«Es ist klug, über Veränderungen nachzudenken, solange es noch gut ist»

Home-Office und virtuelle Meetings sind seit rund zwei Jahren gelebte Normalität. Viele der aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt werden bleiben – und es werden neue Ansprüche und Bedürfnisse hinzukommen. Die Universität Bern will diese Entwicklungen nun über ein grosses Projekt aktiv gestalten, wie Verwaltungsdirektor Markus Brönnimann im Interview erklärt.

Markus Brönnimann ist Verwaltungsdirektor der Universität Bern. © Universität Bern
Markus Brönnimann, Sie haben an der Universität ein grosses Projekt unter dem Titel «Zukunft der Arbeit» lanciert. Worum geht es da?

Wir sehen derzeit, dass sich die Rahmenbedingungen für das Arbeiten an der Universität sehr schnell verändern können. Wir arbeiten vermehrt im Home-Office und nutzen seit dem Pandemiebeginn digitale Möglichkeiten, die wir so vor kurzem noch nicht eingesetzt hätten. Die Digitalisierung schafft in Lehre, Forschung und Verwaltung neue Möglichkeiten und auch neue Erwartungen. Zudem verändern sich unsere Ansprüche an die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit.

Mit all diesen und den weiteren Entwicklungen der Rahmenbedingungen verändern sich auch unsere Anforderungen an die Büro-, Lern- und Forschungsinfrastruktur. Mit dem Projekt «Zukunft Arbeit» wollen wir in eben diese Zukunft schauen, so dass wir mindestens eine gemeinsame Erwartung haben, wie es denn wohl sein könnte.

Was braucht es für den Blick in die Zukunft?

Wir müssen überlegen, was die konkreten Konsequenzen sich ändernder Rahmenbedingungen für das Arbeiten an der Universität Bern sind. Diese Frage steht an der Schnittstelle zwischen Strategie und operativer Umsetzung. Es geht also darum, Handlungsmöglichkeiten und Massnahmen zu entwickeln: Was müssen wir schon heute tun, damit wir auch in 10 bis 20 Jahren noch attraktiv und wettbewerbsfähig sind?

Im Zentrum steht dabei immer die Aufgabe, die die Universität zu erfüllen hat. Es geht also ums Lehren, Lernen und Forschen, aber auch um Dienstleistungen und die Verwaltung. Was brauchen wir an Gebäuden, an Technik, an Organisation, damit wir diese Aufgaben optimal erfüllen können? Wo werden wir welche Tätigkeiten künftig ausüben? Im Büro, daheim oder unterwegs? Wie funktioniert künftig die Zusammenarbeit in Teams, aber auch zwischen Teams? Ich bin überzeugt, dass wir uns auch künftig physisch treffen müssen und wollen, um gut zusammenarbeiten zu können. Zu guter Letzt wollen wir darüber nachdenken, wie sich der Arbeitsmarkt ganz grundsätzlich verändern wird.

Das Projekt "Zukunft der Arbeit" widmet sich den Herausforderungen, die künftig auf die Universität Bern zukommen werden. © Universität Bern
Das Projekt "Zukunft der Arbeit" widmet sich den Herausforderungen, die künftig auf die Universität Bern zukommen werden. © Universität Bern
Ist denn die Universität heute nicht gut aufgestellt? Oder wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf?

Ich denke, dass wir heute noch recht vernünftig aufgestellt sind. Es ist aber klug, über Veränderungen und Entwicklungen nachzudenken, solange es noch gut ist und man nicht bereits unter Druck steht. Wir müssen aber schon jetzt über die Konsequenzen und Möglichkeiten von Home-Office und Fernunterricht nachdenken. Beide Formate werden bleiben, da sie auch Vorteile haben.

Bezüglich Home-Office geht es auch um Fragen des persönlichen Arbeitsplatzes: Ab wie viel Prozent Anwesenheitsgrad ist ein eigener Arbeitsplatz sinnvoll und wann ist Desk- Sharing die bessere Lösung? Dies muss offen diskutiert werden. Hinsichtlich des Fernunterrichts stellt sich die Frage nach den geeigneten Lehrformaten, wo und wie er den Präsenzunterricht sinnvoll unterstützen kann.

Es geht zudem um die Ausstattung der Hörsäle. Aktuell beschäftigen wir uns zum Beispiel mit der Frage von Hybrid-Sitzungen, bei denen ein Teil der Teilnehmenden vor Ort ist und andere online zugeschaltet werden. Dabei haben wir gesehen, dass der Ton und die Akustik das Hauptproblem sind. Derzeit werden deshalb einige Sitzungszimmer aufgerüstet.

In welcher Form wird das Projekt durchgeführt und wer nimmt alles daran teil?

Wir bearbeiten die gestellten Fragen im Rahmen einer mehrtägigen Klausur und mit dem Format einer «Syntegration». Mit diesem Verfahren können wir mit maximal 42 Personen ein komplexes Problem bearbeiten und Lösungen in Gang setzen. Dabei arbeiten wir konzentriert und in einer festen Struktur, wobei inhaltlich sehr grosse Freiheit besteht.

Zunächst identifizieren wir die zu diskutierenden Themen. Die Teilnehmenden können selbst bestimmen, bei welchen Themen sie jeweils mitdiskutieren möchten. In den folgenden drei Tagen werden pro Thema als Erstes die Ausgangslage, dann die Handlungsmöglichkeiten und schliesslich die Massnahmen für die Umsetzung diskutiert. Dabei steht den Arbeitsgruppen ein Logistikteam zur Seite, das die Sitzungen zeitnah protokolliert, so dass am Schluss bereits die abschliessende Dokumentation einschliesslich Massnahmenlisten zur Verfügung steht.

Die Methodik erlaubt eine grosse Bandbreite von Teilnehmenden sich zu beteiligen. So sind alle Fakultäten, die Vize-Rektorate und die Verwaltungsdirektion vertreten. Wir haben aber auch Personen aus der Kantonsverwaltung, aus dem Grossen Rat und weitere externe Fachleute eingeladen.

Wie sehen Sie die Arbeitswelt in zehn Jahren persönlich?

Ich hoffe grundsätzlich sehr, dass in Zukunft das Genderthema keine so grosse Rolle mehr spielt, weil ich erwarte, dass Chancengleichheit selbstverständlich wird. Der Arbeitsmarkt wird sich zudem immer mehr von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmendenmarkt entwickeln. Gute und qualifizierte Leute werden immer rarer. Als Arbeitgeberin werden wir den Mitarbeitenden bessere Rahmenbedingungen bieten müssen, weil wir sonst schlicht keine geeigneten Leute finden. Ich gehe weiter davon aus, dass die Mitarbeitenden mehr und mehr zu «Portfolioworkern» werden. Man stellt sich ein eigenes Portfolio zusammen, in dem natürlich auch die Familie und die eigenen Bedürfnisse Platz haben. Die Work-Life-Balance wird entsprechend eine grosse Rolle spielen.

Wir befinden uns zudem in einer digitalen Transformation, wobei viele Veränderungen, die für uns heute noch neu sind, entweder selbstverständlich oder bereits wieder abgelöst worden sein werden. So werden wir wohl einen grossen Teil der IT-Leistungen nur noch aus der Cloud beziehen und an den verschiedensten Orten in unterschiedlichen Konstellationen arbeiten. Ein tauglicher Arbeitsplatz zu Hause hat eine hohe Bedeutung. Unser Arbeiten wird in vielen Fällen auf einer mobilen Infrastruktur basieren. Ich hoffe, dass bis dann das Personalrecht sich auf diese neuen Bedürfnisse eingestellt hat, so dass wir uns keine Wettbewerbsnachteile einhandeln. Schliesslich bin ich fest davon überzeugt, dass wir weiterhin Spass und Freude an unserer Arbeit haben und mit Stolz an der Universität Bern arbeiten werden.

ZUR PERSON

Markus Brönnimann ist seit 2018 Verwaltungsdirektor der Universität Bern. Er führt die Universitätsbibliothek, den Universitätssport und die Abteilungen Bau und Raum, Betrieb und Technik, Finanzen, Informatik sowie Personal der Universität Bern. Innerhalb der Universitätsleitung zeichnet er unter anderem verantwortlich für die Dienstleistungsbetriebe, die Vermögensanlagen, den Wissens- und Technologietransfer sowie das Risikomanagement.

ZUM AUTOR

Christian Degen ist Leiter der Abteilung Kommunikation & Marketing der Universität Bern.

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