Der El Niño lauert
Wissenschaftler erwarten für 2014 eine Rückkehr des Klima-Phänomens El Niño im Pazifik. Der Berner Klimatologe Stefan Brönnimann gibt Auskunft darüber, wie wahrscheinlich so ein Ereignis ist – und was für Auswirkungen es haben könnte.
«How El Niño will change the world's weather in 2014», «Weltorganisation für Meteorologie erwartet Auftreten von El Niño», «El Niño lauert über den Börsen» – in den letzten Wochen sorgte die erwartete Rückkehr des Klima-Phänomens El Niño, eine Erwärmung des Ostpazifiks, für Schlagzeilen. Verständlich, schliesslich führte 1997 und 1998 ein heftiger El Niño vorab in Südamerika und Ostasien zu Wetterkapriolen wie Dürren und Überschwemmungen. Auch für 2014 sagen manche Beobachter einen starken El Niño voraus. Erste Anzeichen: Im Ostpazifik steigen bereits die Wasser-Temperaturen.

Das Christkind im Pazifik
El Niño, das Kind oder Christkind genannt, weil er in der Regel um die Weihnachtszeit auftritt, bezieht sich auf eine alle drei bis sieben Jahre wiederkehrende Erwärmung des tropischen Pazifiks. Das letzte Mal trat er 2009 auf, wenn auch in relativ schwacher Form.
Doch wie kommt ein El Niño eigentlich zu Stande? Stefan Brönnimann erklärt das Phänomen wie folgt: Bei «neutralen» El-Niño-Verhältnissen herrschen in den Gewässern des Westpazifiks hohe Temperaturen. Im Ostpazifik sieht es auf der gleichen geografischen Höhe hingegen ganz anders aus. Bei den Galapagos- Inseln etwa ist das Wasser weitaus kälter. Der Grund dafür: Von Osten her kommende Passatwinde treiben das warme Wasser an der Oberfläche nach Westen Richtung Indonesien und Australien. Dieses wird von kaltem Wasser aus den Ozeantiefen vor der steil abfallenden Westküste Südamerikas ersetzt.
2015: neuer Temperaturrekord?
Bei einem El Niño verlangsamt sich der Passat. Ein Teil des warmen Wassers fliesst nach Osten zurück und erwärmt dort den Ozean. Das Aufquellen von kaltem Tiefenwasser wird unterbunden. Eine Erwärmung des zentralen tropischen Pazifiks um mehr als 0.5 Grad Celsius gilt als El Niño – der El Niño von 1998 trieb die Temperatur des Wassers um über 2 Grad in die Höhe. Für den bevorstehenden El Niño gehen die meisten Modelle von rund 1 Grad aus.
Im Verlaufe von rund einem halben Jahr «schwappt» die Wärme aus dem Pazifik in den Atlantik und den Indischen Ozean hinüber. Die von den Ozeanen erwärmten Luftmassen lassen dann auch die globalen Temperaturen ansteigen. «Es ist möglich, dass wir 2015 deshalb einen neuen Temperaturrekord erleben», sagt Stefan Brönnimann.

Auswirkungen auf Europa eher gering
Auch die Auswirkungen eines El Niños auf das Wetter können global spürbar sein: So kann das Phänomen im Westpazifik, im östlichen Südamerika und in Ostafrika zu einem schwachen Monsun und damit zu Dürren und Waldbränden führen. Demgegenüber sind im westlichen Südamerika sowie in Nordamerika starke Niederschläge und Überschwemmungen zu erwarten.
Weniger drastisch sind die Auswirkungen hier in Europa, wie Brönnimann sagt: «Es wird vermutet, dass El Niño im Norden des Kontinents kältere und niederschlagreichere Winter begünstigt. Man sollte die Verbindung zwischen den beiden Phänomenen aber nicht überbewerten.»
Weiterführende Informationen
Die kalte La Niña
Das Gegenteil des El Niños ist La Niña, das Mädchen: Wenn die Passatwinde stärker sind als üblich, steigt vor der Westküste Südamerikas besonders viel kaltes Wasser an die Oberfläche. Resultat: Die globale Mitteltemperatur sinkt. In den letzten Jahren gab es eine Häufung von La Niñas, was mit ein Grund für den – trotz Klimawandel – langsameren Anstieg der globalen Mitteltemperatur sein dürfte. Die Erwärmung ist allerdings nicht verpufft, sondern hat sich lediglich verlagert: Statt die Atmosphäre hat sich der tiefe Ozean besonders stark erwärmt, weil durch die La Niñas warmes Wasser in die Tiefen des Ozeans verlagert wurde.