«Das politische System der Schweiz kann man nicht erklären»

Alt Bundesrat Christoph Blocher sprach an der Universität Bern über die «Bedeutung, Funktionsweise und Konkordanz des schweizerischen Bundesrats». Eingeladen hat ihn Professor Adrian Vatter im Rahmen seiner Vorlesung über das politische System der Schweiz.

Von Christoph Leuenberger 10. Oktober 2014

Der Andrang war gross. Obwohl der Hörsaal im vonRoll-Areal 200 Plätze fasst, fanden nicht alle, die Christoph Blocher hören und sehen wollten, einen Sitzplatz. Wer in den Hörsaal wollte, musste sich zudem gedulden. Am Eingang fanden Sicherheitskontrollen statt. Für die Studierenden seien die Sicherheitsvorkehrungen zwar ungewöhnlich, aber leider nötig, meinte Vatter.


Grosser Andrang im Hörsaal 003 auf dem vonRoll-Areal (Fotos: Christoph Leuenberger).

Der Master der SVP spricht zu angehenden Mastern SVP

Adrian Vatter erinnerte an den Werdegang von Christoph Blocher, an seine Zeit im National- und Bundesrat sowie an seine Rolle in der SVP. «Christoph Blocher hat die Schweizer Politik sehr stark geprägt. Der Aufstieg der SVP wäre ohne ihn kaum vorstellbar», so Vatter. Er freue sich sehr, dass Blocher die Einladung an die Uni Bern angenommen habe und seinen Master-Studenten Rede und Antwort stehe. Das entsprechende Master-Studium nenne sich übrigens abgekürzt Master SVP. SVP stehe hier aber nicht für Schweizerische Volkspartei sondern für Schweizer Politik und vergleichende Politik. «Heute spricht somit der Master der SVP zu den angehenden Mastern SVP», scherzte Vatter.


Christoph Blocher, wie man ihn aus den Medien kennt.

Die Schweiz, eine wohlgeordnete Anarchie

Wenn er die Schweiz in wenigen Worten beschreiben müsste, wäre sie für Blocher eine wohlgeordnete Anarchie. «Jeder in der Schweiz hat eine dumme Röhre und kann mitreden», witzelte er. Dies sei unangenehm für die Politik, aber gut für den Staat. In der Schweiz gebe es keine Anhäufung von Macht. Und dies sei gut so. Die oberste Behörde in der Schweiz sei das Volk, an zweiter Stelle komme das Parlament und zuletzt der Bundesrat. «Als ich aus dem Bundesrat abgewählt wurde, habe ich somit innert Sekunden einen grossen Karrieresprung gemacht. Vom Mitglied des Bundesrat wurde ich Teil des Volks und somit der obersten Behörde,» meinte Blocher.


Adrian Vatter ist es wichtig, dass seine Studierenden auch Stimmen aus der politischen Praxis hören.

Für ihn ist aber klar: «Die hohe Lebensqualität in der Schweiz verdanken wir der Staatsform.» Die wichtigsten Elemente sind für ihn die Unabhängigkeit gegen aussen, die direkte Demokratie, die Neutralität und ein schlanker Staat.

«Der Bundesrat ist ein ohnmächtiges Geschöpf»

Die Stellung des Bundesrats zeigt sich für Blocher darin, dass der Bundesrat in der Bundesverfassung erst in Artikel 174 BV erwähnt werde. Demgemäss sei der Bundesrat ein «staatsleitendes Organ, das die Verwaltung leitet», meinte Blocher. Der Bundesrat könne nichts alleine entscheiden. Das letzte Wort habe jeweils das Volk. Und dazwischen komme noch das Parlament. Seiner Meinung nach sei der Bundesrat auch kein Fachgremium, sondern eine politische Behörde. Die Mitglieder des Bundesrats sollen Meinungen vertreten. Sie seien gewählt, um ihre politische Ansichten einzubringen. Sie müssen seiner Meinung nach nicht viele Sprachen können oder wissen, wie man Verhandlungen führe. Dafür sei die Verwaltung da.

Es sei zudem auch schwierig, dass sieben so unterschiedliche Personen gemeinsame Entscheide treffen müssten. Als Mitglied des Bundesrats habe er sich immer an die Mehrheitsentscheide gehalten und diese gegen aussen vertreten. «Ich bin aber kein politischer Eunuch. Ich konnte deshalb auch als Bundesrat nicht für Dinge einstehen, die ich nicht gut fand», meinte Blocher.


Christoph Blocher brachte die Leute mit seinen Sprüchen immer wieder zum Schmunzeln.

«Sind Sie verantwortlich, Herr Blocher, dass es die Zauberformel nicht mehr gibt?»

In der abschliessenden Fragerunde kamen unter anderem die Ecopop-Initiative, die Zauberformel, die Volkswahl des Bundesrats oder auch das Thema Fremdenfeindlichkeit zur Sprache. Ob er für das Ende der Zauberformel verantwortlich sei, fragte ein Student. «Ich weiss es nicht. Es ist mir auch egal,» antwortete Blocher. Harmonie sei nicht sein Ziel. Auch eine harmonische Ehe sei langweilig. Er fände es besser, wenn um Themen gestritten werde.

Blocher erntete immer wieder Lacher. Seine Sprüche kamen an: «Friedrich Engels war ein guter Ökonom, aber kein guter Politiker. Sonst hätte er nicht das Kommunistische Manifest mitverfasst.» Er sprach frei und wechselte auch von Schriftdeutsch zu Mundart. So hiess es dann halt auch mal «das gaht ja nöd» oder «Napoleon hät nume de Chlotz welle».

Adrian Vatter lud schon mehrmals wichtige Politiker aus unterschiedlichen Parteien an seine Vorlesungen ein. «Es ist mir wichtig, dass meine Studentinnen und Studenten auch Stimmen aus der politischen Praxis hören», so Vatter.

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