«uniaktuell»: Sie erforschen in Ihrer IFK die Rolle von Religion in politischen und sozialen Konflikten. Was ist das Neue an Ihrer Fragestellung?
Katharina Heyden und Martino Mona: Bisher hat sich die Forschung häufig auf die Frage beschränkt, ob Religionen in Konflikten für ökonomische und politische Zwecke missbraucht werden oder aber, ob Religionen selbst Konfliktpotentiale aufweisen. Wir gehen davon aus, dass Religionen Konflikte sowohl verursachen und verschärfen als auch positiv beeinflussen können. Es ist daher wichtig zu verstehen, unter welchen historischen und politischen Bedingungen Religionen ihre konfliktverursachenden Potentiale entfalten und unter welchen sie zur positiven Transformation von Konflikten beitragen. Wir werden untersuchen, wie in der Vergangenheit mit religiösen Konflikten umgegangen wurde und warum bestimmte Lösungsstrategien erfolgreich oder gerade nicht erfolgreich sind.
Warum kann Ihre Forschungsfrage nur fächer- respektive fakultätsübergreifend beantwortet werden?
Konfliktforschung kann nur mit interdisziplinären und vergleichenden Methoden zielführend betrieben werden. Das gilt ganz besonders für Konflikte mit religiösen Komponenten – wir können sie nur dann umfassend verstehen, wenn wir zwischen den religiösen Binnenperspektiven und der soziologischen und kulturwissenschaftlichen Perspektive wechseln. Wenn hingegen nebeneinander und nicht miteinander geforscht wird, entwickeln beide Seiten eigene Terminologien und abgeschottete Diskurse, die konstruktive Dialoge und tragfähige Lösungsansätze erschweren oder gar verunmöglichen.
Wie wird die Zusammenarbeit konkret aussehen?
Die tägliche Forschungsarbeit wird in den interdisziplinären Forschungsgruppen von je drei bis sechs Forschenden geleistet. Diese werden jeweils von mindestens zwei Professorinnen oder Professoren unterschiedlicher Fächer geleitet. Im Antrag haben wir diese Art der Zusammenarbeit «grassroots interdisciplinarity» genannt. Alle Doktorierenden und Postdocs treffen sich darüber hinaus im Semester zu einem wöchentlichen Jour fixe. Höhepunkte werden die vier Jahreskonferenzen sein, die auch die Sichtbarkeit der IFK in der Stadt Bern verstärken werden.
Wo liegen die Herausforderungen des fach- respektive fakultätsübergreifenden Arbeitens in Ihrer spezifischen Frage?
Die Komplexität des Themas und das interdisziplinäre Vorgehen machen die verschiedenen Teilprojekte sehr divers. Das kann dazu führen, dass das gemeinsame Ziel etwas aus den Augen verloren geht. Um dies zu verhindern, haben wir einerseits Wert auf einen gemeinsamen theoretischen Zugang und die einheitliche Verwendung der zentralen Konzepte «Religion» und «Coping» gelegt. Zum anderen füllen die Leiterinnen und Leiter der Teilprojekte jährlich einen Fragebogen aus, der Angaben über das Voranschreiten der Projekte, Teilergebnisse, Schwierigkeiten und weiterführende Kooperationsmöglichkeiten enthält.
Wie würden Sie das bestmögliche Ergebnis beschreiben?
Im Idealfall können wir nach vier Jahren ein historisch und empirisch fundiertes Modell vorlegen, das die Rolle von Religion in Konflikten differenziert beschreibt. Auf dieser Grundlage könnten dann Tools zur Analyse von religiösen Konflikten entwickelt werden.
Welchen Nutzen könnten Ihre Forschungsergebnisse für die Gesellschaft haben?
Aktuell erleben wir eine Debatte über die «Rückkehr des Religiösen» im öffentlichen Raum und den gleichzeitigen Bedeutungsverlust der Religionen in modernen, westlich geprägten Gesellschaften. Weil unsere IFK einen wichtigen Beitrag zu dieser Debatte liefert, ist sie von grundsätzlicher gesellschaftlicher Bedeutung. Unsere Analysetools sollen der politischen Öffentlichkeit nicht nur helfen, die tatsächlichen religiösen Dimensionen besser zu verstehen, sondern auch wirksame und kontextspezifische Lösungen – nicht zuletzt im Umgang mit religiös fundamentalistischem Terrorismus – zu entwickeln.
Inwiefern orientiert sich Ihre Fragestellung an der Strategie der Universität Bern?
Mit dieser IFK unterstreicht die Universität Bern den dringenden Bedarf an zielgerichteter interdisziplinärer Forschung im Hinblick auf gangbare Lösungen für religiöse Konflikte. Die IFK ist eng verbunden mit der strategischen Planung der Universität Bern. Zum einen baut sie auf dem ausgezeichneten Ruf der Universität Bern im Bereich «Interkulturelles Wissen», einem der fünf Themenschwerpunkte, auf. Zum anderen ist die Erarbeitung von Lösungsstrategien auch eingebettet in einen weiteren Themenschwerpunkt der Universität Bern: «Politik und Verwaltung».
Worauf freuen Sie sich am meisten bei der Interfakultären Forschungskooperation?
Auf einen inspirierenden Austausch mit jungen Forschenden aus aller Welt und geschätzten Kolleginnen und Kollegen der verschiedensten Fächer. Auf lebhafte Diskussionen, die – angesichts des ernsten und kontroversen Themas – mit Sorgfalt, Scharfsinnigkeit, Empathie und der nötigen Prise Humor geführt werden. Und auf die vielen Spaziergänge zwischen UniTobler, UniS und VonRoll in den kommenden vier Jahren.