Damit hatten Edouard Davin und seine Kolleginnen und Kollegen nicht gerechnet. Von einer «interessanten Überraschung» spricht der Spezialist für Klimamodelle, der seit neustem an der Universität Bern forscht, mit Blick auf eine noch an der ETH Zürich entstandene Untersuchung. Sie beleuchtet die Rolle von Bäumen während Hitzephasen in europäischen Städten und zeigt, dass ihr kühlender Effekt je nach Region sehr unterschiedlich ist. Am stärksten ausgeprägt ist er in Zentraleuropa, Skandinavien und in Grossbritannien; in Südeuropa hingegen nimmt das Kühlungspotenzial speziell während Hitzephasen ab. «Der Kühlungseffekt der Bäume hängt stark vom Kontext ab», sagt Edouard Davin und ergänzt: «Weshalb das so ist, haben wir noch nicht ganz verstanden.»
Eine Hypothese: Stadtbäume wirken umso weniger kühlend, desto ausgetrockneter der Boden ist. Künftig dürfte der Klimawandel im Sommer für noch trockenere Verhältnisse sorgen – auch in Zentraleuropa. «Wir könnten deshalb in Regionen eine Abnahme der Kühlung erleben, die gegenwärtig von einem besonders hohen Kühlungseffekt profitieren», heisst es in der Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift «Nature Communications» veröffentlicht wurde. Zwar würde Bewässerung helfen, die Kühlung aufrechtzuerhalten, doch in Zukunft könnte das Wasser dazu im Sommer knapp werden.
Ein Datenschatz zum Stadtklima
Für seine Untersuchungen stützte sich das Forschungsteam auf hochaufgelöste Satellitendaten zu 293 europäischen Städten – von Tromsø in Norwegen bis Nikosia in Zypern. Mit Hilfe statistischer Methoden wurden die Landoberflächen-Temperaturen von urbanen Gebieten verglichen, die entweder ganz von Bäumen bedeckt oder vollständig überbaut sind.
Ein eher ungewohntes Feld für einen Klimamodellierer wie Edouard Davin. In seiner Doktorarbeit an der Université Pierre & Marie Curie in Paris hatte er sich damit beschäftigt, wie sich Landnutzungsszenarien in ein globales Klimamodell einbauen lassen. Später an der ETH Zürich arbeitete er mit regionalen Modellierungen und hochaufgelösten Klimasimulationen. Und er war unter anderem Hauptautor des 2019 erschienen IPCC Sonderberichts Klimawandel und Landsysteme. «In den letzten Jahren», sagt Davin, «habe ich vermehrt Modellierung und statistische Analyse von Fernerkundungsdaten verknüpft. Ich versuche, diese beiden Welten zu kombinieren.»