Werkzeuge entwickeln, um Krebs besser bekämpfen zu können

Garry Nolan erhält den Hans-Sigrist-Preis 2021 für seine Arbeit in der gezielten Analyse einzelner Zellen. Diese ermöglicht ein besseres Verständnis der Entstehung von Krebs und trägt dazu bei, massgeschneiderte Therapieansätze zu entwickeln.

Von Isabelle Aeschlimann 23. November 2021

Pionier der Einzelzellenanalyse: Prof. Garry Nolan erhält den Hans-Sigrist-Preis 2021. © zvg
Pionier der Einzelzellenanalyse: Prof. Garry Nolan erhält den Hans-Sigrist-Preis 2021. © zvg

Im Gespräch bedankt sich Garry Nolan als Erstes: er habe sich sehr gefreut und es sei eine Ehre, den Hans-Sigrist-Preis 2021 zu erhalten. Nolan wird ausgezeichnet für seine Forschung im Preisgebiet «The Single Cell Revolution and Precision Medicine». Mit seinem Labor hat er erstmals das Instrument CyTOF, mit dem unterschiedliche Zellbestandteile genau untersucht werden können, auf die Immunologie angewendet. 

Damit wurde ein Durchbruch erzielt, der es ermöglicht hat, eine Art Fingerabdruck einer einzelnen Zelle mit einer Kombination dutzender Parameter zu erstellen. Das von Nolan entwickelte Verfahren liefert eine Fülle an zusätzlichen Informationen und hat sich somit in der Untersuchung von Zellen weltweit durchgesetzt. 

Doch damit ist es nicht getan, denn mit seiner Idee hat Garry Nolan eine ganz neue Forschungsrichtung eröffnet. Die Informationen aus einzelnen Zellen werden nun beispielsweise auch in ihrem räumlichen Umfeld innerhalb eines Systems verortet, um die Wechselwirkungen unter verschiedenen Zelltypen im Gewebe zu untersuchen. 

Nolan arbeitet momentan daran, das Gefüge von einzelnen Zellen und deren Eigenschaften im Krebsgewebe besser zu verstehen. Das können zum Beispiel Krebszellen sein oder Zellen, die Teil des Immunsystems sind. Dabei ist es wichtig, diese Zellen als Teil ihres Systems zu analysieren und beispielsweise die Mechanismen aufzuzeigen, mit denen sich der Krebs vor dem Immunsystem verbirgt oder die Zellen abwehrt, die ihn attackieren. Auf der anderen Seite werden die einzelnen Schritte dokumentiert, wie das Immunsystem den Krebs erkennt und bekämpft. Das sind wertvolle Informationen für künftige Therapieansätze.

Individuelle Therapien entwickeln

Der Vorsitzende des Hans-Sigrist-Preiskomitees 2021 Prof. Sven Rottenberg hat das Preisgebiet vorgeschlagen und möchte damit weitere Forschung in diesem faszinierenden Bereich anregen. Sven Rottenberg ist Leiter des Instituts für Tierpathologie sowie Mitglied des 2019 etablierten Bern Center for Precision Medicine (BCPM). Seine Forschungsgruppe unterstützt auch den neu gegründeten Krebstherapieresistenz-Schwerpunkt am Department for BioMedical Research (DBMR). Seit vielen Jahren untersucht er Mechanismen der Resistenz gegen Krebstherapien und setzt grosse Hoffnungen in die Entwicklungen der Einzelzellenanalyse: «Je mehr Informationen wir zum räumlichen Kontext dieser Zellen erhalten, desto besser können wir Patientinnen und Patienten helfen und eine individuelle Therapie ermöglichen. Die Präzisionsmedizin steckt noch immer in den Kinderschuhen, aber neue Ansätze wie der von Garry Nolan treiben sie enorm voran.» 

Prof. Sven Rottenberg leitete das Preiskomitee 2021 und forscht an der Universität Bern zu Krebstherapieresistenz. © Universität Bern / Bild: Vera Knöpfel
Prof. Sven Rottenberg leitete das Preiskomitee 2021 und forscht an der Universität Bern zu Krebstherapieresistenz. © Universität Bern / Bild: Vera Knöpfel

Sven Rottenberg freut sich darauf, am Hans-Sigrist-Symposium 2021 verschiedene Expertinnen und Experten in diesem Gebiet willkommen zu heissen und die Forschung von Garry Nolan anzuerkennen. Rottenberg und Nolan sind sich einig, dass es eine spannende Zeit für Forschende ist, um von anderen Bereichen zu lernen und beispielsweise Brücken zwischen Pathologie, Biologie und Bioinformatik zu schlagen. Nolan erklärt, dass ein Grossteil seiner Arbeit auch auf guter Mathematik basiere und dass er für Modelle und Berechnungen entsprechende Fachleute beiziehe. 

Ideen, die Fachbereiche verbinden

Von der Komplexität seines Forschungsgebietes ist Nolan fasziniert. Schon als jungen Forscher interessierte ihn die Verbindung von Computertechnik mit biologischen Systemen und mathematischen Berechnungen. Die Ideenvielfalt im damaligen Labor von Leonard und Leonore Herzenberg in Stanford, wo er doktorierte, hat ihn stark geprägt. Darin sieht er den Grundstein seiner Innovationskraft: «Wenn man eine gute Idee hat, muss man sich dafür auch einsetzen. Im Verlauf meiner Karriere wurde mir von einflussreichen Personen gesagt, dass meine Idee nicht funktionieren würde. Dann muss man den Willen haben und Einsatz zeigen, um das Gegenteil zu beweisen.» 

Das möchte er auch seinen Studierenden weitergeben: die Offenheit gegenüber neuen Ideen und Ansätzen. «Ich dränge meine Studierenden immer dazu, den Methodenteil in Forschungsartikeln als Erstes zu lesen. Im schlechtesten Fall lässt es einen die Resultate besser interpretieren. Bestenfalls ist es das Rohmaterial, aus dem vielleicht die nächste bahnbrechende Technik entsteht.» 

An solchen neuen Techniken forscht Nolan selbst unaufhörlich. Er will die einzelnen Zellen nicht nur auf der molekularen Ebene untersuchen, sondern noch einen Schritt weitergehen. Dafür arbeitet er an einem Instrument, das auf der atomaren Ebene eingesetzt werden soll und so noch mehr Informationen zu den einzelnen Zellen erfassen kann. Der Bau des Instruments sei sehr aufwendig, es sei aber nach der Realisierung sogar über medizinische Zwecke hinaus einsetzbar. Auf die Frage hin, was denn sein ultimatives Ziel sei, antwortet er: «Natürlich arbeiten wir darauf hin, Krankheiten wie Krebs heilen zu können – das wollen wir ja alle. Aber jemand muss die Werkzeuge dazu entwickeln und weitertreiben. Deshalb sehe ich es als mein Ziel, bessere Werkzeuge zur Verfügung zu stellen und Leute zu verbinden, damit sie in ihren eigenen Forschungsgebieten weiterkommen.»
 

Über Garry Nolan

•    geboren 1961 in Grossbritannien, 1963 in die USA emigriert
•    1983, Bachelor of Science in Biology, specialization in Genetics, Cornell University, USA
•    1989, Ph.D., Department of Genetics, Stanford University, USA
•    1990-1993, Postdoctoral work in David Baltimore’s laboratory, Whitehead Institute for Biomedical Research (MIT) und Rockefeller University, USA
•    1993-1999, Assistant Professor, Department of Molecular Pharmacology, Stanford University School of Medicine, USA
•    1999-2009, Associate Professor, Department of Molecular Pharmacology, Stanford University School of Medicine, USA
•    2009-2011, Professor, Department of Microbiology and Immunology, Stanford University School of Medicine, USA
•    seit 2011, Rachford and Carlota A. Harris Professor, Department of Microbiology and Immunology, Stanford University School of Medicine, USA
 

Medieneinladung Hans-Sigrist-Symposium 2021

Am 3. Dezember 2021 findet an der Universität Bern das Hans-Sigrist-Symposium statt. Den hochdotierten Hans-Sigrist-Preis erhält 2021 Prof. Dr. Garry Nolan für seine Forschung im Gebiet der gezielten Analyse einzelner Zellen. Am Symposium wird dargelegt, wie diese Erkenntnisse für individuelle Therapien gegen Krankheiten wie Krebs eingesetzt werden können.

Hans-Sigrist-Preis und Hans-Sigrist-Symposium

Zu Beginn jedes akademischen Jahres wählt der Stiftungsrat ein Preisgebiet aus den eingereichten Vorschlägen der Fakultäten an der Universität Bern. Die Auszeichnung erfolgt in Anerkennung geleisteter Forschungsarbeiten und zur Unterstützung zukünftiger Forschungsvorhaben. Der Hans-Sigrist-Preis ist dotiert mit 100'000 Franken, um weitere Forschung im Preisgebiet anzuregen. Zwei der bisher mit dem Preis gewürdigten Forschenden haben in der Zwischenzeit einen Nobelpreis erhalten.

Dies academicus 2021

Prof. Nolan erhält den Hans-Sigrist-Preis am alljährlichen Dies academicus der Universität Bern, der dieses Jahr am Samstag, 4. Dezember, im Casino Bern am Casinoplatz 1 in Bern stattfindet.

Zur Autorin

Isabelle Aeschlimann arbeitet als Führungsunterstützung der Leitung Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

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