Zehn Jahre gezielte Förderung für Nachwuchsforschende

An der Graduate School for Cellular and Biomedical Sciences (GCB) wird fächer- und fakultätsübergreifend an der Schnittstelle zwischen Molekular- und Zellbiologie, Biomedizin und Biomedical Engineering geforscht. Am 4. Februar feiert die GCB ihr 10-jähriges Bestehen mit einem Symposium. Die Koordinatorin Marlene Wolf erzählt im Gespräch mit «uniaktuell» von den Anfängen der GCB und wie die Doktorierenden gezielt gefördert werden.

Interview: Brigit Bucher 02. Februar 2016

«uniaktuell»: Die Graduate School for Cellular and Biomedical Sciences (GCB) wurde vor 10 Jahren gegründet und ist somit die älteste der zehn Graduate Schools an der Universität Bern. Mit welcher Absicht wurde die GCB damals ins Leben gerufen?
Marlene Wolf: Bis anfangs der 1990er-Jahre gab es kaum eine strukturierte Ausbildung zum Dr. phil. (PhD). Doktorarbeiten wurden in der Regel als «freie Doktorate» in einer Forschungsgruppe während drei bis vier Jahren unter der Leitung eines Professors oder einer Professorin ausgeführt. Zum Pflichtenheft gehörte neben der Arbeit am Forschungsprojekt vor allem die Mithilfe in der Lehre wie zum Beispiel bei Praktika; Weiterbildung war kein integrativer Teil des Doktorats. Die Biowissenschaften haben sich rasant entwickelt, auch in technischer Hinsicht, und die Forschung ist heute sehr komplex und international kompetitiv. Die Anforderungen an die Ausbildung sind dementsprechend gestiegen, und man hat den Bedarf an Weiterbildung erkannt. Mit der Gründung der GCB wurde die Ausbildung formalisiert und die Weiterbildung in theoretischen und experimentellen Fächern gefördert. Zudem wurden Standards für das Doktorat eingeführt, denn beim freien Doktorat konnten die Anforderungen je nach Dissertationsleiter oder -leiterin nämlich enorm unterschiedlich sein. Dank der GCB ist die Betreuung der Doktorierenden auch breiter abgestützt, da alle Absolvierenden von einem Dissertationskommittee betreut werden. Die Betreuenden werden entlastet, weil sich die GCB um die formalen Aspekte kümmert und die Qualifikation zur Zulassung zum Doktoratsstudium in einem unabhängigen Aufnahmeverfahren prüft. Die Studierenden können von mehr Sicherheit profitieren, weil sie mehr Ansprechpersonen haben und die Betreuenden auch bestätigen müssen, dass finanzielle Mittel für das Gehalt vorhanden sind. Schliesslich führt die GCB bei der Abgabe der Dissertation auch eine Plagiatsüberprüfung durch. Sie ist also ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung der Doktorate.

Posterdarbietungen während dem GCB-Symposium
Posterdarbietungen während dem GCB-Symposium. Bild: zVg

Warum ist die GCB fakultätsübergreifend organisiert?
Vor der Gründung der GCB konnte nur die Philosophisch-naturwissenschaftlichen Fakultät PhD-Titel im Gebiet Biowissenschaften vergeben. Ein wichtiger Anreiz zur Gründung der GCB war, dass die Forschung auf diesem Gebiet in Bern aber eben nicht an einer einzigen Fakultät betrieben wird, sondern praktisch identische Fragestellungen sowohl an der Philosophisch-naturwissenschaftlichen, der medizinischen wie auch der veterinärmedizinischen Fakultät bearbeitet werden. Ende der 1990er-Jahre hatten wir auf dem Platz Bern somit drei verschiedene Fakultäten, welche alle das gleiche wollten, nämlich die Forschung in den zellulären und biomedizinischen Wissenschaften mittels PhD-Programm zu fördern. So lag es auf der Hand, eine Graduate School zur Ausbildung des Forschungsnachwuchses interfakultär auszurichten.

An der GCB hat es Studierende aus über 40 Nationen. Wie erklären Sie sich die grosse internationale Strahlkraft?
Seit ihrer Gründung vor 10 Jahren ist die GCB ständig gewachsen: Waren im Januar 2006 45 Doktorierende in der GCB eingeschrieben, sind es jetzt fast 400, somit ist die GCB auch die weitaus grösste Graduate School der Universität Bern. Die Forschung auf dem Gebiet der Biowissenschaften ist heute global vernetzt. Schauen Sie sich Publikationen in Fachzeitschriften an: In vielen Fällen sind Autorinnen und Autoren aus mehreren Ländern an einer Studie beteiligt. Diese Internationalisierung ist sicher ein Grund, dass sich auf ausgeschriebene Doktoratsstellen Kandidatinnen und Kandidaten aus aller Welt bewerben. Dazu kommt, dass wir in der Schweiz nicht genügend Nachwuchs haben, um die offenen Stellen mit Schweizer Doktoranden zu besetzen. Für viele Absolventinnen und Absolventen aus der Schweiz gibt es nach dem Master berufliche Alternativen in der Industrie oder der Verwaltung. Kommt hinzu, dass eine Doktorarbeit mit hohem Arbeitseinsatz bei wenig Lohn verbunden ist, was manche Schweizer Studierende abschreckt. Nicht zuletzt aber bietet die Universität Bern ein gutes Forschungsumfeld. Die meisten Arbeitsgruppen sind von motivierten und leidenschaftlichen Forschenden geführt und technisch gut ausgerüstet. Mehrere Forschungsgruppen sind auch an europäische Forschungsnetzwerke angeschlossen, welche grenzüberschreitende Mobilität verlangen und so zur internationalen Ausrichtung der GCB beitragen.

Der von der GCB angebotene Kurs «Environment-related diseases: from climate change to nanotoxicology» beinhaltet auch eine Exkursion zur hochalpinen Forschungsstation auf dem Jungfraujoch. Bild: zVg

Welches Kursangebot bietet die GCB? Können sich die Studierenden ein individuelles Studienprogramm zusammenstellen?
Die GCB ist thematisch sehr breit gefächert mit Forschungsprojekten in Gebieten wie Epidemiologie bis zu Computer assistierter Chirurgie oder von Molekularbiologie bis zu Studien, welche sich mit der Entwicklung von künstlichen Organen befassen. Aus diesem Grunde enthält unser Doktoratsstudiengang relativ wenig obligatorische Kursarbeit. Vielmehr handelt es sich eben um eine Forschungsausbildung. Die Absolvierenden stellen je nach Anforderungen ihrer Forschungsprojekte ihr individuelles Programm aus Veranstaltungen der GCB, aus spezialisierten Kursen aus Masterstudiengängen der Uni Bern sowie aus interuniversitären fachspezifischen Doktoratsprogrammen zusammen. Häufig werden auch internationale Kurse oder Summer Schools für Doktorierende belegt, deren Besuch die GCB finanziell unterstützen kann. Im Rahmen der vom SNF-unterstützten NCCRs oder von europäischen Trainingsprogrammen wie Horizon 2020 werden ebenfalls internationale Kurse angeboten. Nicht nur wird so der Horizont erweitert, die Begegnung mit Referentinnen und PhD-Kolleginnen und PhD-Kollegen in einem ungezwungenen Rahmen erleichtert das Networking auf internationaler Ebene. Die GCB fördert und unterstützt zudem den Besuch von internationalen Kongressen, an denen Doktorierende ihre Forschungsdaten vorstellen und gleichzeitig neueste Erkenntnisse direkt von Topforschenden erfahren. Häufig können dabei auch erste Kontakte für eine spätere Postdoc-Stelle geknüpft werden. Dank der GCB haben die Doktoranden also die Möglichkeit – und die Pflicht! – sich auch neben dem eigentlichen Forschungsprojekt weiterzubilden.

Wo sehen Sie Potential für die Weiterentwicklung der GCB?
Das Angebot an berufsvorbereitenden Veranstaltungen – insbesondere auf Tätigkeiten ausserhalb der akademischen Forschung – und Veranstaltungen zur Karriereplanung kann sicherlich noch verbessert werden. Wünschenswert wäre ein Gefäss, in dessen Rahmen realistische Karriereziele und -chancen – zum Beispiel eine frühzeitige Forschungsförderung beim SNF – zusammen mit den Doktorierenden ausgearbeitet werden könnte. Auch könnte das Kursangebot für den Erwerb überfachlicher Kompetenzen vergrössert werden und etwa Kurse in Projektmanagement, Teamwork oder Führungskompetenz angeboten werden. Auch wollen wir den Absolvierenden vermehrt aufzeigen, wie Familie und Beruf besser miteinander vereinbart werden können, insbesondere da etwa 54% unserer Doktorierenden weiblich sind und für viele Frauen in diesem Alter die Familienplanung im Vordergrund steht. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsabteilung könnte hierbei hilfreich sein. Ein weiterer Punkt auf meiner «To-do»-Liste wäre ein Augenmerk auf die Ausbildung von Betreuenden zu legen.

Der Programm-Flyer zum Symposium der GCB ist unten in der Infobox im Anhang des Artikels als PDF verfügbar. Flyer: GCB

Die GCB organisiert jedes Jahr ein Symposium. Ist für die Jubiläumsveranstaltung etwas Spezielles geplant?
In diesem Jahr steht das Programm im Zeichen des Jubiläums. Rektor Martin Täuber wird ein Grusswort halten. Ich werde einen kurzen Rückblick auf die ersten 10 Jahre präsentieren, bevor der GCB-Preis für die beste Dissertation vergeben wird und der diesjährige Gastredner, Prof. Piet Borst aus Amsterdam, den Hauptvortrag hält. Besonders freue ich mich auf den letzten Teil des Symposiums: Wir haben einen GCB-Science Slam organisiert. In Kurzreferaten werden15 Doktorierende der GCB ihre Arbeit auf allgemeinverständliche und humorvolle Weise vorstellen. Auch ist es uns gelungen, die CEOs von CSL-Behring, Haag-Streit und Ypsomed für die Teilnahme am Symposium zu gewinnen. Diese sind die drei grössten potentiellen zukünftige Arbeitgeber unserer Absolventinnen und Absolventen und unterstützen die Forschung an der Uni Bern rege.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag an der GCB aus? Sind Sie selber auch in der Forschung tätig?
Ein wesentlicher Teil meines Arbeitsalltags besteht aus der Beratung von Doktorierenden. Bei den Antrittsinterviews lerne ich alle Doktorierenden kennen und auch bei mittlerweile fast 400 Doktorierenden bemühe ich mich, über ihren Ausbildungsstand informiert zu bleiben. Vermittlungsgespräche zwischen Doktorierenden und Betreuungspersonen oder oft auch einfach nur Zuhören gehören ebenfalls zu meinen Aufgaben. Die Koordinationsaufgabe in den beiden Graduate Schools (GCB und Graduate School for Health Sciences) ist aber nicht meine einzige Tätigkeit. Zu 30% bin ich auch am Theodor Kocher Institut als Forschungsgruppenleiterin angestellt. In meiner kleinen Arbeitsgruppe habe ich bis vor einem Jahr selber Doktorierende ausgebildet. Für mich ist es sehr wichtig, auch selber an der Forschungsfront zu stehen. Man kennt so die Bedürfnisse und Nöte der Doktoranden aus eigener Erfahrung. Im Verlaufe der Jahre konnte ich ein grosses Netzwerk und Wissen aufbauen, das ich häufig einsetzen kann, um in einem Projekt die richtigen Leute zueinander zu führen. Alles in allem habe ich einen wunderbaren Job, denn ich habe das Privileg mit vielen jungen Leuten aus aller Welt zu arbeiten, welche mit grossem Enthusiasmus ihr Doktoratsstudium in Angriff nehmen.

Zur Person

PD Dr. Marlene Wolf hat an der Universität Bern Biochemie studiert und promovierte 1983 am Institut für Biochemie. Anschliessend war sie drei Jahre als Postdoc tätig in den damaligen Wellcome Research Laboratories in Research Triangle Park, North Carolina, USA. Seit 1986 arbeitet sie am Theodor Kocher Institut der Universität Bern. Dort hat sie als Forschungsassistentin angefangen unter der Leitung von Prof. Marco Baggiolini. Seit 2005 ist sie Privatdozentin und forscht auf dem Gebiet der sogenannten Chemokine, kleiner Signalproteine. Seit 1992 koordiniert sie neben der Forschungstätigkeit die PhD-Ausbildung und das MD-PhD Programm an der Universität Bern. Marlene Wolf war massgeblich am Aufbau der interfakultären Graduate School for Cellular and Biomedical Sciences (GCB) beteiligt und ist seit der Gründung 2005 deren operative Leiterin. Seit 2008 betreut sie auch die Graduate School for Health Sciences (GHS). Diese wird von der medizinischen Fakultät und der human-wissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern unterstützt und bietet ein PhD Programm an in den Gebieten Epidemiologie, Gesundheitsförderung, Psychologie/Neuropsychologie, Sozialmedizin oder medizinische Ausbildung.

Kontakt:

PD Dr. Marlene Wolf
Graduate School for Cellular and Biomedical Sciences (GCB)
Theodor-Kocher-Institut
Freiestrasse 1
3012 Bern
Telefon direkt: +41 31 631 41 50
Telefon Institution: +41 31 631 41 41
Email: marlene.wolf@gcb.unibe.ch

Die Graduate School for Cellular and Biomedical Sciences (GCB)

Die Graduate School for Cellular and Biomedical Sciences (GCB) stellt eine interfakultäre Einheit der Universität Bern dar und organisiert die PhD-Programme in den Gebieten Zellbiologie und Biomedizin. Sie wird von einer interfakultären Kommission geleitet und steht Absolventen der Naturwissenschaften, Medizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Pharmazie und zum Teil auch Ingenieurwissenschaften offen. Das PhD-Programm der Graduate School bezweckt eine umfassende Ausbildung in Theorie und Praxis der experimentellen Forschung.

Mehr Informationen

 

10-Jahres-Symposium 2016 der GCB

Donnerstag, 4. Februar 2016, 9 – 18.30 Uhr

Department für Chemie and Biochemie, Freiestrasse 3, 3012 Bern, sowie
Department für Physiologie, Bühlplatz 5, 3012 Bern (Morgensession)

Programm (PDF, 745KB)

Zur Autorin

Brigit Bucher arbeitet als Stv. Leiterin Corporate Communication an der Universität Bern und ist Redaktorin bei «uniaktuell».

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