«Die Uni muss mit dem Markt mitwachsen»

Die Universität Bern ist im Corona-Jahr 2020 gewachsen. Sie konnte die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Forschung zeigen und hat mehr Studierende als je zuvor überzeugt, in Bern zu studieren. Verwaltungsdirektor Markus Brönnimann spricht im Interview über die Verbundenheit der Universität mit der Region und zeigt auf, dass sie dem Kanton mehr bringt, als er beiträgt.

Interview: Christian Degen 28. Januar 2021

Markus Brönnimann ist Verwaltungsdirektor der Universität Bern. © Universität Bern
Corona hat auch die Universität mit voller Wucht getroffen. Was waren die grössten Herausforderungen aus Sicht des Verwaltungsdirektors im vergangenen Jahr?

Die grössten Herausforderungen für die Universität lagen in den Bereichen Lehre und Forschung. In der Lehre musste praktisch über Nacht auf virtuellen Unterricht umgestellt werden. Durch den Lockdown hatten viele Forschende eingeschränkten oder gar keinen Zugriff auf die von ihnen benötigten Infrastrukturen, seien es Labors, Bibliotheken oder Archive. Wir erwarten hier noch über längere Zeit Probleme, wenn zum Beispiel Finanzierungen auslaufen, die Projekte aber ohne eigenes Verschulden noch nicht abgeschlossen werden können. Schwierigkeiten hatten auch einzelne Dienstleistungsbetriebe, weil der Umsatz weitgehend eingebrochen ist.

In welcher Weise war die Verwaltungsdirektion von der Pandemie betroffen?

Meine Mitarbeitenden und ich konnten uns recht gut mit den neuen Auflagen und Erschwernissen arrangieren. Wir hatten bereits vor Corona viele Prozesse digitalisiert und waren deshalb gut auf Homeoffice vorbereitet. Die Verantwortlichen für die Infrastrukturen hatten es da weniger einfach. Sie mussten in kürzester Zeit die Zugänge zu den Gebäuden neu regeln und die Einsatzplanungen für die Mitarbeitenden umstellen: Es galt in Schichten zu arbeiten, gefährdete Personen zu schützen und trotzdem immer genügend Personal vor Ort zu haben. Besonders stark gefordert waren die Bibliotheken. Sie mussten neben dem Mehraufwand wegen Corona auch noch eine grosse Umstellung auf die Swiss Library Service Plattform bewältigen. Und auch der Uni-Sport hat ein hartes Jahr hinter sich. Es konnten kaum Angebote durchgeführt werden.

War die Universität für einen so ausserordentlichen Fall gut aufgestellt? Hat etwas gefehlt?

Auf solch ausserordentliche Situationen kann sich eine Organisation fast nicht vorbereiten. Würde sie es tun, käme in normalen Zeiten schnell der Vorwurf, es würden zu viel Mittel für unwahrscheinliche Situationen eingesetzt.

Rückblickend darf ich aber behaupten, dass die Universität als Ganzes bereit war, eine derart aussergewöhnliche Situation zu bewältigen. Eine gut funktionierende Organisation hat uns erlaubt, auch in Krisen effektiv führen zu können. So hat der Krisenstab ab Mitte März dreimal wöchentlich getagt, um die aktuelle Lage zu beurteilen und die notwendigen Entscheide zeitgerecht zu fällen und zu kommunizieren.

Ein zweites wichtiges Element zur Bewältigung der Krise war und ist die Informatik. Erfreulicherweise waren die Informatikdienste in der Lage, die notwendigen Applikationen und Kapazitäten zeitnah bereitzustellen. Sie haben die Programme «Teams» und «Zoom» sehr rasch aktiviert, so dass wir für den virtuellen Unterricht und die Umstellung auf das Homeoffice innerhalb weniger Tage bereit waren. Es standen auch immer genügend Netzwerkkapazitäten und VPN-Anschlüsse bereit. Allerdings sind wir zu Beginn der Krise bei der Hardware in Lieferengpässe gekommen und es hat zunächst an ausreichend Masken und Desinfektionsmitteln gefehlt.

In Coronazeiten zeigte sich die Universität erfolgreich als Forschungsstätte, aber auch als Ausbildungsort. Sie wächst weiter und hat dieses Jahr zum ersten Mal mehr als 19’000 Studierende. Warum wird die Universität «immer grösser»?

Es ist richtig, die Universität wird in absoluten Zahlen immer grösser. Relativ zum ebenfalls wachsenden Bildungs- und Forschungsmarkt bleibt sie aber gleich gross. Dieser Markt ist sehr kompetitiv. Das bedeutet, dass wir langfristig nur dann unseren Beitrag zu Bedeutung und Produktivität des Kantons Bern leisten können, wenn wir unsere Position halten. Wir müssen also mindestens mit dem Markt mitwachsen. Dabei muss bedacht werden, dass Studierende und Forschende ausserordentlich mobil sind. Wenn wir in Bern die Lehr-, Lern- und Forschungsplätze nicht mehr bereitstellen, so gehen die «klugen Köpfe» nach Zürich, Basel oder Lausanne. Die damit verbundenen regionalwirtschaftlichen Effekte gehen in Bern verloren.

Das stetige Wachstum erfordert auch mehr Ressourcen. Kann die Universität mit dieser Nachfrage mitgehen?

Wenn wir unsere Wettbewerbsposition halten wollen, müssen wir hier mitgehen. An der Universität Bern werden 2'000 Vollzeitstellen durch Drittmittel finanziert. Jährlich kommen wegen der hohen Wettbewerbsfähigkeit unserer Forschenden zirka 60 Stellen neu dazu. Um im Wettbewerb um die nationalen und internationalen Forschungsgelder und die besten Mitarbeitenden weltweit attraktiv zu bleiben, brauchen wir die dafür nötige Infrastruktur, insbesondere räumliche und technische Kapazitäten. Und da sind wir nun in eine Situation geraten, die uns vor grosse und auch bedrohliche Probleme stellt. Es gibt grossen Erneuerungsbedarf insbesondere bei der Gebäudetechnik und der Ausrüstung etwa von Laboratorien. Verantwortlich für die Bereitstellung der Gebäude ist jedoch der Kanton Bern als Eigentümer der Universität. Wir können hier nicht selbst aktiv werden, leisten aber natürlich gerne einen Beitrag zur Lösung der aktuellen Probleme.

Sie sprechen die Eigentümerschaft des Kantons und den Bedarf an Gebäuden an. Die steigenden Bedürfnisse der Universität kosten den Kanton aber auch immer mehr?

Die Universität braucht neben einer guten Infrastruktur auch eine jährliche Grundfinanzierung. Hier ist der Kanton ein sehr zuverlässiger Partner. Die Grundfinanzierung entspricht in etwa den Beiträgen, die Bern für seine eigenen Studierenden bereitstellen müsste, wenn diese nicht an unserer Universität, sondern anderswo in der Schweiz studieren würden. Für die finanzielle Führung der Universität ist es essentiell, dass wir auf diese Grundfinanzierung zählen können. Und für den Kanton geht sein Engagement mehr als nur auf. Die Universität ist eine lohnende Investition.

Was meinen Sie mit «lohnender Investition»?

Der Kanton investiert nicht nur, sondern bekommt auch viel zurück. Die Universität entlässt jedes Jahr 4'000 Absolventinnen und Absolventen als neu ausgebildete Berufsleute. Das Gros findet im Kanton die erste Anstellung. Es darf davon ausgegangen werden, dass diese neuen Berufsleute zu wichtigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik werden. Dadurch gibt es einen «Brain Gain». Bern ist deshalb attraktiv und auch viele Ausserkantonale bleiben in Bern hängen – manchmal der Liebe wegen, aber meist, weil es hier attraktive Stellen und Arbeitsmöglichkeiten gibt. Hätte Bern keine Universität, so würden viel Bernerinnen und Berner nach dem Studium in anderen Universitätsstädten ihre erste Stelle finden, zum Schaden der Volkswirtschaft und der Innovationskraft im Kanton Bern.

Die Universität leistet noch weitere Beiträge zur Standortattraktivität der Region Bern. Neben ihrer bedeutenden Rolle für den Medizinalstandort melden unsere Forschenden Erfindungen und Patente an. Oft führt das zur Gründung von Firmen, zur Schaffung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen und zur Nachfrage nach Vorleistungen. Zudem bereichert die Universität das soziokulturelle Umfeld mit ihren Bibliotheken, dem Botanischen Garten und vielen öffentlichen Veranstaltungen.

Ausserdem sind die Universitätsangehörigen Konsumenten und Konsumentinnen sowie Steuerzahlende – das sind mit den Studierenden rund 26’000 Personen. Hinzu kommen die von der Universität eingekauften Vorleistungen, die weiteren Umsätze der Zulieferer sowie die Umsätze für das lokale Baugewerbe durch Bau und Unterhalt der Gebäude der Universität.

Die Universität Bern leistet also einen erklecklichen Beitrag zur Attraktivität und zum Image von Stadt und Kanton Bern. Jeder vom Kanton über die Grundfinanzierung in die Universität Bern investierte Franken generiert mindestens das Dreifache an regionalwirtschaftlicher Wertschöpfung, wie eine aktuelle Studie bestätigt.

Die Universität hat gerade im Krisenjahr 2020 ihre gesellschaftliche Bedeutung bewiesen, insbesondere durch die Forschung rund um das neuartige Coronavirus. Wie geht es 2021 weiter?

Seit Mitte März 2020 wissen wir definitiv, dass Prognosen zur Pandemie sehr schwierig sind, weil sich plötzlich Dinge einstellen können, mit denen überhaupt niemand gerechnet hat. Die Corona-Krise hat unsere Stärke als Volluniversität gezeigt. Wir haben wir für jedes Thema hochqualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten, ausgenommen sind nur Architektur und Ingenieurwissenschaften. So sind seit Corona unsere Expertinnen und Experten aus Epidemiologie, Virologie und Infektiologie, aber auch aus Philosophie, Ethik und Volkswirtschaft sehr gefragt. Ich hoffe wie alle, dass wir im Verlauf dieses Jahres zur Normalität zurückfinden, Präsenzlehre wieder stattfinden kann, die Forschungsinfrastrukturen ohne Einschränkungen genutzt werden können und wir insgesamt zu einem normalen Betrieb zurückfinden, mit Veranstaltungen, Apéros und unseren Mitarbeitenden vor Ort.

Zur Person

Markus Brönnimann ist seit 2018 Verwaltungsdirektor der Universität Bern. Er führt die Universitätsbibliothek, den Universitätssport und die Abteilungen Bau und Raum, Betrieb und Technik, Finanzen, Informatik sowie Personal der Universität Bern. Innerhalb der Universitätsleitung zeichnet er unter anderem verantwortlich für die Dienstleistungsbetriebe, die Vermögensanlagen, den Wissens- und Technologietransfer sowie das Risikomanagement.

Zum Autor

Christian Degen ist Leiter der Abteilung Kommunikation & Marketing der Universität Bern.

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