Staudämme bauen oder Sandsäcke stapeln?

Stürme, Überschwemmungen, Hitzewellen: Wie Gesellschaften auf vom Klimawandel ausgelöste Wetterextreme reagieren, ist nicht zuletzt eine Kostenfrage. Ihr geht der Berner Umwelt- und Klimaökonom Ralph Winkler auf den Grund.

Von Martin Zimmermann 28. August 2014

Klimawissenschaften und Volkswirtschaftslehre, harte Physik und das liebe Geld – eine auf den ersten Blick unpassende Kombination. Nicht so für Ralph Winkler: Seit März 2014 besetzt der 41-Jährige die neue ausserordentliche Professur für Umwelt- und Klimaökonomik an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Bern. «Ich habe Volkswirtschaft und Physik studiert», sagt Winkler mit einem breiten Lächeln, «die Umweltökonomie erschien mir da als logische Konsequenz».

Der Klimawandel bezeichnet er als «Hot-Topic», als heisses Eisen, unter den Umweltthemen: «Es gibt vielleicht noch Unsicherheiten über die konkreten Auswirkungen der globalen Erwärmung. Klar ist aber: Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist nicht nachhaltig. Die Kosten des Klimawandels werden unter- und die Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen überschätzt.» Winklers Forschung kreist insbesondere um die Frage, wie teuer uns und unseren Kindern die globale Erwärmung zu stehen kommt – und was es kostet, diese Erwärmung zu verhindern.

Dorf mit überfluteten Strassen
Ob Hitzewellen oder Hochwasser – der Schutz vor Auswirkungen des Klimawandels ist auch eine Kostenfrage. Bild: Bernhard Blank, Hades

Nach uns die Sintflut

Die ökonomische Betrachtung des Klimawandels lässt sich in drei Themenfelder aufgliedern, wie der gebürtige Münchner sagt: intergenerationelle Gerechtigkeit, internationaler Lastenausgleich sowie Anpassungsstrategien.

Beim ersten Thema geht darum, wie viel unsere Gesellschaft in den Klimaschutz zu investieren bereit ist, damit unsere Nachkommen nicht unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben. «Wir haben hier eine unübliche Kosten-Nutzen-Frage, weil sie über Generationen hinweg betrachtet wird. Ich habe ja selbst nichts davon, wenn ich Verzicht übe, um meinen Enkeln eine intakte Umwelt zu hinterlassen.» Daher, so Winkler, sei der Anreiz sich zu engagieren für den Einzelnen bis dato eher gering.

Jeder ein Trittbrettfahrer

Den internationalen Lastenausgleich beim Klimaschutz sieht der Forscher vorderhand als das dringendere Problem an: «Wir haben einerseits ein globales Problem und andererseits Nationalstaaten, welche ihre eigenen Interessen im Blickfeld haben.» Das führt laut Winkler zum Paradox, dass es zwar einen breiten Konsens darüber gibt, dass die globalen CO2-Emmissionen gesenkt werden müssen.

Dennoch komme kein internationales Abkommen zustande, weil sich alle als Trittbrettfahrer verhielten und auf die Emissionsvermeidungen der anderen hofften, so Winkler, «schliesslich profitieren wir auch von einer CO2-Reduktion in anderen Ländern. Wenn sich aber jeder auf den Anderen verlässt, vermeidet am Schluss keiner.» In den nächsten Jahren gelte es deshalb ein Abkommen zu kreieren, welches die finanzielle Last der CO2-Vermeidung so verteilt, dass alle Länder einen Anreiz haben, ihm beizutreten und es auch einzuhalten.

Fotografie von Ralph Winkler
Ralph Winklers Forschung kreist um die Kosten des Klimawandels. Bild: Zvg

Kosteneffizienz versus Risiko-Minimierung

Selbst wenn ein solches Abkommen bald zustande käme, würde die globale Erwärmung nicht von heute auf morgen stoppen, gibt Winkler zu bedenken. «Wegen der Trägheit des Klimasystems wird sie noch Jahrzehnte lang weitergehen. Extreme Wetterereignisse werden also zunehmen, was für die Schweiz mehr Stürme, Überschwemmungen und Hitzewellen bedeutet.» Damit rückt ein weiteres Thema besonders in den Fokus: Die Anpassung der Gesellschaft an die Folgen des Klimawandels.

Winkler bringt ein Beispiel aus dem Hochwasserschutz: Man könne etwa in Staudämme aber auch in Sandsack-Barrieren investieren. «Erstere sind sehr teuer, schützen dafür die ganze Bevölkerung flussabwärts. Letztere sind sehr günstig, schützen die Bevölkerung aber nur an kleinen Flussabschnitten.» Ob man nun auf Risikominimierung oder Kosteneffizienz setze, sei indes nicht nur eine Kostenfrage. «Auch andere Werte, wie zum Beispiel Natur- und Landschaftsschutz, spielen für den politischen Entscheidungsprozess eine wichtige Rolle.»

Gerade das föderalistische politische System der Schweiz mache es manchmal schwierig, Lösungsansätze zu finden, welche über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinaus wirkten, sagt Ralph Winkler. Die Suche nach ausgewogenen Anpassungsstrategien gehört denn auch zu seinen Kernaufgaben – ein langfristiges Unterfangen: «Die Anpassungs-Forschung ist ein junges Feld. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, welche Probleme mit dem Klimawandel auf uns zukommen.»

Das ProClim-Symposium

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Schweiz? Und wie können wir uns dagegen wappnen? Darüber diskutierten Wissenschaftler am internationalen ProClim-Symposium in der UniS. Die Veranstaltung wurde am 27. August von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz durchgeführt. Zu den Referenten gehörte der Berner Ökonom Ralph Winkler (siehe Haupttext). Er ist Mitglied des Sinergia-Projekts «CCAdapt» des Schweizerischen Nationalfonds. CCAdapt wird von Gunter Stephan vom Departement Volkswirtschaftslehre und dem Oeschger-Zentrum für Klimafolgenforschung der Uni Bern geleitet und konzentriert sich auf die Erforschung von Anpassungsstrategien an den Klimawandel in der Schweiz.