Niklaus Bütikofer, Archivar der Universität Bern, kennt das vermeintlich historische Schriftstück, das seit einigen Wochen auf den Internet-Plattformen Facebook und Twitter verbreitet wird. Er stellt klar: «Das Dokument ist eine relativ plumpe Fälschung. Bei der Recherche hat man sich keine besondere Mühe gegeben.» Der Archivar zählt einige der Fehler auf, die dem oder den Urhebern des gefälschten Briefs unterlaufen sind:
- Zum angegebenen Datum waren die Philosophisch-historische Fakultät und die Philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät noch nicht getrennt.
- Es gab nie einen Dekan – auch keinen Dozenten – namens Wilhelm Heinrich an der Universität Bern.
- Die Korrespondenzsprache zwischen dem aus Deutschland stammenden und 1901 eingebürgerten Einstein und der Universität wäre wenn schon nicht Englisch, sondern Deutsch gewesen. Bütikofer vermutet, dass der Fälscher offenbar kein Deutsch kann.
- Der Stempel neben der Unterschrift von «Dekan Heinrich» steht in keinem Zusammenhang mit der Universität Bern. Vielmehr scheint er das Staatswappen Ungarns zu zeigen.
- Die im gefälschten Briefkopf aufgeführte Sidlerstrasse gibt es erst seit 1931. Davor hiess sie Sternwartsstrasse. Zudem gab es das ebenfalls im Briefkopf benutzte Postleitzahlsystem damals auch noch nicht.
Die wahre Geschichte
Aber wurde die Habilitation des damals in Bern lebenden Physikers anfänglich nicht wirklich abgelehnt? Dies ist tatsächlich der Fall, allerdings nicht aufgrund wissenschaftlicher Differenzen, sondern aufgrund eines formalen Mangels. Die erhaltene – übrigens handschriftliche – Korrespondenz, die Niklaus Bütikofer im kantonalen Staatsarchiv gefunden hat, wo die Archivakten der Universität lagern, erzählen folgende Geschichte:
Am 17. Juni 1907 reicht Albert Einstein sein Gesuch um Habilitierung in theoretischer Physik beim Direktor des Unterrichtswesens des Kantons Bern ein. Das Gesuch wird an die Philosophische Fakultät der Uni Bern weitergeleitet, wo die Fakultätsmitglieder es an der Sitzung vom 28. Oktober 1907 besprechen und zurückweisen – weil er keine Habilitationsschrift eingereicht hat und nicht, weil man etwa seine Thesen abgelehnt hätte. Im Gegenteil: Einstein genoss unter Fachkollegen bereits damals einen ausgezeichneten Ruf, wie der Antrag von Paul Gruner, Professor für theoretische und mathematische Physik, belegt. Dieser wollte Einstein wegen dessen «bedeutenden wissenschaftlichen Leistungen» trotz der fehlenden Schrift habilitieren lassen.