Berner Sommer 2021: Stadthitzeeffekt trotz Regen

Wir haben uns bereits an heisse Sommer gewöhnt, darum kam uns der vergangene Sommer besonders kühl vor. Für die Forschenden von «Urban Climate Bern» war die Saison jedoch nicht aussergewöhnlich. Will heissen: Auch die Messungen von diesem Sommer dokumentieren die Folgen des Klimawandels.

Von Kaspar Meuli 02. November 2021

Trotz Regens liess sich auch im letzten Berner Sommer der Stadthitzeeffekt messen. Screenshot aus dem Video «Klimawandel und Sommerhitze, Urban Climate Bern, Teil 4: Zwischenbilanz» der Universität Bern.
Trotz Regens liess sich auch im letzten Berner Sommer der Stadthitzeeffekt messen. Screenshot aus dem Video «Klimawandel und Sommerhitze, Urban Climate Bern, Teil 4: Zwischenbilanz» der Universität Bern.

«Mit Abstand der beste Sommer» verkündeten Plakate auf dem Gelände des Marzilibads. Der Slogan warb für die Corona-Massnahmen, doch im verregneten Sommer 2021 liess er sich – voller ungewollter Ironie – auch ganz anders lesen: Im verregneten Juni und Juli konnte von einem «besten Sommer» beim besten Willen nicht die Rede sein. Die beliebteste Badi Berns war oft menschenleer.

Diese subjektiven Eindrücke bestätigen auch die Berner Wetterdaten. An der offiziellen Messstation von Meteo Schweiz in Zollikofen wurden anderthalbmal so grosse Regenmengen gemessen wie in einem normalen Sommer. Etwas anders sah es allerdings bei den Temperaturen aus. Die 65 Messstationen des «Urban Climate Bern»-Programms, das die Folgen von Hitzewellen für die Stadt untersucht, zeigten ein differenziertes Bild: «Rein von den Messdaten her, war der Sommer 2021 nicht weit weg von der Norm», sagt der Klimawissenschaftler Moritz Burger, der für die Messungen verantwortlich war. Über den ganzen Sommer gesehen lagen die Durchschnittstemperaturen bei 18 Grad Celsius und damit immer noch um 0,6 Grad über dem Wert, der gemäss dem langjährigen Mittel zu erwarten gewesen wäre. Auch bei der Sonnenscheindauer schnitt der vergangene Sommer nur leicht unterdurchschnittlich ab: Die zu erwartende Sonnenscheindauer wurde mit 95 Prozent der Norm nur knapp verfehlt.

Rekordsommer wecken falsche Erwartungen

Woher also kommt das Gefühl, einen miesen Sommer erlebt zu haben? «Die vergangenen sechs Sommer waren in Bern überdurchschnittlich sonnig», erklärt Moritz Burger, «wir waren deshalb sehr verwöhnt.» Das wecke die Erwartung, es gehe nun in dieser Art weiter. «Für diesem Sommer traf das nicht ganz zu, und da kommt schnelle das Gefühl auf, es sei eine besonders schlechte Saison gewesen.»

Bezogen auf ganz Europa aber, so gibt der Klimaforscher zu bedenken, war der vergangene Sommer gar ausgesprochen warm. Der seit 1979 existierende Copernicus-Datensatz etwa weist ihn europaweit als den heissesten je gemessenen aus. Auch wurde ein neuer absoluter Temperaturrekord erreicht: In der Nähe von Syrakus auf Sizilien mass man am 11. August 48,8 Grad. Verantwortlich für dieses Extrem war das Hoch «Luzifer», das Süditalien diesen Sommer die siebte Hitzewelle in Folge bescherte. 

Der Stadthitzeeffekt verschwindet nicht

Zurück nach Bern und zu «Urban Climate». Das Messprogramm verfolgt das Ziel, die höchst heterogenen lokalklimatischen Verhältnisse in der Bundesstadt abzubilden und zu zeigen, wie unterschiedlich sich der städtische Wärmeinseleffekt je nach Quartier bemerkbar macht. Wie ist die Messkampagne 2021 einzuordnen? Stellen die Daten einen Ausreisser dar, oder bestätigen sie die in den vorangehenden drei Messkampagnen ermittelten Trends?

Moritz Burger: «Unser Messkampagne zeigte in diesem Sommer nicht ganz so ausgeprägte Temperaturunterschiede zwischen der Stadt und ihrem Umland. Aber auch in einem solchen Sommer ist es in der Stadt wärmer. Der Stadthitzeeffekt verschwindet nicht, er ist in einem Sommer mit vielen Wolken und weniger Sonneneinstrahlung bloss etwas schwächer ausgeprägt.»

 

Moritz Burger, Klimawissenschaftler an der Universität Bern, interpretiert die Messergebnisse dieses Sommers. Screenshot aus dem Video «Klimawandel und Sommerhitze, Urban Climate Bern, Teil 4: Zwischenbilanz».
Moritz Burger, Klimawissenschaftler an der Universität Bern, interpretiert die Messergebnisse dieses Sommers. Screenshot aus dem Video «Klimawandel und Sommerhitze, Urban Climate Bern, Teil 4: Zwischenbilanz».

Was den Forscherinnen und Forschern besonders aufgefallen ist: Kälter als in früheren Sommern war es vor allem tagsüber. In der Nacht waren die Unterschiede viel kleiner. Die Messstation in der Gerechtigkeitsgasse etwa – für besonders hohe Temperaturen bekannt – zeigte folgendes Bild: 2021 war es in der Nacht durchschnittlich 2 Grad wärmer als in Zollikofen. Im Rekordsommer 2018 waren es 2,7 Grad. Neben der Altstadt, das hat auch die diesjährige Messkampagne bestätigt, sind die heissesten Quartiere Berns der Breitenrain und der Mattenhof. Dort wurde übrigens am 14. August mit 34 Grad der Temperaturrekord des Jahres 2021 gemessen.

«Keine grossen Überraschungen», bilanziert Moritz Burger die Anfang Oktober zu Ende gegangene Messsaison. «Für unsere Forschung war es kein verlorener Sommer, wir haben es bloss mit etwas unterschiedlichen Daten zu tun, die wir nun analysieren.» Gut möglich, dass die Bernerinnen und Berner schon im nächsten Sommer wieder unter Hitzewellen zu ächzen haben werden.

 

OESCHGER-ZENTRUM FÜR KLIMAFORSCHUNG

Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forscherinnen und Forscher aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften. Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.

Über den Autor

Kaspar Meuli ist Journalist und PR-Berater. Er ist verantwortlich für die Kommunikation des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.

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