«Mich fasziniert, dass meine Forschungsergebnisse zur Anwendung kommen könnten»

Cancan Huang, chinesische Postdoktorierende am Departement für Chemie und Biochemie der Uni Bern, wurde gestern mit einem Preis ausgezeichnet, den die Chinesische Regierung an herausragende Studierende im Ausland vergibt, die ihr Studium selber finanzieren. «uniaktuell» hat mit der jungen Forscherin über die Herausforderungen im Ausland gesprochen und erfahren, was an ihrem Forschungsgebiet molekulare Elektronik so faszinierend ist.

«uniaktuell»: Welches waren die grössten Herausforderungen in der Organisation Ihres Studiums in der Schweiz?
Cancan Huang: Bis vor vier Jahren war ich nur zum Reisen im Ausland, ich hatte also vorher nie ausserhalb von China gelebt oder gearbeitet. Ich hatte einige Englischkenntnisse aus der Schule, aus Lehrbüchern und der Fachliteratur. Trotzdem war dann die grösste Herausforderung die Sprache in meinem neuen Lebensumfeld und bei meiner Arbeit. Eine weitere grosse Herausforderung war, dass mein ursprünglicher Betreuer an der Uni Bern, Prof. Thomas Wandlowski, bedauerlicherweise 2015 verstorben ist. Das war natürlich für mich persönlich eine schreckliche Erfahrung, aber auch ein grosser Rückschlag für mein PhD-Forschungsprojekt. Ich musste mir selber eine Reihe von grundlegenden Fragen stellen wie beispielsweise, was ich mit dem Projekt effektiv erreichen wollte und wie ich konkret weitermachen sollte. Glücklicherweise stand mir PD Dr. Peter Broekmann zur Seite, der mir half, meinem Projekt die richtige Richtung zu geben, so dass ich mein PhD-Studium erfolgreich zu Ende bringen konnte. Mich diesen Herausforderungen stellen zu müssen, hat mich stärker gemacht, und ich fühle mich nun bereit für die nächsten Schritte in meiner Karriere als Forscherin.

Cancan Huang wird mit «Chinese Government Award for Outstanding Self-financed Students Abroad» ausgezeichnet
Cancan Huang wird mit dem «Chinese Government Award for Outstanding Self-financed Students Abroad» ausgezeichnet. Foto: zVg

Was hatte Sie den ursprünglich bewogen, nach Bern an die Uni zu kommen?
Nach allem was ich in der High School über die Schweiz gelernt hatte, war dieses Land meine erste Wahl, als es darum ging, mich für ein Studium im Ausland zu entscheiden. Was mich schliesslich an die Uni Bern gebracht hat, war eine Diskussion mit meinem Kollegen Dr. Wenjing Hong, mit dem ich als Masterstudentin in China in derselben Forschungsgruppe gearbeitet hatte. Er war als PhD-Student bereits an der Uni Bern. Als ich ihm von meiner Idee, im Ausland studieren zu wollen, erzählte, stellte er mir die Forschungsgruppe von Prof. Thomas Wandlowski am Departement für Chemie und Biochemie vor, die eine der weltweit führenden Gruppen auf dem Gebiet der Elektrochemie und molekularen Elektronik ist. Prof. Wandlowski war ein äusserst präziser, respektierter und kreativer Forscher, von dem mein Kollege viel gelernt hat. Als mir dann angeboten wurde, in dieser renommierten Forschungsgruppe zu arbeiten, zögerte ich keinen Moment zuzusagen.

Können Sie in einfachen Worten erklären, was Ihr Forschungsgebiet beinhaltet?
Mein PhD Forschungsthema hat mit molekularer Elektronik zu tun. Das Hauptziel ist, einzelne Moleküle zu nutzen, um kleinstmögliche Stromkreise für elektronische Bauteile herzustellen. Einfach gesagt, stellen wir aus einfachen Bestandteilen komplexe Verbindungen her, wobei es sich mehrheitlich um organische Moleküle handelt. Dann testen wie ihre physikalischen, thermischen und elektronischen Eigenschaften auf der Ebene einzelner Moleküle. In Abhängigkeit von ihren Eigenschaften können diese Moleküle als leitfähige Drähte, logische Schaltungen oder als Dioden in elektronischen Geräten genutzt werden. Diese Art Forschung ist grundlegend für die Entwicklung von zukünftigen Generationen von Mikroprozessoren oder Datenspeichertechnologien.

Cancan Huang
Cancan Huang forscht am Departement für Chemie und Biochemie an der Uni Bern. Foto: zVg

Was ist Ihre Motivation, genau auf diesem Gebiet Forschung zu betreiben?
Als Chemikerin war ich besonders fasziniert von den Nanowissenschaften und der Nanotechnologie. Die molekulare Elektronik ist eben genau das Gebiet, das Chemie (massgeschneidertes Moleküldesign, Synthese etc.) mit der Welt der Nanotechnologie verbindet. Was mich besonders fasziniert ist, dass meine Forschungsergebnisse möglicherweise zur Anwendung kommen könnten. Zudem gab mir mein PhD-Studium die einmalige Gelegenheit, die Fähigkeiten weiter zu entwickeln, die ich auf meinem Weg zu einer unabhängigen Forscherin benötige.  Wie bereits erwähnt ist die molekulare Elektronik ein sehr interdisziplinäres Feld, das organische Chemie, Materialforschung, Quantenphysik und Elektronik-Engineering abdeckt. Und es vereint Grundlagenforschung und Anwendung. Weil mein PhD-Projekt im Bereich der molekularen Elektronik angesiedelt war, konnte ich viel von diesen verschiedenen Disziplinen lernen und sie kombinieren. Zudem ist die Zusammenarbeit mit aussergewöhnlichen Forschenden mit unterschiedlichem wissenschaftlichen Hintergrund anregend und faszinierend. Ich glaube, dass dieser interdisziplinäre Ansatz wichtig ist für die Entwicklung von kreativen Ideen in der Wissenschaft.

Haben Sie konkrete Pläne für die Zukunft?
Ich möchte meine Forschung auf dem Gebiet der molekularen Elektronik weiter fortsetzen. Insbesondere würde ich gerne die Methoden der Ladungstransports, die ich hier in Bern erlernt habe, auf materialwissenschaftliche Fragestellungen übertragen, das heisst auf energieumwandelnde oder energiespeichernde Komponenten oder Photovoltaikanlagen. Derzeit bewerbe ich mich für ein SNF early postdoctoral fellowship, welches mir hoffentlich ermöglichen wird, ein Postdoc Projekt an der Harvard University in der Gruppe von Prof. George Whitesides zu starten. Danach würde ich sehr gerne in die Schweiz zurückkommen, um in der Forschung oder der Industrie tätig zu sein.

Zur Person

Cancan Huang wurde 1989 in China geboren. Ihr Bachelorstudium in Materialwissenschaft absolvierte sie am Beijing Institute of Technology (BIT), China. 2012 schloss sie ihren Masterstudiengang an der Tsinghua University ab, wo sie sich im Labor von Gaoquan Shi mit Graphen-basierten Materialien beschäftigte, die als chemische und elektrochemische Katalysatoren eingesetzt werden. Im Oktober 2012 schloss sie sich für ihr PhD-Studium der Forschungsgruppe von Prof. Thomas Wandlowski am Departement für Chemie und Biochemie an der Universität Bern an, bevor sie dann in die Gruppe von PD Dr. Peter Broekmann wechselte. Seither beschäftigt sich Cancan Huang in ihrer Forschung mit molekularer Elektronik, Ladungstransportphänomenen durch einzelne Moleküle sowie mit molekularen Schaltern.

Kontakt:

Dr. Cancan Huang
Universität Bern
Departement für Chemie und Biochemie (DCB)
+41 31 631 42 43
cancan.huang@dcb.unibe.ch

The Interfacial Electrochemistry Group

Die Interfacial Electrochemistry Group am DCB (Department für Chemie und Biochemie) beschäftigt sich mit zwei wissenschaftlichen Schwerpunkten aus dem Bereich der angewandten Forschung und Technologieentwicklung. Der erste Forschungsschwerpunkt steht im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Mikroprozessortechnologien. Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie wie beispielsweise der BASF SE (Ludwigshafen)  werden neue Verfahren für die Metallisierung von nanometergrossen Transistoren entwickelt. Der zweite Forschungsschwerpunkt der Gruppe liegt in der Entwicklung von neuen elektrochemischen Verfahren, mit deren Hilfe umweltschädliches Kohlendioxid (CO2) in höherwertige Produkte (Brennstoffe oder Ausgangsstoffe für chemische Synthesen) umgewandelt werden können. Dabei sollen Überschüsse an Elektrizität aus Solar-, Wind- oder Wasserkraft genutzt werden (sogenanntes «power to value concept»). Diese Forschungsaktivitäten sind im Kompetenzzentrum des Bundes für Forschung zu Strom- und Wärmespeicherung (SCCER Heat and Electricity Storage) eingebettet. Der Berner Beitrag zum SCCER besteht insbesondere in der Entwicklung von neuen Katalysatormaterialien, die für die effektive und selektive Umwandlung von CO2 eingesetzt werden können. 

The Chinese Government Award for Outstanding Self-financed Students Abroad

Der Preis wurde 2003 von der chinesischen Regierung ins Leben gerufen mit dem Ziel, herausragende chinesische Studierende zu würdigen, die ihr Studium im Ausland selber finanzieren. Nur PhD-Studierende mit überdurchschnittlichen Leistungen kommen dabei in die engere Auswahl. Pro Jahr erhalten weltweit nicht mehr als 500 junge Forschende diesen Preis.

Zur Autorin

Brigit Bucher arbeitet als Stv. Leiterin Corporate Communication an der Universität Bern und ist Redaktorin bei «uniaktuell».

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