Präventionskampagne gegen sexuelle Belästigung

Seit Anfang März läuft an der Universität Bern und an der PHBern eine gemeinsame Präventionskampagne gegen sexuelle Belästigung. Im Gespräch mit «uniaktuell» erklären Lilian Fankhauser und Ursina Anderegg von der Abteilung für Gleichstellung (AfG), was der Unterschied ist zwischen einem Flirt und sexueller Belästigung, wo sich Betroffene Hilfe holen können und was die universitäre Gleichstellungsarbeit sonst noch umfasst.

Interview: Brigit Bucher 14. März 2016

«uniaktuell»: Flirt oder sexuelle Belästigung – wo liegen die Unterschiede?
Ursina Anderegg: Auf den ersten Blick scheint der Grat schmal zu sein. Doch es gibt eine klare Abgrenzung: Beim Flirten handelt es sich um eine von beiden Seiten gewollte Annäherung, die persönlichen Grenzen werden respektiert. Sexuelle Belästigung hingegen ist eine einseitige Annäherung, die von einer Person nicht erwünscht wird und somit Grenzen überschreitet. Solche Übergriffe werden oft als erniedrigend empfunden. Es gilt die einfache Formel: Wer zu nah kommt, geht zu weit.
Lilian Fankhauser: Flirten ist natürlich auch zukünftig erlaubt und kann den Arbeits- und Studienalltag genauso wie andere Formen der gegenseitigen Wertschätzung bereichern – immer unter der Voraussetzung, dass es von beiden Personen gewünscht wird.

Können Sie Beispiele nennen, was als sexuelle Belästigung gilt?
Lilian Fankhauser: Als Aufhänger für unsere Kampagne haben wir absichtlich harmlos anmutende Bemerkungen gewählt, zum Beispiel «Wir sollten enger zusammen arbeiten.» Gegen diesen Satz ist grundsätzlich nichts einzuwenden – es sei denn, er fällt in einem deplatzierten Kontext. Die Hervorhebung des Wortes «enger» und die angedeutete Nacktheit der dargestellten Personen sollen visualisieren, dass sexuelle Belästigung für Betroffene eine Verletzung der Integrität darstellt, also weit über ein Unbehagen hinausgeht. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass es keine harmlosen Annäherungen gibt, sobald sie von einer Person unerwünscht sind. Seien dies mündliche, schriftliche oder gar körperliche Annäherungen. 

Ursina Anderegg: Grundsätzlich fällt jedes Verhalten mit sexuellem Bezug, das von einer Seite unerwünscht ist oder eine Person aufgrund ihres Geschlechts herabwürdigt, darunter. Besonders gravierend sind natürlich Übergriffe, die von Vorgesetzten respektive von Dozierenden ausgehen, da die abhängige Person mehr Mühe hat, sich zu wehren. Als sexuelle Belästigungen gelten anzügliche Bemerkungen über das Äussere, sexistische oder homophobe «Witze», das Aufhängen von pornographischem Material im Büro, unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht bis hin zu körperlichen Übergriffe, um einige Beispiele zu nennen. 

Gab es einen speziellen Auslöser für die Kampagne?
Ursina Anderegg: Nein. Die Kampagne richtet sich an Studierende wie an Mitarbeitende der Universität Bern und der PHBern. Sie hat neben der Sensibilisierung zum Ziel, die Anlaufstellen erneut bekannt zu machen. Die Universität Bern und die PHBern erfüllen mit der Kampagne ihre im Gesetz definierte «regelmässige Präventionspflicht».
Lilian Fankhauser: Jede sexuelle Belästigung ist eine zu viel. Alle Universitätsangehörigen sollten so behandelt werden, dass ihre Würde und ihre persönliche Integrität unangetastet bleiben. In Bezug auf sexuelle Belästigung gilt also die Nulltoleranz. Aus Studien weiss man, dass ein erhöhtes Risiko besteht bei einem schwierigen Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, starken Abhängigkeiten sowie einem schlechten oder sexistischen Arbeitsklima, in welchem abwertende Bemerkungen aufgrund des Geschlechts nicht unterbunden werden. Auch sind Teams, in denen Frauen deutlich untervertreten sind, anfälliger für sexuelle Belästigungen. Die Kampagne zielt deshalb auf ein respektvolles Arbeitsklima ab, so dass diese Risikosituationen gar nicht erst zum Tragen kommen.

Wohin können sich Betroffene wenden?
Ursina Anderegg: Die Uni Bern verfügt zum einen über externe Anlaufstellen für Betroffene, damit die Anonymität für die Ratsuchenden gegeben ist. Studierende können an die Beratungsstelle Berner Hochschulen gelangen, Mitarbeitende an die verwaltungsexterne Ansprechstelle in Bern. Diese Anlaufstellen unterstehen der Schweigepflicht und bieten psychologische Unterstützung für Betroffene, Informationen über die rechtliche Situation und geben Empfehlungen für weitere Schritte ab. Zum anderen gibt es aber auch interne Anlaufstellen: Betroffene oder auch Zeuginnen und Zeugen können sich je nach Anliegen bei der Abteilung für Gleichstellung, bei der Leiterin der Personalabteilung oder beim Generalsekretär melden. Die internen Anlaufstellen haben eine Handlungspflicht. Das heisst, wenn bei ihnen eine Meldung eingeht, dann müssen sie in einer angemessen Form handeln. Es gibt auch vereinzelte Institute, die eigene Ansprechstellen haben. Die laufende Kampagne soll den Studierenden und Mitarbeitenden in Erinnerung rufen, dass es diese Anlaufstellen gibt.

Was unternimmt die Uni Bern, wenn ein Fall von sexueller Belästigung bekannt wird?
Lilian Fankhauser: Sobald die Universitätsleitung Kenntnis von sexueller Belästigung hat, klärt sie den Sachverhalt ab. Sie betraut eine oder mehrere geeignete Personen mit einer internen Abklärung – wir von der Abteilung für Gleichstellung sind in diese Abklärungen immer involviert. Liegt ein Fall von sexueller Belästigung vor, ergreift die Universitätsleitung Sofortmassnahmen, um weitere Belästigungen zu verhindern und schützt damit die belästigte Person. Die Sanktionen, die ergriffen werden, reichen von Verhaltensanweisungen über Verwarnungen bis hin zu einer Kündigung. Bei den Studierenden kann es bis zu einem definitiven Ausschluss aus dem Studium gehen. Die Uni Bern hält sich bei den Sanktionen an die gesetzlichen Grundlagen des Kantons Bern.

Sollte jemand aktiv werden, der sexuelle Belästigung beobachtet? Sollte diese Person von sich aus das Gespräch suchen mit den betreffenden Personen?
Ursina Anderegg: Unbedingt – das ist sehr wichtig! Eine Botschaft der Kampagne ist denn auch, hinzuschauen und zu handeln. Dazu gehört, Stellung zu beziehen in der Situation selber, der betroffenen Person Unterstützung anzubieten, die belästigende Person zu konfrontieren oder die entsprechende Anlaufstelle zu kontaktieren. Beobachtende können einer sexuell belästigten Person viel Leid ersparen – übrigens schon nur, indem sie bei anzüglichen Bemerkungen nicht mitziehen und nicht mitlachen.
Lilian Fankhauser: Ja genau, denn für die Betroffenen ist es oft sehr schwierig, sich selber zu wehren. Sie sind auf ein unterstützendes Umfeld angewiesen.

Warum wird die Kampagne gemeinsam mit der PHBern durchgeführt?
Ursina Anderegg: Es war eigentlich ein praktischer Entscheid: Ausgangspunkt war zum einen, dass wir mit dem vonRoll-Areal gemeinsame Gebäude betreiben. Zum anderen haben die beiden Hochschulen ähnliche interne Abläufe und dieselben externen Anlaufstellen. Im Bereich der Gleichstellung arbeiten wir schon lange mit der PHBern und auch mit der Berner Fachhochschule BFH zusammen.

Geht die Kampagne nach dem Aushang der Plakate noch weiter?
Lilian Fankhauser: Nur so viel sei verraten: im Verlauf des Frühlingssemesters wird es in den 12 grössten Gebäuden der Universität Bern eine Wanderinstallation geben. So ist auch die Berner Fachhochschule BFH indirekt in die Kampagne involviert: Die Grundidee für die Wanderinstallation, die diese Woche im vonRoll-Areal startet, stammt von zwei Studierenden der Hochschule der Künste der BFH, welche an einem Kampagnen-Wettbewerb der BFH teilnahmen. 

Das Team der Abteilung für Gleichstellung (von links nach rechts): Lilian Fankhauser, Claudia Willen, Silvia Schneider, Sabine Höfler, Ursina Anderegg, Karin Beyeler, Lena Niederberger
Das Team der Abteilung für Gleichstellung (von links nach rechts): Lilian Fankhauser, Claudia Willen, Silvia Schneider, Sabine Höfler, Ursina Anderegg, Karin Beyeler, Lena Niederberger

Womit befasst sich die Abteilung für Gleichstellung von Frauen und Männern sonst noch?
Ursina Anderegg: Die Universität Bern will die Geschlechtergerechtigkeit in einem umfassenden Sinn fördern. Seit drei Jahren arbeiten wir mit einem gesamtuniversitären Aktionsplan für Gleichstellung, der insgesamt sieben Handlungsfelder wie «Frauenspezifische Nachwuchsförderung» oder «Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Care» umfasst. Inzwischen haben auch alle acht Fakultäten eigene Gleichstellungspläne mit spezifischen Zielen und Massnahmen erarbeitet, um die Arbeits- und Studienbedingungen im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern zu vereinheitlichen und zu optimieren.
Lilian Fankhauser: Der Anteil von Frauen in höheren wissenschaftlichen Positionen ist immer noch tief im Vergleich zum Anteil von Studentinnen. Wir gehen diese Problematik in Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung, den Fakultäten und der gesamtuniversitären Kommission für Gleichstellung mit unterschiedlichsten Massnahmen an. So bieten wir beispielsweise spezifische Coachings für Nachwuchswissenschaftlerinnen an, lancieren Projekte zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Karriere und Care-Arbeit oder wirken direkt im Anstellungsverfahren für Professuren mit. 

Die Kampagne

Die Kampagne «Wer zu nah kommt, geht zu weit!» hat zum Ziel, die Anlaufstellen der Universität Bern und für Betroffene und Beobachtende von sexuellen Belästigungen erneut bekannt zu machen. Kern der Kampagne ist eine Informationswebsite mit Informationen rund ums Thema sowie konkrete Hilfestellungen für alle. Opfer wie Täterinnen und Täter sollen wissen, dass sexuelle Belästigung keine Bagatelle ist und die beiden Hochschulen keine Übergriffe dulden.

Abteilung für die Gleichstellung von Frauen und Männern

Die Abteilung für Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Vizerektorat Qualität angesiedelt. Mit Veranstaltungen und Publikationen informiert sie über aktuelle Themen der universitären Gleichstellungsarbeit. Zudem bietet sie unter anderem Coachings und Einzelberatungen zu Elternschaft und geschlechtergerechtem Formulieren an und erarbeitet Präventionsmassnahmen gegen Diskriminierung. Gemeinsam mit der universitären Kommission für Gleichstellung setzt sie die Massnahmen des Aktionsplans Gleichstellung um, insbesondere zu den Schwerpunktthemen Vereinbarkeit, Nachwuchsförderung, horizontale Segregation, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie zu Frauen in Kaderpositionen.

Lilian Fankhauser

Lilian Fankhauser, lic. phil. hist, hat Germanistik studiert und war über 10 Jahre am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern (IZFG) tätig, wo sie für die Themen Gleichstellung sowie Entwicklungszusammenarbeit und Gender verantwortlich war. Vor drei Jahren hat sie die Leitung der Abteilung für Gleichstellung übernommen, seit 2014 teilt sie sich die Leitung mit Claudia Willen.

Kontakt:
Lilian Fankhauser
Abteilung für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Hochschulstrasse 6
3012 Bern
Telefon direkt: +41 31 631 39 31
Email: lilian.fankhauser@afg.unibe.ch

Ursina Anderegg

Ursina Anderegg, lic.phil.hist. hat an der Universität Bern Geschichte studiert. Sie ist seit 2012 in der Abteilung für Gleichstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und ist u.a. für Antidiskriminierung zuständig. Gemeinsam mit Jacqueline Kühne, der Verantwortlichen für Gleichstellung an der PHBern, hat sie die Kampagne «Wer zu nah kommt, geht zu weit» konzipiert und umgesetzt.

Kontakt:
Ursina Anderegg
Abteilung für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Hochschulstrasse 6
3012 Bern
Telefon direkt: +41 31 631 51 50
Email: ursina.anderegg@afg.unibe.ch

Zur Autorin

Brigit Bucher arbeitet als Stv. Leiterin Corporate Communication an der Universität Bern und ist Redaktorin bei «uniaktuell».

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