«ROSINA hat hervorragende Resultate geliefert»

Noch sind es sieben Wochen bis zur historischen Landung der «Rosetta»-Mission auf Chury. Doch schon jetzt beginnt der Komet seine Geheimnisse zu enthüllen. Einige davon wurden gestern an der Uni Bern, die am Unternehmen der ESA beteiligt ist, der Öffentlichkeit präsentiert.

Von Martin Zimmermann 19. September 2014

Das Herzschlagfinale der langjährigen «Rosetta»-Mission der europäischen Weltraumagentur ESA rückt näher: In rund sieben Wochen soll sich der Lander «Philae» von der Raumsonde Rosetta abkoppeln und auf dem vier Kilometer grossen Kometen Tschurjumow-Gerassimenko – kurz «Chury» – landen. Noch ist der Erfolg dieses riskanten Manövers unsicher – es wäre das erste Mal, dass ein Raumfahrzeug auf einem Kometen aufsetzt.

Wie die Landung auch ausgehen mag: Für die Berner Weltraumforscherin Kathrin Altwegg ist Rosetta jetzt schon ein Erfolg, wie sie gestern an einem öffentlichen Info-Anlass über die ersten Ergebnisse der Mission sagte: «Die Kometenwissenschaften, unser Verständnis von der Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems, der Herkunft des irdischen Wassers und letztlich der Entstehung des Lebens werden mit Hilfe von Rosetta und ROSINA einen grossen Schritt vorwärts kommen.»


Historischer Moment: Der Landeanflug von «Philae». (Grafik: ESA–J. Huart, 2014 & ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS / UPD / LAM / IAA / SSO / INTA / UPM / DASP / IDA)

Eisregen auf Chury

ROSINA ist das Massenspektrometer, welches seit nunmehr zehn Jahren in Rosettas Metall-Eingeweiden durchs All reist. Das Hightech-Gerät wurde an der Universität Bern entwickelt. Seit Anfang August 2014 misst es die Atmosphäre des Kometen, die Koma. «ROSINA hat bereits hervorragende Resultate geliefert», sagte Altwegg, «und dies, obwohl sich die Sonde erst seit rund eineinhalb Monaten im Orbit um den Kometen befindet».

Überraschend sei etwa die grosse Variation in der Dichte der Koma: Der gemessene Druck in der «Atmosphäre» von Chury schwankt laut Altwegg regelmässig mit der Rotation des Kometen um den Faktor 2 bis 3 – je nachdem, wie er gerade relativ zur Sonde steht. «Von Zeit zu Zeit allerdings haben wir eine kleine Spitze im Druckverlauf, welche etwa 15 Minuten dauert. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Eiskörner auf der Sonde landen und dann verdampfen.»


Das ROSINA-Massenspektrometer der Uni Bern liefert bereits wertvolle Informationen über Chury. (Bild: UniBE)

Überraschend vielfältige Kometen-Atmosphäre

ROSINA analysiert auch die Hauptbestandteile der Koma: Wasser, Kohlenmonoxyd und Kohlendioxyd. Schaue man sich die Messungen näher an, so Altwegg, dann stelle man aber eine weitaus reichere chemische Diversität fest als man auf dieser Entfernung von der Sonne erwarten könne. In der Atmosphäre von Chury kommen demnach unter anderem Schwefel, Stickstoff sowie Moleküle vor, die auf das Vorhandensein von Polymeren oder sogar aromatischen Kohlenwasserstoffen hindeuten, schweren organischen Molekülen also. Dank organischer Moleküle entwickelte sich hier auf der Erde vermutlich einst das Leben.

Einige Resultate der Mission unterliegen indes bis zur Publikation in der Fachzeitschrift «Nature» im Dezember 2014 einem Embargo. Dazu gehört insbesondere das Verhältnis von Wasserstoff und Deuterium, einer «schwereren» Variante des Wasserstoffs. Ihr Verhältnis im Wasser Churys wird darüber Aufschluss geben, ob das irdische Wasser von Kometen stammt, wie es die Wissenschaft bislang vermutet.


Der Landeplatz liegt auf dem «Kopf» des Kometen. (Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA)

Derzeit ist Rosetta rund 29 Kilometer von Chury entfernt. Die Landung Philaes ist für den 11. November vorgesehen. Sie soll auf dem «Kopf» des Kometen erfolgen, dessen Form an eine Gummiente erinnert. Der Reservelandeplatz befindet sich auf dem «Körper» Churys.

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