sitem-insel: Eine schweizweit einzigartige Kooperation startet

Am Freitag, 30. August öffnet sitem-insel, das Schweizer Zentrum für Translationale Medizin, seine Türen für die breite Bevölkerung. Ziel von sitem-insel ist es, Forschungsergebnisse zum Wohle von Patientinnen und Patienten möglichst rasch in klinische Produkte und Dienstleistungen zu überführen. Die Universität Bern ist ein Gründungsmitglied dieser in der Schweiz einzigartigen Public-Private-Partnership.

Von Nathalie Matter 26. August 2019

sitem-insel, das Schweizerische Institut für Translationale und Unternehmerische Medizin, hat seit Mitte Jahr sein neues Gebäude am Eingang des Insel-Campus bezogen. Es präsentiert sich nun am Freitag, 30.8. mit einem Tag der offenen Tür. Die Universität Bern ist eines der Gründungsmitglieder von sitem-insel und akademischer Partner. Mehrere Einheiten der Universität Bern sind im sitem-insel-Gebäude eingemietet und unterstützen es mit ihrer Forschung und Infrastruktur. Gemeinsam mit Forschungsgruppen des Inselspitals Bern, Unternehmen aus der MedTech-, Biotech- und pharmazeutischen Industrie, Start-ups und anderen Partnern werden sie daran arbeiten, Innovationen aus der medizinischen Forschung möglichst rasch in ein klinisches Produkt zu «übersetzen» – daher der englische Begriff «Translation» (Übersetzung).

Das Innere des Gebäudes soll den Austausch zwischen den sitem-insel-Mitgliedern fördern. Bild: sitem-insel
Das Innere des Gebäudes soll den Austausch zwischen den sitem-insel-Mitgliedern fördern. Bild: sitem-insel

sitem-insel ist ein gemeinsames Projekt des Bundes, des Kantons Bern, der Universität Bern, des Inselspitals und der Wirtschaft, insbesondere der MedTech- und Pharmaindustrie. Es ist als Public-Private-Partnership organisiert und soll dazu beitragen, Bern als international führenden Medizinalstandort zu etablieren. Vier Einheiten der Universität Bern sind bei sitem-insel als sogenannte Plattformen der «Enabling Facilities» dabei: sie unterstützen Partner aus der Industrie sowie weitere Interessierte bei der Entwicklung von klinischen Lösungen, indem sie ihre Forschungsinfrastruktur und Expertise zur Verfügung stellen. Dazu gehören unter anderem grossräumige Labors und eine Werkstatt. Forschende wiederum, die eine Idee haben, die sie zur Marktreife bringen wollen, können den Ausbildungsgang der sitem-insel School besuchen, der auf den Übergang von der Forschung zum Produkt spezialisiert ist, oder sich beraten lassen.

Schweizweit einzigartige Konstellation

«Die Universität Bern hat ein grosses Interesse daran, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Produkte mit gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Nutzen umzuwandeln», sagt Christian Leumann, Rektor der Universität Bern. Dazu biete die schweizweit einzigartige Konstellation von sitem-insel als Public-Private-Partnership eine hervorragende Umgebung: «Sie unterstützt die Vernetzung von Klinikerinnen und Klinikern mit Forschenden der Universität sowie mit Interessierten aus der Medtech- und Pharma-Industrie». Persönlich wünscht sich Leumann, dass «sitem-insel zu einem Biotop wird, dessen Bewohner Innovation, Unternehmertum und Weiterbildung in ihrer DNA eingraviert haben.»

Für Simon Rothen, CEO von sitem-insel, bringen die interdisziplinären Forschungsgruppen der Universität eine grosse Erfahrung und Vielfalt mit: «Für die sitem-insel-Community sind sie eine grosse Bereicherung.» Als Beispiel nennt Rothen die Zahnmedizinischen Kliniken Bern (ZMK): «Sie leben Translation auf Weltniveau vor.»

Kurzer Weg für die zahnmedizinischen Labors: vom weissen ZMK-Gebäude gleich nebenan ins neue sitem-insel-Gebäude. Bild: sitem-insel
Kurzer Weg für die zahnmedizinischen Labors: vom weissen ZMK-Gebäude gleich nebenan ins neue sitem-insel-Gebäude. Bild: sitem-insel

Zahnmedizin als Musterbeispiel

Die Zahnmedizinischen Kliniken können auf eine jahrzehntelange Erfahrung in der Translation zurückgreifen: Bereits in den Siebziger Jahren wurden mit dem MedTech-Unternehmen Institut Straumann AG experimentelle Tests zu Zahnimplantaten durchgeführt. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit über 45 Jahre hinweg führte zu bahnbrechenden Produkten, die Straumann AG zu einer weltweit führenden Anbieterin von dentalen Implantaten machte. Für die Universität Bern war diese Kooperation ebenfalls von grossem Wert für die Publikation unzähliger Studien in führenden zahnmedizinischen Fachzeitschriften – mit ein Grund, dass die Zahnmedizin der Universität Bern in den zwei letzten Jahren ein Top-10 Ranking weltweit erzielen konnte. Zudem profitieren jedes Jahr rund 800 Patientinnen und Patienten, die im Rahmen der Dienstleistungen der ZMK Bern mit Implantaten behandelt werden, von heute viel besseren Behandlungsmethoden als noch vor 20 bis 30 Jahren.

Die fünf Labors der ZMK bilden gemeinsam mit Büros das «Dental Research Center» im sitem-insel-Gebäude. Es umfasst Labors aus dem Bereich Orale Mikrobiologie, Orale Zellbiologie, Orale Molekularbiologie, Orale Histologie, Kariologie und dentale Erosionen sowie Zahnärztliche Materialkunde. Die Forschenden des DRC betreiben Grundlagenforschung, die als Basis für translationale Forschung der ZMK dient. Sie arbeiten eng mit den klinischen Disziplinen der ZMK zusammen und sind international bestens vernetzt.

Am ARTORG-Center wird unter anderem der Blutfluss durch eine künstliche Herzklappe untersucht. Bild: Adrian Moser
Am ARTORG-Center wird unter anderem der Blutfluss durch eine künstliche Herzklappe untersucht. Bild: Adrian Moser

Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Medizin und Ingenieurswesen

Das ARTORG Center for Biomedical Engineering Research ist die «Ingenieursabteilung der Uni Bern» innerhalb der Medizinischen Fakultät. Es besteht aus elf interdisziplinären Forschungsgruppen, in denen führende Forschende aus dem Ingenieurswesen, Materialwissenschaft, Informatik, Life Sciences und aus Kliniken nahtlos zusammenarbeiten – mit dem Ziel, die Medizintechnik für die Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten zu verbessern. Bei sitem-insel ist das ARTORG Center mit fünf Forschungsgruppen, sechs ARTORG-Start-ups, dem Masterstudiengang «Biomedical Engineering» sowie der eigenen Werkstatt vertreten.

Die Forschung der ARTORG-Gruppen im sitem-insel befasst sich mit Fragestellungen zum Blutfluss im Herzen, muskuloskeletaler Biomechanik, der Rehabilitation motorischer Fähigkeiten nach einem Hirnschlag, computerbasierten Modellen, um chirurgische Eingriffe in der Orthopädie zu verbessern, sowie Therapiemöglichkeiten bei Blasen- und Nierenschwäche. Als Dienstleistung können in der eigenen Werkstatt Protoypen von Instrumenten oder anderen medizinischen Komponenten für Forschende, Start-ups oder andere Interessierte massangefertigt werden. Das ARTORG im sitem-insel spannt somit den gesamten Bogen von der komplexen Grundlagenforschung bis zu völlig neuartigen Behandlungsmethoden, die bereits in den Kliniken des Inselspitals eingesetzt werden.

Die sechs erfolgreichen Start-ups des ARTORG Center stehen für seine nachhaltige Translationsstrategie. Sie umfassen neue und preisgekrönte Behandlungsmethoden in der Augenheilkunde (RetinAI AG), der Lungenforschung (AlevoliX AG) und der Urologie zum Thema Harndrang (Urodea AG).

Reagieren Bakterien auf Antibiotika? Zeigt sich ein klarer Bereich, wirken die Mittel. Links Pseudomonas aeruginosa, rechts Escherichia coli. Bilder: Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern.
Reagieren Bakterien auf Antibiotika? Zeigt sich ein klarer Bereich, wirken die Mittel. Links Pseudomonas aeruginosa, rechts Escherichia coli. Bilder: Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern.

Ein Biosicherheitszentrum und Antibiotikaforschung

Das Institut für Infektionskrankheiten (IFIK) wird bei sitem-insel ein Biosicherheitszentrum schaffen. Dazu wird es sein biologisches Sicherheitslabor ins neue Gebäude zügeln. Die technische Ausrüstung des Labors und das speziell geschulte Personal gewährleisten, dass die Anforderungen an den höchsten Sicherheitsstandard erfüllt sind. Auf dem neuesten Stand der Technik können hier künftig etwa klinische Proben von Patientinnen und Patienten mit Infektionkrankheiten untersucht werden. Neben den diagnostischen Dienstleistungen, die das Labor zur Verfügung stellt, bietet das Biosicherheitszentrum auch fachliche Unterstützung und Beratung – etwa wenn Proben mit unbekannten Erregern transportiert werden müssen oder Infektionkrankheiten im Labor erforscht werden. Damit trägt es dazu bei, Mensch und Umwelt zu schützen. Das Biosicherheitszentrum des IFIK wird schweizweit das einzige sein, das in die translationale Forschung eingebettet ist: Hier können künftig zwei Labors gemietet werden, in denen beispielsweise eine Pharma-Firma mit Unterstützung des speziell geschulten IFIK-Personals eine neue Gentherapie testen kann.

Neben dem Biosicherheitszentrum wird auch ein Kompetenz-Netzwerk für biologisches Risikomanagement aufgebaut mit dem Ziel, die Institutionen und Labors der Hauptstadtregion Schweiz zu verbinden und deren Know-How und Infrastruktur regional und auch national zu bündeln, um etwa auf den Ausbruch neuauftretender Infektionskrankheiten bestmöglich gerüstet zu sein. Zu diesem Netzwerk sollen nicht nur Institutionen der Universität und des Inselspitals sowie des Bundes gehören, sondern auch kantonale und nationale Behörden sowie Blaulicht-Organisationen.  

Ebenfalls ins sitem-insel-Gebäude wechselt anresis.ch, das vom IFIK im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) betriebene Schweizerische Zentrum für Antibiotikaresistenzen. Die Forschenden von anresis.ch stehen in einem regen Wissensaustausch mit internen und externen Forschungsgruppen. anresis.ch beobachtet den Antibiotikaverbrauch in der Schweiz und setzt sich dafür ein, dass sich die nationale Antibiotikaresistenz-Situation verbessert.

Vorher-Nachher: das Haus links war früher einer der Standorte der CTU – am exakt selben Standort befindet sich heute das sitem-insel-Gebäude. Bilder: CTU und sitem-insel
Vorher-Nachher: das Haus links war früher einer der Standorte der CTU – am exakt selben Standort befindet sich heute das sitem-insel-Gebäude. Bilder: CTU und sitem-insel

Eine Studienambulanz für klinische Forschung

Die Clinical Trials Unit (CTU) von Universität und Inselspital Bern hat nach mehreren Provisorien auf dem Inselareal nun im sitem-insel-Gebäude neue, hochmoderne Bleibe gefunden. Hier wird der klinische Aspekt von Studien durchgeführt werden, während der regulatorisch-behördliche Teil – das Datenmanagement, die Statistik und andere Aspekte – am bisherigen Unistandort verbleibt. Die Studienambulanz der CTU steht für Auftragsforschung zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit Spitälern, Forschenden oder Pharmafirmen werden neue Medikamente getestet oder bestehende Therapien verbessert – indem beispielsweise ihre Dosierung oder die Interaktion von Pharmaka mit anderen Mitteln untersucht werden. Die CTU bezieht zusätzlich auch Büros bei sitem-insel und wird so über mehr Fläche und mehr Kapazitäten verfügen.

Tag der offenen Tür sitem-insel am Freitag, 30.08.2019

Der Tag der offenen Tür findet von 10–16 Uhr im sitem-insel-Gebäude an der Freiburgstrasse 3 statt.

Das Dental Research Center der Zahnmedizinischen Kliniken präsentiert sich mit Rundgängen durch die verschiedenen Labors und zeigt auf Postern und Videos das Forschungsspektrum – darunter zu Parodontitis und Alzheimererkrankung. Dazu gibt es Einblicke in die Forschungsmethoden: so können die Besucherinnen und Besucher einen Blick auf Patientenzellen werfen und erfahren, wie die Wundheilung im Labor erforscht wird.

Das ARTORG Center stellt sich mit seinen Gruppen, Start-ups, der Werkstatt und seinem Masterstudiengang vor. Besucherinnen und Besucher können sich im Eingangsbereich über das Forschungsportfolio informieren und in den Räumlichkeiten der Forschungslabors unter anderem ein Herzflussmodell sehen, alles über die Behandlungsmöglichkeiten bei Skoliose oder Inkontinenz erfahren sowie ihre Mobilität mit einem Roboter trainieren.

Das IFIK wird mit anresis.ch über den Antibiotikakonsum in der Schweiz informieren und einen Film zeigen, sowie das Biosicherheitszentrum und das «Biorisk Management Network» vorstellen.

Die CTU, die erst gerade eingezogen ist, wird einen Rundgang durch die Ambulanz anbieten, Poster zu ihrer Tätigkeit zeigen und anhand einer Fotoreportage die bisherigen Standorte wiederaufleben lassen.

Zur Autorin

Nathalie Matter arbeitet als Redaktorin bei Media Relations und ist Themenverantwortliche «Gesundheit und Medizin» in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

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