«Eine Professur anzustreben erfordert harte Arbeit, Mut und Geduld»

Carmen Faso gehört zu den ersten Empfängerinnen eines SNF PRIMA Grants, die sich an hervorragende Forscherinnen mit hohem Potenzial für eine Professur richten. Die Zellbiologin hat kürzlich mit ihrem Forschungsprojekt zu Darmparasiten am Institut für Zellbiologie der Universität Bern begonnen.

Interview: Ivo Schmucki 02. Oktober 2019

Sie sind einer der ersten Empfängerinnen eines SNF PRIMA Grants. PRIMA steht für «Promoting Women in Academia». Mit den Grants werden hervorragende Forscherinnen, die ein hohes Potenzial für eine Professur aufweisen, gefördert. Was bedeutet der Grant für Sie? 
Carmen Faso: Mit diesem Grant habe ich die wunderbare Möglichkeit, alles, was ich in den letzten Jahren gelernt habe, anzuwenden, meine eigene Forschungsgruppe zu leiten und mich weiter als unabhängige Forscherin zu entwickeln. Es war schon immer mein berufliches Ziel, eine unabhängige akademische Forscherin zu werden, ein eigenes Labor und eine eigene Forschungsrichtung zu gründen und junge Kolleginnen und Kollegen beim Aufbau ihrer akademischen Karriere zu unterstützen. Dieser Grant bringt mich meinen Zielen deutlich näher.

Carmen Faso im Labor am Institut für Zellbiologie der Universität Bern. © Universität Bern

Ihr PRIMA-Projekt «The road less travelled: Parasites as models for unconventional protein secretion at the host-pathogen interface» hat diesen Monat begonnen. Können Sie mit einfachen Worten erklären, worum es bei dem Forschungsprojekt geht?
Einfach ausgedrückt geht es um Kommunikation. Parasiten sind potenziell krankheitserregende Organismen, die auf molekulare Kommunikation mit ihren Wirten angewiesen sind, um ihre Ernährung, Vermehrung und Verbreitung aufrechtzuerhalten. Hauptsächlich möchten wir mit dem Projekt die Mechanismen identifizieren und untersuchen, die dem ständigen Fluss molekularer Informationen zwischen Parasiten und Wirten zugrunde liegen. Das ist ein Thema, das mich seit einigen Jahren fasziniert. Ich werde diese Herausforderung mit Giardia und Entamoeba, zwei einzelligen Darmparasiten als mein «lebendes Labor», angehen. Ich habe das Glück, bei meinem Projekt mit Expertinnen Experten aus ganz Europa zusammenzuarbeiten und zwei ausgezeichnete Teammitglieder gewonnen zu haben.

Die meisten Menschen würden wahrscheinlich etwas anderes als Darmparasiten als Forschungsobjekt wählen. Warum sind Sie fasziniert von ihnen?
Gute Frage. Als Biologin bin ich immer wieder erstaunt über die unzähligen Arten, wie die Vielfalt des Lebens dieselben grundlegenden Abläufe neu erfindet und gestaltet. Giardia und Entamoeba haben sich herausgebildet, um das zu tun, was unsere eigenen Zellen tun, indem sie verschiedene Bausteine innerhalb der Zellen mit einer viel einfacheren Architektur verwenden. Das bedeutet, dass wir diese Arten als vereinfachte Modelle verwenden können, um Prozesse zu untersuchen, die in unseren eigenen Zellen zu komplex sind, um sie zu analysieren.

Können Sie einen typischen Arbeitsalltag beschreiben? 
Ich habe meine Stelle am 2. September angetreten, eine wirkliche Routine ist also noch nicht aufgekommen. In den letzten Wochen war ich viel in Meetings, habe Sicherheitstrainings absolviert und versucht zu lernen, wie man das Beste aus vier Stunden Pendelzeit macht. Im Moment beginnt mein Tag mit Mail-Korrespondenz im Zug ab Zürich um 6.30 Uhr und einem Kaffee am Bahnhof Bern. Danach lege ich zusammen mit meinem Laborleiterin Tagespläne fest, erstelle lange Listen mit Reagenzien, die wir für die Experimente benötigen, und kümmere mich um die komplette Laborausstattung. Den Vollbetrieb nehmen wir im Oktober auf.

Die PRIMA-Förderung beinhaltet Ihr Salär sowie Projektmittel für die nächsten fünf Jahre. Wie werden Sie die Projektmittel verwenden?
Mit den Mitteln konnte ich bereits Dr. Wirdnam als meine Mitarbeiterin und Laborleiterin beschäftigen. Zudem wird mit Frau Balmer auch eine Doktorandin im Januar 2020 ihre Promotion in meiner Gruppe beginnen. Auch gedeckt sind Laborverbrauchsmaterialien, Reagenzien und verschiedene Dienstleistungen, wie etwa von der Proteomics Mass Spectrometry Core Facility der Universität Bern, des Center for Image Microscopy and Image Analysis an der Universität Zürich, Cloud Computing und Datenspeicherung an der S3IT-Einheit der Universität Zürich und für die BlueCrystal high-performance computing platform an der Universität Bristol. Zudem ermöglichen mir die Projektmittel kurze Forschungsaufenthalte im Ausland und schliesslich kann ich davon die Kosten für Open Access Publikationen tragen.

Sie sind mit dem PRIMA Grant von der Universität Zürich nach Bern gezogen. Warum haben Sie sich für die Universität Bern entschieden?
Das Institut für Zellbiologie der Universität Bern hat sich aus verschiedenen Gründen als idealer Standort erwiesen. Das IZB ist der Zellbiologie gewidmet und einer seiner drei thematischen Schwerpunkte ist die Molekulare Parasitologie, meine Hauptdisziplin. Darüber hinaus ist es ein sehr unterstützendes und hochproduktives Institut, das sich perfekt für einen angehenden Gruppenleiterinnen und -leiter eignet. Nicht zuletzt ermöglicht Bern eine gute Work-Life-Balance in Bezug auf die Pendelzeit von Zürich aus, wo meine Familie und ich derzeit leben.

Der SNF hat PRIMA lanciert, um die Unterrepräsentation von Professorinnen an Schweizer Hochschulen anzugehen. Warum sind Förderungsinstrumente wie PRIMA so wichtig? Was sind Ihre eigenen Erfahrungen?
Ich kann nicht sagen, ob meine Karriere bisher von meinem Geschlecht beeinflusst wurde, bisher habe ich das nicht wahrgenommen. Dennoch ist offensichtlich, man es bisher nicht geschafft hat, in den höheren akademischen Führungsebenen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen. Das sollte uns allen Sorge bereiten, wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der Nachwuchsforschenden Frauen sind. Dazu kann ich auch sagen, dass ich selbst nur sehr wenige weibliche Karrieremodelle erlebt habe und das beste Mentoring kommt fast ausschliesslich von Männern. Das ist beunruhigend, und die PRIMA Grants sind ein willkommenes Instrument, um dieses Problem direkt anzugehen.

Was empfehlen Sie anderen jungen Wissenschaftlerinnen, die Professorinnen werden wollen?
Unabhängig vom Geschlecht würde ich allen Nachwuchsforschenden empfehlen, sich genau zu überlegen, weshalb sie eine Professur anstreben. Dieses Karriereziel und die beruflichen und persönlichen Beziehungen, die man zu Mitarbeitenden entwickelt, können unglaublich bereichernd sein. Sie werden aber oft erst nach mehreren Jahren der Prekarität und Unsicherheit erreicht. Eine Professur anzustreben erfordert deshalb harte Arbeit, Geduld, übergreifende Kompetenzen, Frustrationstoleranz, ausgezeichnete Mitarbeitende, eine gute Portion Glück, und den Mut, an den eigenen Zielen trotz der Widrigkeiten festzuhalten.

ZUR PERSON

Carmen Faso wurde in Rom (Italien) geboren. Von 1996 bis 2003 absolvierte sie ihren Bachelor und Master in Biowissenschaften an der Universität Rom III. Sie promovierte unter der Leitung von Professor Wilhelm Gruissem an der ETH Zürich und erhielt 2008 ihren Doktortitel (Dr. rer. nat.). Nach einem ersten Postdoc Fellowship am Plant Research Laboratory der Michigan State University (USA) wechselte sie 2010 in die Gruppe für Molekulare Parasitologie von Professor Adrian Hehl am Institut für Parasitologie der Universität Zürich, zunächst als Postdoc und dann als Oberassistentin (Junior Group Leader). Während dieser Tätigkeit beschäftigte Sie sich mit molekularen Mechanismen, die an der Bildung von Parasitenzysten, am Wachstum und an der Ernährung von Parasiten beteiligt sind. Parallel dazu eignete sie Kompetenzen in den Bereichen Didaktik, Personal- und Ressourcenmanagement, Projektmanagement sowie wissenschaftliche Verwaltung und Publishing an. Im Jahr 2018 erhielt Dr. Faso ein SNF PRIMA Grant, mit dem sie im September 2019 eine eigene Forschungsgruppe an der Universität Bern gründete.

Kontakt:

Dr. Carmen Faso
Institut für Zellbiologie
Universität Bern
E-Mail: carmen.faso@izb.unibe.ch

DIE PRIMA-BEITRÄGE DES SNF

DIE PRIMA-Beiträge des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) richten sich an hervorragende Forscherinnen, die ein hohes Potenzial für eine Professur aufweisen. PRIMA-Beitragsempfängerinnen führen ein Forschungsprojekt unter ihrer Leitung und mit einem eigenen Team an einer Schweizer Forschungsinstitution durch.

Ein PRIMA-Beitrag umfasst das Salär der Beitragsempfängerin sowie Projektmittel für eine Dauer von fünf Jahren. Während des PRIMA-Beitrags ist es möglich, einen Aufenthalt an einer anderen Institution zu planen. Mit diesem kompetitiven Beitrag profilieren sich die PRIMA-Beitragsempfängerinnen für die nächste Stufe ihrer akademischen Karriere: Eine Professur. Aktuell läuft die dritte Ausschreibung für PRIMA-Beiträge.

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ZUM AUTOR

Ivo Schmucki arbeitet als Redaktor bei Media Relations und Corporate Publishing in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern. Er ist Themenverantwortlicher «Natur und Materie».

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