Mehr Treibhausgase aus dem Meer

Das südliche Eismeer rund um die Antarktis spielt eine wichtige Rolle fürs Weltklima. Je nachdem nimmt es Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf oder gibt davon ab. Doch wie verhält sich dieser Puffer in Zukunft: Wirkt der Südliche Ozean künftig als Treibhausgassenke oder als –quelle? Am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung gehen gleich mehrere Teams dieser grossen offenen Frage der Klimaforschung nach.

Von Kaspar Meuli 04. Februar 2016

Die Weltmeere nehmen gewaltige Mengen an CO2 auf – der Ozean speichert in seinen Tiefen rund 50 Mal mehr davon als die Atmosphäre. Und das Meer hat 30 Prozent des bisher menschgemachten CO2 absorbiert. Eine entscheidende Rolle beim Austausch zwischen Tiefsee und Atmosphäre spielt der Südliche Ozean. Er wirkt wie ein Ventil für CO2 zwischen Wasser und Luft oder wie ein offenes Fenster. Schon länger geht die Forschung davon aus, dass Änderungen im marinen Kohlenstoffzyklus eine entscheidende Rolle für das Auf und Ab des atmosphärischen CO2 spielten – und damit für die natürlichen Klimaschwankungen der letzten Millionen Jahre.

Wenn es im südlichen Eismeer wärmer wird, schmelzen die Eisberge und aus dem Ozean wir mehr CO2 freigesetzt. (Bild: Erik Galbraith)
Wenn es im südlichen Eismeer wärmer wird, schmelzen die Eisberge und aus dem Ozean wir mehr CO2 freigesetzt. (Bild: Erik Galbraith)

In einem soeben in der Fachzeitschrift «Nature» erschienenen Beitrag weist der Berner Geologe Samuel Jaccard erstmals nach, dass während der klimatischen Kaltphasen tatsächlich sehr viel CO2 im Südlichen Ozean gebunden war und dass es von dort während den Warmphasen wieder freigesetzt wurde. Mit Hilfe von Tiefseebohrkernen haben Jaccard und seine Kollegen die sich wandelnden CO2-Konzentrationen über die vergangenen 80'000 Jahre rekonstruiert. «Wir können zeigen, durch welche Prozesse und wie schnell der Austausch von CO2 zwischen dem Tiefenozean und der Atmosphäre vor sich gegangen ist», sagt Jaccard.

Ein zweites wichtiges Ergebnis seiner Studie: Die Kommunikation zwischen den Tiefen des Südlichen Ozeans und der Atmosphäre hängt von der Produktion von sogenanntem Tiefenwasser im Nordatlantik ab. Strömt weniger Tiefenwasser aus dem Nordatlantik ein, steigt die Temperatur im Südlichen Ozean. Das verstärkt den Austausch im «polaren Fenster», und es gelangt mehr CO2 vom Meer in die Atmosphäre. «An Hand unserer Resultate können wir davon ausgehen, dass der Südliche Ozean künftig immer weniger als CO2-Senke wirkt», sagt Samuel Jaccard. «Nicht weil er weniger CO2 aufnimmt, sondern weil er mehr davon ausgast.»

Verteilung von CO2 in Ozean und Atmosphäre

Die Rekonstruktion dieser Ausgasung aus den Tiefen des Ozeans stimmt gut mit den CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre überein, wie sie an der Universität Bern an Hand von im arktischem Eis eingeschlossenen Luftblasen rekonstruiert wurden. Die Analyse von Eisbohrkernen hat nicht zuletzt zur Erkenntnis geführt, dass die Menge von Kohlenstoff im Gesamtsystem über lange Zeiträume konstant bleibt – was sich verändert, ist seine Verteilung zwischen Ozean und Atmosphäre.

Das französisches Forschungsschiff Marion Dufresnde im Crozet Archipel im südlichen Eismeer.
Das französisches Forschungsschiff Marion Dufresnde im Crozet Archipel im südlichen Eismeer. (Bild: A. Mazaud/CEA)

Ein weiteres natürliches Klimaarchiv, das Forschende des Oeschger-Zentrums nutzen, um klimatische Prozesse besser zu verstehen, sind Seesedimente. So untersuchte die Geografin Krystyna Saunders Ablagerungen aus Seen der entlegenen Macquarie Insel im Südpazifik. Sie konnte an Hand von sich verändernden Salzkonzentrationen zeigen, wie sich die Richtung und Stärke der Meeresgischt und somit der südlichen Westwinde im Laufe der vergangenen 20’000 Jahre verändert hat. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf Veränderungen im Windregime ziehen, die auftraten, als sich die südliche Hemisphäre beim Abklingen der letzten Eiszeit erwärmte. Die vorherrschenden Westwinde verschoben sich südwärts und beeinflussten dadurch die Richtung der Ozeanzirkulation.

Entnahme von Meeressedimenten im südlichen Eismeer. (Bild: A. Mazaud/CEA)
Entnahme von Meeressedimenten im südlichen Eismeer. (Bild: A. Mazaud/CEA)

Simulationen mit Berner 3D-Modell

Rekonstruktionen verschiedener Parameter der Klimavergangenheit tragen dazu bei herauszufinden, ob der Ozean künftig weiter als Treibhausgassenke wirkt, oder verstärkt zur CO2-Quelle wird. Entscheidend ist dies nicht zuletzt mit Blick auf die Treibhausgas-Emissionen, welche die Menschheit noch verursachen darf, um die im Abkommen von Paris beschlossenen Klimaziele zu erreichen. Eine vor kurzem am Oeschger-Zentrum entstandene Studie zeigt, wie dringlich Massnahmen zum Schutz des Klimas sind. Die noch verbleibenden Handlungsoptionen schwinden rasant: Pro Jahrzehnt Herauszögern gehen 0,5°C Klimaziel verloren.

Diese Studie zum CO2-Budget haben die beiden Klimaphysiker Patrik Pfister und Thomas Stocker mit einem in Bern entwickelten Klimamodell erarbeitet. Denn die unterschiedlichen Forschungsgruppen des Oeschger-Zentrums analysieren zum besseren Verständnis des CO2-Kreislaufes nicht nur Klimaarchive, sie setzen dazu auch Computermodelle ein. Mit dem sogenannten Berner 3D-Modell etwa lässt sich die Klimageschichte durchgehend über die letzten 100'000 Jahren simulieren. «Wenn ein Modell die Vergangenheit nachvollziehen kann», betont Fortunat Joos, Spezialist für den Kohlenstoffkreislauf, «wächst das Vertrauen in die Zukunfts-Projektionen, die wir damit berechnen.»

Modellsimulationen tragen immer auch zu einem besseren Verständnis der Prozesse im Klimasystem bei. Sie sollen zum Beispiel Antworten auf die Frage liefern, was den Mechanismus antreibt, der zu einer Verschiebung des CO2-Anteils zwischen Ozean und Atmosphäre führt. Noch werden die auslösenden Faktoren für diese Veränderung in der Forschungscommunity heiss diskutiert. Genauso wie die Frage, ob das südliche Eismeer auch künftig fossiles CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen wird. «Einiges deutet darauf hin, dass sich die Senkenleistung des Südlichen Ozeans in Zukunft verschlechtert», sagt Fortunat Joos, «aber vorläufig ist das erst eine Hypothese, beweisen können wir sie noch nicht.»

Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR)

Das Oeschger-Zentrum ist das Kompetenzzentrum der Universität Bern für Klimaforschung. Es wurde im Sommer 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war. Das Oeschger-Zentrum bringt Forscherinnen und Forscher aus neun Instituten und vier Fakultäten zusammen und forscht disziplinär und interdisziplinär an vorderster Front. Erst die Zusammenarbeit von Natur-, Human-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften kann Wege aufzeigen, wie sich dem globalen Klimawandel auf unterschiedlichsten Ebenen begegnen lässt: regional verankert und global vernetzt.

Zu den Forschenden

Prof. Dr. Samuel Jaccard befasst sich als Geologe mit Paleoozeanographie und mariner Biogeochemie. Er promovierte am Geologischen Institut der ETH Zürich und arbeitete danach in verschiedenen Forschungsprojekten an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. 2008 wurde er Dozent an der ETH Zürich. Seit 2013 bekleidet er eine SNF-Förderprofessur an der Universität Bern und ist Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.

Kontakt:

Prof. Dr. Samuel Jaccard
Institut für Geologie
Baltzerstrasse 1+3
3012 Bern
samuel.jaccard@geo.unibe.ch

Die erwähnte Studie:

Covariation of deep Southern Ocean oxygenation and atmospheric CO2 through the last ice age. S.L.Jaccard, E.D.Galbraith, A.Martínez-García, R.F.Anderson. Nature Volume 529 Number 7588. 

Dr. Krystyna Saunders ist Geografin und doktorierte am Institute of Antarctic & Southern Ocean Studies in Tamanien, Australien. 2009 kam sie mit einem Marie Curie Stipendium als PostDoc an die Universität Bern und wurde Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung. 2012 – 2014 war sie für ein Ambizione Projekt des SNF verantwortlich. Heute ist sie Senior Research Scientist Institute for Environmental Research bei der Australischen Atomenergiebehörde ANSTO.

Kontakt:

Dr. Krystyna Saunders
ANSTO
Institute for Environmental Research (IER)
Lucas Heights Campus
krystyna.saunders@ansto.gov.au

Prof. Dr. Fortunat Joos beschäftigt sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und des globalen Kohlenstoffkreislaufes. Er studierte Umweltphysik an der ETH Zürich und doktorierte an der Universität Bern. Danach folgten Forschungsaufenthalte an der Universität Princeton und am National Centre for Atmospheric Research, Boulder, USA. Seit 1988 ist er an der Abteilung für Klima- und Umweltphysik der Universität Bern in Forschung und Lehre tätig, 2010 wurde er Professor für Klimaphysik. Fortunat Joos ist Präsident des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.

Kontakt:

Prof. Dr. Fortunat Joos
Oeschger Centre for Climate Change Research (OCCR)
Falkenplatz 16
3012 Bern
fortunat.joos@oeschger.unibe.ch

Zum Autor

Kaspar Meuli ist Journalist und PR Berater. Er ist verantwortlich für die Kommunikation des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.

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