Tod und Spiele

Knochenanalysen zeigen, an welchen Verletzungen römische Gladiatoren litten. Warum viele trotz Helm am Kopf verletzt wurden, erklärte der Wiener Anthropologe Fabian Kanz in einer Vorlesung.

Von Christoph Leuenberger 28. Oktober 2014

Gladiatoren faszinieren. Bereits eine Viertelstunde vor Vorlesungsbeginn war der Hörsaal voll. «Ich bin überwältigt von diesem Ansturm», freute sich Caty Schucany, Präsidentin des Berner Zirkels für Ur- und Frühgeschichte. Grund dafür war der Wiener Professor für Anthropologie, Fabian Kanz, mit seinem Vortrag über Verletzungen bei Gladiatoren.

Als Randständige geächtet, als Stars gefeiert

Gladiatoren waren in erster Linie Sklaven, Gefangene oder verurteilte Verbrecher, erklärte Kanz. Ihr gesellschaftlicher Rang war dementsprechend niedrig. Gleichzeitig hatten aber verschiedene Gladiatoren eine grosse Fangemeinde und wurden wie heutige Popstars gefeiert.

Gladiatorendarstellung
Gladiatorendarstellung auf einem Mosaik. Bild: Wikipedia

Die ersten Gladiatorenkämpfe wurden von reichen Privatleuten veranstaltet. Später nutzten römische Politiker die Kämpfe, um sich bei der Bevölkerung beliebt zu machen. Mit Kaiser Augustus (63 v.Chr. bis 14 n.Chr.) wurde deren Austragung sogar zum kaiserlichen Privileg. «Gladiatorenkämpfe dienten der politischen Propaganda», meinte deshalb Kanz. Die Kämpfe waren Teil einer Veranstaltung, die einen ganzen Tag dauerte. Am Morgen fanden Tierjagden statt, am Mittag Hinrichtungen und am Nachmittag die Gladiatorenkämpfe.

Ein Kampf auf Leben und Tod

Gemäss Kanz war ein Kampf zwischen Gladiatoren ein Kampf auf Leben und Tod. Er hatte feste Regeln und wurde von Schiedsrichtern geleitet. Im Kampf unterlegene Gladiatoren konnten aufgeben. Der Spielveranstalter entschied in diesem Fall, ob der Unterlegene getötet werden soll oder begnadigt. Dass der Kampf feste Regeln hatte, konnte Kanz in seinen Untersuchungen bestätigen. «Wir fanden keine Verletzungen, die den Gladiatoren von hinten zugefügt wurden», so Kanz. «Die meisten Verletzungen finden sich am Schädel, der Halswirbelsäule und den Schulterblättern.»

Verletzungen der Gladiatoren
Die meisten Verletzungen fand Fabian Kanz am Schädel, der Halswirbelsäule und den Schulterblättern. Bild: Medizinische Universität Wien

Verletzungen hinterlassen Spuren in den Knochen

Die Verletzungen an der Halswirbelsäule und den Schulterblättern sind gemäss Kanz auf den Todesstoss zurückzuführen. Im Kampf unterlegene Gladiatoren, die nicht begnadigt wurden, mussten dazu vor dem Sieger niederknien. Dieser tötete sie mit einem Messerstich in den Hals oder ins Herz. Die Spuren dieser Verletzungen finden sich in den Knochen wieder. Über Verletzungen, die keine Spuren in den Knochen hinterlassen, kann Kanz demzufolge keine Aussagen machen.

Die meisten Gladiatoren trugen damals einen Helm, der sie vor Kopfverletzungen schützte. Kanz war deshalb verblüfft von der hohen Anzahl an Verletzungen am Schädel. Er hat zwei mögliche Erklärungen für diesen Widerspruch: «Entweder mussten die Gladiatoren während des Kampfs ihren Helm teilweise abziehen oder schwer verwundete Gladiatoren erhielten nach dem Kampf einen Gnadenstoss in den Kopf.» Je nach eingesetzter Waffe unterscheiden sich die Schädelverletzungen. Der Dreizack hinterlässt mehrere Löcher, das Schwert einen Einstich und der Schild einen zertrümmerten Schädel.

Schädel mit Verletzungen
Trotz Helm erlitten viele Gladiatoren Verletzungen am Schädel. Bild: Österreichisches Archäologisches Institut

Bemerkenswert war für Kanz aber auch, dass er viele sauber verheilte Verletzungen fand. So wurden Brüche teilweise geschient und Verletzungen gut versorgt. Ziel war es, die Gladiatoren wieder kampffähig zu machen. «Die Gladiatoren waren ein Investitionsgut», so Kanz. Die Besitzer hätten deshalb dafür gesorgt, dass sie gepflegt wurden.

Hundert Kisten voller Knochen aus Ephesos

Fabian Kanz zieht seine Erkenntnisse aus Knochen eines Gladiatorenfriedhofs. So untersuchte er neben Verletzungen auch die Ernährung der Gladiatoren. Dabei fand er mit der Berner Anthropologin Sandra Lösch vom Institut für Rechtsmedizin heraus, dass Gladiatoren vor allem Getreide und Bohnen assen sowie einen Aschetrank zur Regeneration einnahmen.

Fabian Kanz
Fabian Kanz untersuchte 100 Kisten voller Knochen. Bild: Christoph Leuenberger

Der Friedhof stammt aus dem zweiten bis dritten Jahrhundert nach Christus und liegt im damals römischen Ephesos (heutige Türkei). Er wurde vor gut zwanzig Jahren entdeckt. Ephesos war die Hauptstadt der römischen Provinz Asia und hatte über 200'000 Einwohner.

Fabian Kanz war bei den Ausgrabungen in Ephesos nicht selber dabei. Er erhielt die Knochen in sein Labor nach Wien geschickt; 100 Kisten insgesamt. Untersuchungen ergaben, dass es sich dabei um die Knochen von knapp siebzig Männern und einer Frau handelte. Bis auf eine Person waren es alles junge Erwachsene.

Die Vorlesung zur Analyse der Verletzungen römischer Gladiatoren ist Teil der Vortragsreihe «Berner Kolloquium zur Antike» des Instituts für Archäologie und wurde mit dem Berner Zirkel für Ur- und Frühgeschichte organisiert.

Oben