Die Wissenschaft in der «Klimafalle»

Der deutsche Klimatologe Hans von Storch warnte an einem Vortrag an der Uni Bern vor einer zu grossen Nähe von Klimawissenschaft und Politik. Lob gab es hingegen für die «offene und undogmatische» Berner Klimaforschung.

Von Martin Zimmermann 19. Februar 2014

Es klingt paradox: Während sich die Vermutung der Wissenschaft, dass der menschengemachte Klimawandel stattfindet, zur Gewissheit verdichtet hat, wächst die Sorge in der Öffentlichkeit darüber seit Jahren kaum mehr; internationale Klima-Konferenzen scheitern. Die Wissenschaft ist in die «Klimafalle» getappt, wie der Hamburger Klimaforscher Hans von Storch in seinem gleichnamigen Buch postuliert.

Von Storch erläuterte seine brisante These an der «Mobiliar Lab Lecture» der Versicherung Mobiliar und des Berner Oeschger-Zentrums für Klimaforschung: «Viele Klimawissenschaftler lassen sich von Politikern vor den Karren spannen», sagte er im voll besetzten Auditorium Maximum. «Die Forscher sollen ihnen nicht bloss neue Erkenntnisse sondern gleich die Basis für eine alternativlose Politik liefern.» Durch diese Politisierung habe die Forschung an Glaubwürdigkeit verloren.

Von Storch bei seinem Referat
Hans von Storch kritisiert die Nähe von Politik und Wissenschaft. Bild: Marcus Moser, Abteilung Kommunikation

Entpolitisierung der Politik

Als Beispiel einer solchen Politisierung nannte von Storch das Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu begrenzen. Dieses im Grunde normative Ziel werde als wissenschaftliche Notwendigkeit verkauft: «Eine politische Diskussion darüber zu führen, ist dann nicht mehr nötig. Dies zieht aber letztlich die Entpolitisierung der Politik nach sich.» Wie man mit dem Klimawandel umgehen wolle, sei nämlich immer eine politische Frage und müsse als solche auch ausdiskutiert werden, so von Storch. «Wissenschaft soll hier gar nicht das letzte Wort haben.»

Die Ursache für die Klimafalle sieht er in den unterschiedlichen Deutungsmustern von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Für erstere sei der Erkenntnisprozess nie abgeschlossen und inhärent unsicher: «Es gibt eine globale Neigung zur Erwärmung und zu mehr Wetterextremen. Diese können wir – zumindest bislang – nicht ohne die zusätzlichen Treibhausgase in der Atmosphäre erklären.» Dieser Erklärungsansatz geniesst unter Klimawissenschaftlern wie Storch inzwischen eine überwältigende Zustimmung. Noch offen bleiben indes konkrete Auswirkungen dieser Erwärmung, etwa wie stark der Meeresspiegel ansteigen wird.

Überflutete Strassen
Ob «Klimatastrophe» oder der «Zorn Gottes»: Desaster wie Überschwemmungen wecken das Bedürfnis nach einfachen Antworten. Bild: Brainseller/Flickr.com

Die Deutung in der Öffentlichkeit hingegen vermittelt laut von Storch das Bild der «Klimakatastrophe»; reisserische Schlagzeilen wie «Unser Planet stirbt!» inklusive. Die Welt sei wegen unserer Gier und Dummheit in Gefahr, so der Tenor, und müsse von der Wissenschaft gerettet werden. Unsicherheiten und Wissenslücken werden demnach heruntergespielt – was wiederum dazu führen kann, dass die Bevölkerung etwa nach einem kalten Winter den Klimawandel als ganzes in Zweifel zieht. «Dabei bedeutet die globale Erwärmung nicht, dass es keine harten Winter mehr geben wird», erklärte von Storch. «Es werden vermutlich einfach weniger sein.»

Absage an Klimaskeptiker

Bei aller Kritik an diesem «Alarmismus» erteilt Hans von Storch auch den sogenannten Klimaskeptikern eine Abfuhr. Diese bezweifeln, dass der Klimawandel eine menschliche Ursache hat, oder sie negieren die Erwärmung gleich ganz. Das Problem dabei: Klimaskeptiker dächten sich die Wissenschaft von hinten, so der Klimatologe: «Sie befürchten, Klimaschutzmassnahmen seien lediglich ein Mittel der Politik zur Disziplinierung der Gesellschaft und zum Abbau persönlicher Freiheiten. Und weil das nicht sein darf, müssen die Erkenntnisse der Wissenschaft falsch sein.» Manche würden Naturkatastrophen gar als Strafe für die Sünden der Menschen abtun. Ein britischer Politiker etwa bezeichnete die jüngsten Überschwemmungen als «göttliche Vergeltung» für die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die Regierung.

Hans von Storch mit Gastgeberin Prof. Olivia Romppainen-Martius
Hans von Storch mit Gastgeberin Prof. Olivia Romppainen-Martius vom Mobiliar Lab am Geographischen Institut. Bild: Marcus Moser, Abteilung Kommunikation

Hans von Storch plädiert für eine «Wissenschaft der Mitte», welche sich weder von «Skeptikern» noch von «Alarmisten» vereinnahmen lässt. Die Klimatologie solle nicht selbst Politik machen, sondern den Politikern nur das Wissen bereitstellen, damit diese fundierte Entscheidungen treffen können, wie dem Klimawandel begegnet werden soll. Ausdrücklich lobte von Storch dabei die Klimawissenschaft der Universität Bern – diese stand letzten Herbst durch ihre tragende Rolle beim jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC im internationalen Rampenlicht. Trotz des Ruhmes seien die Berner Klimatologen «offen und undogmatisch» geblieben.