliert, so dass am Schluss bereits die abschliessende Dokumentation einschliesslich Massnahmenlisten zur Verfügung steht.
Die Methodik erlaubt eine grosse Bandbreite von Teilnehmenden sich zu beteiligen. So sind alle Fakultäten, die Vize-Rektorate und die Verwaltungsdirektion vertreten. Wir haben aber auch Personen aus der Kantonsverwaltung, aus dem Grossen Rat und weitere externe Fachleute eingeladen.
Wie sehen Sie die Arbeitswelt in zehn Jahren persönlich?
Ich hoffe grundsätzlich sehr, dass in Zukunft das Genderthema keine so grosse Rolle mehr spielt, weil ich erwarte, dass Chancengleichheit selbstverständlich wird. Der Arbeitsmarkt wird sich zudem immer mehr von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmendenmarkt entwickeln. Gute und qualifizierte Leute werden immer rarer. Als Arbeitgeberin werden wir den Mitarbeitenden bessere Rahmenbedingungen bieten müssen, weil wir sonst schlicht keine geeigneten Leute finden. Ich gehe weiter davon aus, dass die Mitarbeitenden mehr und mehr zu «Portfolioworkern» werden. Man stellt sich ein eigenes Portfolio zusammen, in dem natürlich auch die Familie und die eigenen Bedürfnisse Platz haben. Die Work-Life-Balance wird entsprechend eine grosse Rolle spielen.
Wir befinden uns zudem in einer digitalen Transformation, wobei viele Veränderungen, die für uns heute noch neu sind, entweder selbstverständlich oder bereits wieder abgelöst worden sein werden. So werden wir wohl einen grossen Teil der IT-Leistungen nur noch aus der Cloud beziehen und an den verschiedensten Orten in unterschiedlichen Konstellationen arbeiten. Ein tauglicher Arbeitsplatz zu Hause hat eine hohe Bedeutung. Unser Arbeiten wird in vielen Fällen auf einer mobilen Infrastruktur basieren. Ich hoffe, dass bis dann das Personalrecht sich auf diese neuen Bedürfnisse eingestellt hat, so dass wir uns keine Wettbewerbsnachteile einhandeln. Schliesslich bin ich fest davon überzeugt, dass wir weiterhin Spass und Freude an unserer Arbeit haben und mit Stolz an der Universität Bern arbeiten werden.