Wie Hochschulen den Wandel zur Nachhaltigkeit unterstützen

Der zweite gemeinsame Nachhaltigkeitstag der PHBern, der Universität Bern und der Berner Fachhochschule am 1. November zeigte den rund 350 Besucherinnen und Besuchern auf, wie die drei Hochschulen Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung schaffen. Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutierten darüber, was es braucht, damit Forschungsresultate Politik und Gesellschaft rascher erreichen.

Von Gaby Allheilig 04. November 2019

«Wir können die Ziele der Agenda 2030 nur durch einen tiefgreifenden Wandel erreichen»: Mit der Schlussfolgerung des unter Co-Leitung der Universität Bern erarbeiteten UNO-Weltnachhaltigkeitsberichts eröffnete Christine Häsler, Erziehungsdirektorin des Kantons Bern, den zweiten Nachhaltigkeitstag der Berner Hochschulen. Sie zeigte sich überzeugt davon, dass die Hochschulen einen sehr wichtigen Beitrag zur Transformation leisten können. Die zahlreichen Projekte, die an Ständen und Workshops an diesem Tag im Hochschulzentrum vonRoll präsentiert wurden, seien ein beeindruckendes Zeichen, so die Regierungsrätin. Dass im WWF-Bericht 2019 «Nachhaltigkeit an Schweizer Hochschulen» die Universität Bern und die Berner Fachhochschule (BFH) sehr gut abschneiden, erfülle sie mit Stolz. Sie wies allerdings auch darauf hin, dass dies allein nicht reiche. Für die Transformation zur nachhaltigen Entwicklung brauche es den Beitrag aller – auch im Kleinen.

Um die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen, brauche es den Beitrag aller, betonte Christine Häsler, Regierungsrätin Kanton Bern. Alle Bilder: Corina Lardelli, Berner Fachhochschule (BFH)
Um die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen, brauche es den Beitrag aller, betonte Christine Häsler, Regierungsrätin Kanton Bern. Alle Bilder: Corina Lardelli, Berner Fachhochschule (BFH)

Ein Zukunftsrat für die Schweiz?

Im anschliessenden Tagesgespräch diskutierten Bundeskanzler Walter Thurnherr, Peter Messerli, Direktor Centre for Development and Environment CDE der Universität Bern, sowie Robert Unteregger, Geschäftsleiter der Stiftung Zukunftsrat und Dozent an der PHBern, ob die Schweiz einen Zukunfts- oder Nachhaltigkeitsrat benötige – und wie ein solcher aufgestellt sein müsste. «Politik ist auf Kurzfristigkeit ausgelegt. Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, ist ein wissensbasiertes, systematisches, langfristiges Denken und Planen unumgänglich», so Robert Unteregger. Dafür sei ein Think-Tank zu schaffen, der im politischen Betrieb ein Vorschlagsrecht habe.

Möchte auf Bundesebene einen Zukunftsrat schaffen: Robert Unteregger, Dozent PHBern.
Möchte auf Bundesebene einen Zukunftsrat schaffen: Robert Unteregger, Dozent PHBern.

«Es braucht in der Schweiz ein radikales Umdenken in der Zusammenarbeit von Wissenschaft, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft», unterstrich Peter Messerli. Zudem gelte es, die Frage zu stellen, welche Systeme verändert werden müssten, um die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen. Bei diesen Diskussionen könnte ein Zukunftsrat eine massgebliche Rolle spielen. Allerdings könne es nicht darum gehen, einfach ein weiteres Gremium einzurichten. Vielmehr müsse dieses mit klaren Kompetenzen ausgestattet werden und «zielgerichtet den Finger auf die wunden Punkte» halten.

In der Schweiz brauche es ein radikales Umdenken in der Zusammenarbeit von Wissenschaft, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, so Peter Messerli, Professor für Nachhaltige Entwicklung an der Universität Bern.

«Man muss Mehrheiten überzeugen können»

«Ein Zukunftsrat kann nur beschränkt weiterhelfen», meinte demgegenüber Bundeskanzler Walter Thurnherr. In der Theorie seien zwar alle dafür, längerfristig zu denken und zu planen – aber nur «bis einer kommt und sagt, wir müssten uns einschränken». Daher brauche es nicht nur Expertenwissen, sondern mehr Leute, die Mehrheiten überzeugen könnten.

Expertenwissen allein reiche nicht, betonte Bundeskanzler Walter Thurnherr.

In der Publikumsdiskussion betonte Michael Gerber, bis 2018 Sonderbeauftragter der Schweiz für globale nachhaltige Entwicklung, die Notwendigkeit eines solchen Gremiums. Damit es das nötige Gewicht habe, müsse es vom Bundesrat einberufen werden. Zentral sei allerdings, dass neben Politik und Verwaltung auch andere wichtige Anspruchs- und Interessensgruppen einbezogen würden: «Nehmen wir uns Deutschland als Beispiel. Dort gibt es einen solchen Rat, der wirklich Wirkung entfaltet.»

Ideenreich aus der Komfortzone

Wie das an den Hochschulen produzierte Wissen den Weg in die Umsetzung findet, stand am Nachmittag im Podiumsgespräch zur Debatte. Das Thema Nachhaltigkeit sei in der Wirtschaft definitiv angekommen, betonte Cornelia Giger, Projektleiterin beim Swiss Economic Forum. Es sei jedoch wichtig, «dass es Pioniere gibt, die mit Leuchtturmprojekten vorangehen und bereit sind, auch ein gewisses Risiko einzugehen». Diese Vorreiter hätten erkannt, dass eine zukunftsfähige Wirtschaft nachhaltig funktioniert und sich Nachhaltigkeit und Profitabilität nicht ausschliessen. Für die nötigen Innovationen müssten Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten.

An den Hochschulen passiere punkto Nachhaltigkeit einiges, meinte Simon Buri, Präsident Verband der Studierendenschaft der BFH. Aber die Nachhaltigkeit müsse noch mehr gelebt werden. «Man muss das Thema im Unterricht erleben können. Ich bin überzeugt, dass in jedem Studienfach und Modul der Link zu einem konkreten Beispiel gemacht werden kann», so der angehende Betriebsökonom.  

Wie wird Nachhaltigkeit zum Selbstverständnis? Podium mit Simon Buri, Student BFH, Cornelia Giger, Swiss Economic Forum, Nora Wilhelm, collaboratio helvetica, und Christian Leumann, Rektor Universität Bern.

«Gesellschaft muss den Wandel wollen»

Dass die Hochschulen die Aufgabe haben, die Nachhaltigkeit in allen Bereichen zu verankern, hob auch Christian Leumann, Rektor der Universität Bern, hervor. «Die Frage ist, wie sie auf der ganzen Breite zur institutionellen Kultur und zum Selbstverständnis bei Studierenden und Dozierenden wird.» Die Universität Bern sei seit geraumer Zeit daran, das Thema Nachhaltigkeit in sämtliche Lehrveranstaltungen zu integrieren. «Dafür muss man sich Zeit nehmen, um fachspezifisch zu reflektieren, was der Beitrag sein könnte.» Trotz der Rolle, welche die Hochschulen bei der Nachhaltigkeit hätten, dürfe man aber nicht aus den Augen verlieren, dass es letztlich die Gesellschaft sei, die hinter dem Wandel zur Nachhaltigkeit stehen müsse.

Nora Wilhelm, Mitgründerin von collaboratio helvetica, sagte, sie würde den Ansatz eines sozialen Innovationslaboratoriums wählen, damit Wissen zur Umsetzung gelange. «Ich würde Unileitung, Studierende, Professorinnen und Professoren, Interessensgruppen, Künstler, vielleicht auch Kinder einladen und fragen: Was ist die Zukunft der Universität? Was kommt auf uns zu? Wo gibt es innovative Modelle?» Daraus könne etwas Neues entstehen, das man zunächst im Kleinen testen müsste. «Wenn Hochschulen auf diese Art zu Denk- und Handelsfabriken der Zukunft werden und die Menschen miteinbeziehen, zu denen sie forschen, ist das Potenzial immens.»

Nachhaltigkeitstag der Berner Hochschulen

Der Nachhaltigkeitstag der Berner Hochschulen ist ein gemeinsames Projekt der Pädagogischen Hochschule PHBern, der Universität Bern und der Berner Fachhochschule und wird unterstützt von den Studierendenverbänden der drei Hochschulen. Ziel des Tages ist es, aktuelle Themen im Bereich Nachhaltigkeit aus Lehre, Forschung und Betrieb der Berner Hochschulen sichtbar zu machen sowie den Dialog zur Nachhaltigkeit innerhalb und zwischen den Berner Hochschulen zu fördern. Zudem soll der alle zwei Jahre stattfindende Anlass den Austausch der Hochschulen mit Gesellschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu Nachhaltigkeitsthemen unterstützen. Am 1. November 2019 präsentierten die drei Hochschulen an 19 Workshops und 20 Ständen Innovationen in der Bildung für nachhaltige Entwicklung, in der Landwirtschaft, bei unseren Konsumgewohnheiten, dem Energieverbrauch oder der Mobilität.

Zur Autorin

Gaby Allheilig ist Kommunikationsverantwortliche beim Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern

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