Herr Schläppi, in einer kürzlich veröffentlichten Studie in «Nature Communications» berichten Sie, dass Maispflanzen gezielt Abwehrstoffe in den umliegenden Boden absondern. Was haben Sie genau herausgefunden?
Klaus Schläppi: Es ist schon seit langem bekannt, dass Pflanzen wie zum Beispiel Mais die Eigenschaften des umliegenden Bodens durch Ausscheiden von einer Vielzahl chemischer Stoffe verändern. Die Pflanzen beeinflussen den Bodenbereich der die Wurzeln umgibt und schaffen sich somit ideale Wachstumsbedingungen. Diese Beeinflussung des Bodens ist oftmals anhaltend und bestimmt dann auch das Wachstum der nächsten Pflanzengeneration. Man spricht in diesem Fall von «Pflanzen-Boden-Feedbacks». In Zusammenarbeit mit Professor Matthias Erb von der Universität Bern und dem Forschungsinstitut Agroscope konnten wir nun in Feld- und Gewächshausversuchen erstmals den Mechanismus einer solchen Wechselwirkung zwischen Pflanze und Boden entschlüsseln.
Und wie funktioniert diese Wechselwirkung genau?
Maispflanzen geben über die Wurzeln sogenannte Benzoxazinoide – das sind klassische Abwehrstoffe von Getreidepflanzen – in den Boden ab. Diese Stoffe verändern die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft, die entscheidend ist für die Eigenschaften des umliegenden Bodens. Wir haben festgestellt, dass eine neue Generation von Maispflanzen, die in Benzoxazinoid-konditionierten Böden wurzeln, resistenter sind gegen Schadinsekten und somit besser wachsen. Der Mais bekämpft die Schädlinge also nicht direkt, sondern schafft im umliegenden Boden Verhältnisse, die der nächsten Generation bei der Abwehr gegen Schädlinge hilfreich sind. Der Vorteil dabei ist, dass die Verhältnisse im Boden bestehen bleiben, auch nachdem die Pflanze abgestorben ist. Auch die folgenden Pflanzengenerationen profitieren noch von den ausgeschiedenen Benzoxazinoiden und können besser gedeihen.
Das sind also gute Neuigkeiten für die Landwirtschaft?
Ganz genau, die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft hat bei Pflanzen einen grossen Einfluss auf die Gesundheit und Produktivität und ist somit landwirtschaftlich hochrelevant. Gerade unser Befund zeigt das. Es wäre denkbar, gezielt stark Benzoxazinoid-produzierende Sorten anzubauen, damit diese die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden steuern, um die Resistenz gegen Schädlinge in der Folgekultur zu erhöhen. Das könnte in Zukunft dazu führen, dass im Ackerbau weniger Insektizide eingesetzt werden müssen. Bisher werden diese nützlichen Eigenschaften der mikrobiellen Gemeinschaften allerdings noch kaum beachtet.
In welchem Zusammenhang steht das Ergebnis dieser Studie zur Interfakultären Forschungskooperation (IFK) «One Health»? Dort werden ja die Zusammenhänge zwischen mikrobiellen Gemeinschaften und der Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch untersucht?
Unsere Arbeit zeigt, dass mikrobielle Gemeinschaften an der Schnittstelle zwischen Biomen – hier zwischen Boden und Pflanzen – die Gesundheit des Gesamtsystems entscheidend beeinflussen. Das fällt genau in den Themenbereich von «One Health», weil wir verstehen wollen, wie bestimmte Stoffe, zum Beispiel Benzoxazinoide, die Gesundheit von Böden, Pflanzen und via Nahrung letztlich von Tieren und Menschen beeinflussen. Die Studie bietet also eine optimale Grundlage für dieses Vorhaben.