«Am liebsten arbeite ich mit Ratten»

Maria Erhardt ist Laborantin mit Zusatzausbildung Tierpflege am Institut für Infektionskrankheiten. Sie findet es wichtig, über Tierversuche zu sprechen.

Laborantin und Tierpflegerin Maria Erhardt vom Institut für Infektionskrankheiten. @ Universität Bern / Bild: Adrian Moser
Laborantin und Tierpflegerin Maria Erhardt vom Institut für Infektionskrankheiten. @ Universität Bern / Bild: Adrian Moser

«Ich untersuche, wie Infektionen das Gehirn schädigen und wie dies verhindert werden könnte, und ich betreue Tiere im Neuroinfektionslabor. Meine Beschäftigung ist sehr abwechslungsreich, wobei mir die interaktive Arbeit mit den Tieren besonders gefällt.

Mein typischer Tag beginnt um acht Uhr morgens bei den Zebrafischen. Wir haben rund 30 Aquarien mit jeweils 15 bis 20 Fischen pro Sieben-Liter-Tank. Ich füttere sie und beobachte, ob es allen gut geht. Für Versuche verwenden wir vor allem Fischlarven. Sie sind fast durchsichtig, und man kann die Vorgänge im Rückenmark und Gehirn gut beobachten.

Am liebsten arbeite ich mit Ratten. Viele Menschen haben negative Assoziationen, dabei sind sie intelligent, neugierig und verspielt. Wir haben zurzeit etwa 28 Ratten, zwei Muttertiere mit ihren Jungtieren. Wir reichern die Käfige mit Häusern und Röhren zum Verstecken an und geben ihnen Nagehölzer zum Abwetzen der Zähne und Taschentücher, damit sie Nester bauen können.

Am Morgen wäge ich die Ratten und prüfe, wie es ihnen geht. In unserem Labor untersuchen wir Auswirkungen von bakteriellen Infektionen auf das Gehirn. Dies hilft uns, die Mechanismen besser zu verstehen, die bei Infektionen und Entzündungsreaktionen für die Schädigung und die Regeneration des Gehirns verantwortlich sind. Kurz nach der Infektion können Tiere an Gewicht verlieren, und ihr Gesundheitszustand kann sich verschlechtern. Wir überprüfen den Gesundheitszustand einmal pro Stunde – wenn es ihnen schlechter geht, natürlich noch häufiger. Für diese Belastungsbeurteilung verwenden wir ein Stufensystem mit Abbruchkriterien, die sicherstellen, dass die Tiere nicht zu stark unter der Krankheit leiden.

Für Injektionen passen wir Wirkstoffmenge und Kanüle dem Gewicht und der Grösse der Tiere an. Die Injektion spüren sie, wie wir Menschen auch. Nach der Spritze beobachten wir die Tiere eine gewisse Zeit, um zu sehen, ob eine unerwünschte Reaktion auftritt. Auch hier verwenden wir dasselbe Stufen-System. Wenn Ratten älter sind, beobachten wir zusätzlich ihren Gesichtsausdruck, um herauszufinden, ob sie Schmerzen haben oder gestresst sind.

Zwischen den Behandlungen lassen wir die Ratten auch mal auf dem Tisch herumrennen. Sie lieben es, wenn man mit ihnen spielt, sie kitzelt und streichelt. Bei Langzeitversuchen baut man automatisch eine gewisse Bindung auf, und es kann schon mal passieren, dass man einer Ratte unbewusst einen Namen gibt. Ab einem gewissen Alter zeigen sich ja auch die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der Tiere. Unsere Ratten haben Nummern, da man bei einem Namen eine zu starke Bindung zu ihnen aufbaut und das schwierig werden kann, wenn man sie am Ende des Versuchs einschläfern muss. Wenn ich ein Tier einschläfere, das für die Forschung verwendet wurde, und wir dadurch einen Nutzen für die Gesellschaft haben, dann sehe ich einen Sinn im Einsatz der Tiere und in meiner Arbeit. Trotzdem finde ich es nicht einfach.

Die Persönlichkeiten sieht man auch bei Verhaltenstests wie dem Morris-Wasser-Labyrinth, das verwendet wird, um zu beobachten, wie sich Störungen im Gehirn auf das räumliche Lernen und das Gedächtnis auswirken. Dabei suchen die Ratten eine im trüben Wasser versteckte Plattform. Auch hier zeigen sich die unterschiedlichen Charaktere und Vorlieben. Einige Ratten schwimmen nicht gerne, obwohl sie es können, und springen nach dem Versuch so schnell sie können auf meinen Arm. Andere scheinen es zu mögen und schwimmen gleich noch eine Extrarunde. Es gibt Ratten, die können es kaum erwarten, dass man sie trocken reibt, und kuscheln sich ins Tuch.

Wenn ich im Bekanntenkreis erzähle, dass ich Tierversuche durchführe, ist die erste Reaktion meist negativ. Aber wenn ich dann erkläre, was ich genau mache, wie ich mit den Tieren umgehe und warum wir die Versuche durchführen, dann sind alle immer sehr interessiert und stellen viele Fragen. Ich finde es wichtig, dass wir über Tierversuche sprechen und zeigen, wie wir diese durchführen.»

TIERVERSUCHE AN DER UNIVERSITÄT BERN

In einem Infoportal informiert die Universität Bern über Forschung mit Tieren, Tierschutz, Alternativmethoden sowie Zahlen und Fakten zu Tierversuchen.

UNIPRESS ZUM THEMA TIERVERSUCHE

Wie läuft ein Tierversuch ab? Wie verhindert man, dass ein Tier im Versuch leidet? Warum bringen Hundefans ihre Tiere für Versuche an die Uni? Die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins UniPress stellt Fragen und gibt Antworten zum Thema Tierversuche.

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