Kinder erreichen, was Experten nicht geschafft haben
Während Expertinnen und Experten – gerade auch der Universität Bern – jahrzehntelang ohne grosses Echo vor den Folgen Klimawandels gewarnt hatten, finden Schülerinnen und Schüler nun plötzlich auch auf der politischen Bühne Gehör. «Ist das für Sie nicht frustrierend?», wollte Meuli von Martin Grosjean wissen, dem Direktor des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung. «Für uns ist es tatsächlich erstaunlich, dass eine Bewegung, die aus dem Nichts kam, eine staatstragende Partei wie die FDP zum Umdenken bewegen konnte», so Grosjean. «Das ist uns nicht gelungen, obwohl wir uns seit 1992 regelmässig mit den politischen Entscheidungsträgern treffen.»
Ist die «Klimajugend» also ein singuläres gesellschaftliches Phänomen? Adrian Vatter, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft, zog Parallelen zur 68er-Bewegung, insbesondere in Bezug auf die Kapitalismuskritik. «Aber die Klimastreikenden sind sehr viel jünger und die Dringlichkeit ist viel grösser», sagte er. Bei den 68ern sei der Zeitdruck nicht so gross gewesen: «Man hat sich ein, zwei Generationen Zeit gegeben.» Mit dem jetzigen Zeitdruck sei die Politik heillos überfordert, wie übereinstimmend alle Podiumsteilnehmenden feststellten. So dauert der Gesetzgebungsprozess in der Schweiz rund 10 bis 15 Jahre – und der Vollzug ist damit noch lange nicht garantiert. Allerdings dürfte sich das Thema unmittelbar bei den Wahlen niederschlagen. «Die Grünen werden sicher profitieren, die SVP vielleicht etwas verlieren», so Vatter. «Insgesamt wird das Thema aber nicht zu einem kompletten Umbau der politischen Landschaft in der Schweiz führen». Olivia Romppainen-Martius, Leiterin der Gruppe für Klimafolgen am Geographischen Institut, hat immerhin festgestellt, «dass die Realität des Klimawandels nicht mehr ständig in Frage gestellt wird.» Vielmehr fragten die Leute, wie man den CO2-Ausstoss reduzieren könne. Diese Frage sei aber leider sehr komplex und nicht einfach zu beantworten. Ihr Appell: Alle Parteien müssten das Thema aufgreifen und auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Nicht-Handelns aufzeigen.
Dieser Ball wurde vom Publikum aufgegriffen. «Ich sehe keine Ökonomen auf dem Podium. Ist das bei unseren Wirtschaftswissenschaften überhaupt ein Thema?» wollte eine Zuhörerin wissen. Martin Grosjean wies in seiner Antwort darauf hin, dass die Universität Bern mit dem früheren, mittlerweile emeritierten Vizerektor Gunter Stephan einen der ersten Umweltökonomen überhaupt in ihren Reihen hatte. «Für uns ist sonnenklar, dass der Klimawandel längst kein rein naturwissenschaftliches Problem mehr ist», hielt Grosjean fest. Allerdings sei die Ökonomie an der Universität Bern wenig interdisziplinär aufgestellt. Immerhin seien – auch dank dem Oeschger-Zentrum – zwei Klimaökonomen in Bern tätig.