Vielversprechender Ansatz zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen ausgezeichnet

Der mit 100'000 Franken dotierte Hans-Sigrist-Preis der Universität Bern wurde dieses Jahr anlässlich des Dies academicus am Samstag, 5. Dezember, an den Mikrobiologen Luciano Marraffini verliehen. Marraffini wurde ausgezeichnet für seinen innovativen Forschungsansatz im Bereich von Antibiotika-Resistenzen. «uniaktuell» konnte beim traditionellen Interview der Hans-Sigrist-Stiftung mit dem Preisträger dabei sein.

Von Brigit Bucher 10. Dezember 2015

Antibiotika kommen zum Einsatz, um krankheitserregende Bakterien abzutöten und sind mitverantwortlich dafür, dass seit den ersten klinischen Versuchen 1941 die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen deutlich angestiegen ist. Vermehrt gibt es jedoch Krankheitserreger, die resistent geworden sind gegen Antibiotika. Eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit besteht darin, einen erfolgreichen Weg zur Bekämpfung dieser Antibiotika-Resistenzen zu finden. Mit seinem äusserst innovativen Forschungsansatz gehört Luciano Marraffini zu den Hoffnungsträgern in diesem Bereich.

Krankmachende Bakterien mit den eigenen Waffen schlagen

Bereits im College hegte Luciano Marraffini besonderes Interesse für Bakteriologie und Mikrobiologie. Als der gebürtige Argentinier an der University of Chicago seinen PhD absolvierte, besuchte er Kurse in Pathogenese, um verstehen zu können, wie Krankheiten verursacht werden. Der Dozent der Kurse hatte einen grossen Einfluss auf Marraffini und wurde schliesslich der Betreuer für seine Doktorarbeit im Bereich Mikrobiologie. Heute ist der 41-jährige Marraffini Assistenzprofessor an der Rockefeller University in New York. 

Luciano Marraffini
Luciano Marraffini wurde am 5. Dezember 2015 am Dies academicus mit dem Hans-Sigrist-Preis ausgezeichnet © Bild: Universität Bern / Manu Friedrich

Gemeinsam mit seinem Team erforscht Marraffini im Labor Bakterien. Im menschlichen Körper spielen Bakterien eine wichtige Rolle, etwa zur Regulierung der Darm- oder der Hautflora; sie können aber auch als Krankheitserreger wirken. Im Interview mit der Geschäftsführerin der Hans-Sigrist-Stiftung erklärt Marraffini, dass Bakterien einerseits einfache Organismen seien, da es sich um Einzeller handle. Andererseits seien sie aber eben auch hochkomplex, insbesondere weil sie ihrerseits von Viren, sogenannten Bakteriophagen oder kurz Phagen, infiziert werden können. Phagen können eine Bakterienpopulation innert weniger Stunden auslöschen. Marraffini sagt: «Gegen diese viralen Infektionen haben Bakterien ein raffiniertes Abwehrsystem entwickelt, das dem menschlichen adaptiven Immunsystem ähnlich ist, das CRISPR-System.»

Marraffini war einer ersten, der Experimente mit diesem CRISPR-System durchführte. Vereinfacht dargestellt funktioniere das CRISPR-System folgendermassen, wie Marraffini anschaulich erklärt: Zunächst interagiere das Virus mit der Oberfläche der Bakterie und injiziere genetisches Material, die DNA des Virus, in das Bakterium. Das CRISPR-System greife sich einen kleinen Teil der viralen DNA und speichere diese Information im CRISPR-Locus. Das Bakterium könne diese gespeicherte Information dann nutzen, wenn das gleiche Virus wieder seine DNA injiziert: Das CRISPR-System löse eine Immunantwort aus, die letztlich die Zerstörung der viralen DNA bewirke. Dies geschieht, indem das CRISPR-System die DNA des Virus abschneide.

Es ist dieser Mechanismus, der nun im Kampf gegen krankheitserregende Bakterien, die resistent gegen Antibiotika geworden sind, zum Einsatz kommen soll. Das Ziel von Marraffinis Forschung ist, das CRISPR-System so umzufunktionieren, dass es benutzt werden kann, um die DNA von resistenten Krankheitserregern abzuschneiden. So sollen die krankheitserregenden, resistenten Bakterien unschädlich gemacht werden.

Vielversprechend weil zielgerichtet

Andrea Endimiani, Bakteriologe am Institut für Infektionskrankheiten der Uni Bern, war Vorsitzender der internationalen Expertenkommission, die die Forschenden für den Hans-Sigrist-Preis nominiert (siehe Infobox unten am Text). Wie Endimiani ausführt, wird die Auszeichnung jeweils Forschenden im mittleren Alter zuteil, die Aussicht haben, ihre Forschung dank des Preises fortzuführen und zu intensivieren.

Endimiani lobt Luciano Marraffini für den originellen Forschungsansatz und betont, dass dieser der vielversprechendste der evaluierten gewesen sei: «Bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, dass das CRISPR-System, sobald es gelungen ist, es umzufunktionieren, extrem zielgerichtet wird agieren können. So wird beispielsweise nicht wie bei den traditionellen Antibiotika die gesamte Darmflora angegriffen sondern nur genau das Bakterium, auf welches man es abgesehen hat.» 

Die Preisträgerinnen und Preisträger des Dies academicus 2015: Obere Reihe von links nach rechts: Prof. Dr. med. Moritz Tannast, Bettina Scharrer, Dr. phil. Stefanie Spahni, Prof. Dr. Martin Täuber (Rektor Universität Bern), Jennifer Gebetsberger, Prof. Luciano Marraffini, Prof. Dr. Wolfgang Nentwig Untere Reihe von links nach rechts: Dr. rer. oec. Jonas Zeller, Florian Müller, Maria Luisa Martinez Merino, Gina Retschnig, Dr. Pierrick Buri © Bild: Universität Bern / Manu Friedrich

Nähe zur Praxis entscheidend

Marraffini ist extra für die Preisverleihung nach Bern gekommen. Aufgefallen an der Uni Bern ist ihm besonders die Nähe des Inselspitals zu den Forschungsstätten. Marraffini betont, dass im Bereich der Forschung mit Antibiotika-Resistenzen die Nähe zu Kliniken und realen Patienten entscheidend sei. Sein Spezialgebiet sind Staphylokokken und insbesondere MRSA, im Volksmund Krankenhauserreger genannt. Diese sind resistent gegen fast alle Antibiotika, einige sogar gegen alle. Beängstigend sei insbesondere, dass solche resistenten Erreger sich neuerdings auch in Einrichtungen wie Sportanlagen oder Kindertagesstätten verbreiten. Dort sei ihnen schwerer beizukommen als in Spitälern, wo mit verbesserten Hygienestandards ein Rückgang der Erreger erreicht werden könne.

Zum Abschluss betont Marraffini die Wichtigkeit des Hans-Sigrist-Preises für ihn und seine Forschung. Der Trend gehe heute vermehrt in Richtung translationale Wissenschaften, wo die angewandte Forschung im Zentrum stehe. Grundlagenforschung, wie er sie betreibe, sei aber ebenso wichtig, nicht nur zur Eindämmung von Krankheiten, sondern auch weil sie entscheidende Erkenntnisse liefere, die in die Entwicklung neuer medizinischer Technologien fliessen.

 

Eine ausführliche Version des Interviews wird ab Anfang Januar 2016 auf der folgenden Seite zu finden sein: http://www.sigrist.unibe.ch/news/index_eng.html

Zur Person

Luciano Marraffini

Geboren 1974
1998 University of Rosario, Argentina, Licenciado en Biotecnologia
2002-2007 Ph.D. in Microbiology, University of Chicago, Chicago, Illinois, USA
2008-2010 Postdoc, Northwestern University, Evanston, Illinois, USA
seit 2010 Assistant Professor, The Rockefeller University, New York, New York, USA

Der Hans-Sigrist-Preis

Den Hans-Sigrist-Preis erhielt Prof. Dr. Marraffini auf Initiative der Medizinischen Fakultät. Der Hans-Sigrist-Stiftungsrat legt jeweils aus verschiedenen Vorschlägen das Wissenschaftsgebiet fest, aus welchem eine international zusammengesetzte Expertenkommission Forschende aus dem In- und Ausland nominiert. Der Stiftungsrat entscheidet schliesslich über die Vergabe. Das Preisgeld kann die Gewinnerin oder der Gewinner im Rahmen des Forschungszieles nach freiem Ermessen verwenden.

Mehr Informationen zur Hans-Sigrist-Stiftung

Zur Autorin

Brigit Bucher arbeitet als Stv. Leiterin Corporate Communication an der Universität Bern und ist Redaktorin bei «uniaktuell».

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