«Es liegt noch viel Arbeit vor uns»

Die Vorstellung, dass die Erde sich erwärmt, ist nicht nur ein Thema für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit dem Hier und Jetzt beschäftigen, sondern auch für jene, die in die Vergangenheit blicken. Führende Paläowissenschaftler und -wissenschaftlerinnen trafen sich vom 5. bis 7. April an der Universität Bern anlässlich eines Workshops des Paläoklimanetzwerkes PAGES zum Wissensaustausch und um gemeinsam an einer Veröffentlichung für einen Bericht des Weltklimarats (IPCC) zu arbeiten.

Von Angela Wade 11. April 2017

Beim Workshop handelte es sich um das erste Treffen im Rahmen des Programms «Warmer Worlds Integrative Activity» des Netzwerkes Past Global Changes PAGES. Ziel der Aktivitäten ist die Synthese der Ergebnisse verschiedener PAGES-Arbeitsgruppen zur Vorbereitung eines Beitrags der Paläowissenschaften zu einem separaten Bericht des Weltklimarats (IPCC Special Report), der 2018 veröffentlicht werden soll und der sich mit den Auswirkungen einer globalen Erwärmung um 1,5°C gegenüber der vorindustriellen Zeit beschäftigen wird.

Die PAGES-Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer. Alle Bilder: zvg PAGES
Die PAGES-Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer. Alle Bilder: zvg PAGES

Die Vergangenheit studieren, um die Zukunft vorauszusagen

Die Paläowissenschaften befassen sich mit der Vergangenheit. Der Workshop an der Universität Bern deckte den Zeitraum vom Pliozän vor 5 Millionen Jahren bis in die jüngste Vergangenheit ab. Wie lässt sich die Klimaforschung, die sich mit Zeiten beschäftigt, in denen sehr unterschiedliche klimatische Bedingungen herrschten, so verknüpfen, dass Voraussagen für die Zukunft möglich werden?

Genau darin bestand das herausfordernde Ziel im Workshop «Lessons learnt from paleoscience on a possible 1.5-2°C warmer world in the future», zu dem rund 50 führende Paläowissenschaftlerinnen und –wissenschaftler sowie junge Forschende aus der ganzen Welt angereist waren.

Grosse Informationsfülle

Organisiert worden war der Workshop von Hubertus Fischer (Universität Bern), Alan Mix (Oregon State University, USA) und Katrin Meissner (University of New South Wales, Australia). 

Hubertus Fischer begrüsste die Anwesenden im Kuppelraum im Hauptgebäude der Universität Bern.
Hubertus Fischer begrüsste die Anwesenden im Kuppelraum im Hauptgebäude der Universität Bern.

Fischer sagte, Forschende zusammenzubringen, die sich in ihrer Arbeit mit einem so breiten Zeitspektrum befassen, sei ein idealer Start für den Beitrag für den Weltklimarat. «Wir haben eine Fülle von Informationen beieinander – über Eisbohrkerne, über die Veränderung des Meeresspiegels, zu Prozessen im Ozean und in Ökosystemen und vielem mehr», betonte Fischer. «Wir können uns ein sehr umfassendes Bild der Erde machen, aber die richtigen Schlüsse zu ziehen, das ist die grosse Herausforderung.»

Forschungsergebnisse aus der Paläoklimatologie sind nützlich, um Voraussagen über Auswirkungen, die eine wärmere Zukunft mit sich bringt, zu machen. Fischer erklärt: «Wir sind in der Lage, gewisse Auswirkungen vorauszusagen – Auswirkungen, die Menschen je nachdem, wo sie leben, unterschiedlich betreffen werden, so beispielsweise das Risiko, eines Meeresspiegelsanstiegs um sechs Meter, die drastischen Veränderungen im Ökosystem oder die Konsequenzen, wenn Getreide nicht mehr in den selben Regionen wachsen wird. In der Schweiz zum Beispiel wird der Rückgang der Gletscher einen grossen Einfluss haben auf die Wasserversorgung und somit die Landwirtschaft und die Energieproduktion.» Gemäss Fischer wird dies sehr wahrscheinlich in den nächsten 100 Jahren der Fall sein.

Eine Studie in Echtzeit verfassen

Um den Prozess in Bewegung zu setzen und unmittelbare Beiträge zu fördern, wurde bereits während dem Workshop mit der Arbeit an der Veröffentlichung begonnen, die ein Beitrag für den Bericht des Weltklimarats darstellen wird. Dieses Verfassen einer wissenschaftlichen Studie in Echtzeit ist ein neuer Ansatz im Wissenschaftsbetrieb. 

Alan Mix war sehr zufrieden mit den Ergebnissen des Workshops und dem Stand der Studie: «Wir wissen, dass noch viel Arbeit vor uns liegt; das ist aber nichts Aussergewöhnliches.» Mix weiter: «Es war ein tolles Team mit unglaublichen Talenten im Raum und vielen erstaunlichen und engagierten jungen Forschenden. Was diese Arbeitsgruppe von anderen unterscheidet, ist, dass Leute zusammengekommen sind und zusammengearbeitet haben, die normalerweise nicht direkt miteinander zu tun haben.»

Inspiration durch Interaktion

Willy Tinner, Co-Direktor von PAGES und Leiter der Abteilung Paläoökologie am Institut für Pflanzenwissenschaften an der Universität Bern.
Willy Tinner, Co-Direktor von PAGES und Leiter der Abteilung Paläoökologie am Institut für Pflanzenwissenschaften an der Universität Bern.

Die aussergewöhnliche Zusammenarbeit waren für viele der Teilnehmenden einer der Höhepunkte des Workshops, so auch für Willy Tinner, der Co-Chair von PAGES und Leiter der Abteilung Paläoökologie am Institut für Pflanzenwissenschaften an der Universität Bern. Tinner sagte, der Workshop habe sein Wissen durchgeschüttelt: «Normalerweise trifft man an Konferenzen auf Forschende aus verwandten Gebieten. Ein solcher Workshop wie dieser mit all den brillanten Leuten, die auf ihrem Gebiet weltweit bedeutende Forschung betreiben, bringt einen wirklich weiter». Über neue Dinge und Zusammenhänge nachzudenken, die er vorher nicht in Betracht gezogen habe, hätten ihn dazu gebracht, sein Wissen zu hinterfragen, so Tinner weiter.

Neben der Arbeit im Plenum fanden auch Wissensaustausch und Arbeiten am Bericht für den Weltklimarat in kleineren Gruppen statt.
Neben der Arbeit im Plenum fanden auch Wissensaustausch und Arbeiten am Bericht für den Weltklimarat in kleineren Gruppen statt.

Qing Yan, assoziierter Professor an der Chinese Academy of Sciences untersucht in seiner Forschung Eisschilde und tropische Wirbelstürme. Auch er zeigte sich von der Breite der Präsentationen beeindruckt: «Mein Fachgebiet sind aktuelle globale Klimamodelle. Hier habe ich aber von Daten aus den Paläowissenschaften erfahren, die zum Beispiel zurückgehen bis zur letzten Warmzeit vor 130'000 Jahren und dem Holozän vor 10'000 Jahren.»

Nerilie Abram, assoziierte Professorin an der Australian National University, beschäftigt sich mit dem Klima der vergangenen 2'000 Jahre. Sie fand das Zusammentreffen von so unterschiedlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die aber alle das gleiche Ziel verfolgen, sehr inspirierend: «Wir hatten in der Gruppe das Gefühl, dass wir an etwas sehr Konkretem arbeiten – all das, über das wir gesprochen haben, floss ineinander und wir wissen nun, inwiefern wir etwas zu dem speziellen Bericht des Weltklimarts beitragen können.»

Nerilie Abram von der Australian National University, im Hintergrund Qing Yan von der Chinese Academy of Sciences.
Nerilie Abram von der Australian National University, im Hintergrund Qing Yan von der Chinese Academy of Sciences.

Die breite Perspektive der Paläowissenschaften zu berücksichtigen wird für den gesamten Bericht des Weltklimarat enorm wichtig sein. «Wir schreiben für Leute, die selber nicht Palöwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind, für den Bericht und aber auch darüber hinaus», sagte Mix. «Es wird ein weiteres Treffen am 5. Open Science Meeting von PAGES vom 9.-13. Mai in Saragossa in Spanien stattfinden, und dann werden wir versuchen unsere Veröffentlichung in einer renommierten international Fachzeitschrift im Juni einzureichen. Damit diese Veröffentlichung als Beitrag zu dem speziellen IPCC Bericht in 2018 zur Verfügung steht, muss sie bis spätestens November eingereicht sein. Diese Deadline wollen wir unbedingt einhalten.»

Übersetzung aus dem Englischen von Brigit Bucher

PAST GLOBAL CHANGES (PAGES)

Bei PAGES handelt es sich um ein internationales Netzwerk, dass seit 25 Jahren die Anstrengungen im Bereich der globalen Paläoklimaforschung koordiniert und fördert, um unser Wissen und das Verständnis der Veränderungen des Erdsystems in der Vergangenheit zu verbessern. Dies soll dazu beitragen, Vorhersagen in Bezug auf Klima- und Umweltveränderungen zu verbessern. Die Mehrheit der Publikationen von PAGES werden von Paläowissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern verfasst, die in den mehr als 20 aktuellen Arbeitsgruppen von PAGES aktiv sind. Finanziert wird PAGES von der US National Science Foundation und der Schweizer Akademie der Wissenschaften, unterstützt wird PAGES von der Universität Bern.

Zur Autorin

Angela Wade ist seit Oktober 2015 Kommunikations- und Projektverantwortliche bei PAGES. 

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