«Blackfoot» – eine vom Aussterben bedrohte Sprache

Nomadismus, Kolonialisierung und Assimilation, aber auch Tradition und Zusammenhalt prägen die Geschichte der Blackfoot-Indianer. Ihre Sprache «Blackfoot» ist im Begriff, zu verschwinden. Fernando Zúñiga vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Bern führte im Rahmen der Vortragsreihe «Buch am Mittag» in die kulturellen und sprachlichen Eigenheiten der Blackfoot-Indianer ein.

Von Lisa Fankhauser 12. Dezember 2014

«Nitsítaapi», unser Volk. So bezeichnen sich die Blackfoot-Indianer, deren Kultur und Sprache der Linguistik-Professor Fernando Zúñiga seit 2009 im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht. Bei den Blackfoot handelt es sich um eine indianische, ungefähr 15 000 Personen umfassende Stammesgruppe, die sowohl im Süden der kanadischen Prärieprovinz von Alberta als auch im Norden und Südwesten des US-Bundesstaates Montana lebt. Die Blackfoot sind in vier kulturell, historisch und sprachlich eng verwandten Stämmen organisiert. Es besteht teils reger, teils weniger intensiver Austausch unter den Stämmen: «Mit dem US-Stamm wird weniger Kontakt gepflegt, die kanadischen Reservate hingegen kommunizieren eher untereinander», erläuterte Fernando Zúñiga.

Karte eines ehemaligen Siedlungsgebietes
Das ehemalige Siedlungsgebiet (grün) und die heutigen Reservate der Blackfoot-Indianer (orange). Foto: Wikipedia

Konsens, Sonnentanz und Assimilation

Traditionell beschäftigten sich die Blackfoot mit der Bisonjagd und der Handwerkskunst wie beispielsweise der Korbflechterei. Krieg, Handel und Nomadismus prägten ihr Leben. Noch heute leben die Indianer in patriarchalischen Grossfamilien. Besonders wichtig innerhalb der Stämme ist der Konsens bei Entscheidungen. Der Sonnentanz stellt die bedeutendste Zeremonie dar. Die gut dokumentierte Geschichte der Blackfoot-Stämme beschreibt etwa die Einführung des Pferds und der Feuerwaffen zu Beginn des 18. Jahrhunderts, die Kolonialisierung durch die Europäer, die Quasiausrottung des Bisons sowie den Beginn der Assimilationspolitik Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die Stammeskinder in Internate geschickt, um sie «umzupolen, was eine grosse historische Wunde für das Volk bedeutet», so Zúñiga. Ferner beeinflussten Epidemien, Hungersnöte und Verträge mit der Regierung massgeblich die Entwicklung der Blackfoot, die seit 1880 hauptsächlich in Reservaten leben.

«Blackfoot» – eine komplexe, an Informationen reiche Sprache

Die Stammessprache «Blackfoot» gehört den Algokinsprachen an, einer in Nordamerika beheimateten Sprachfamilie der indigenen amerikanischen Sprachen. Linguistisch zeichnet es sich durch wenige Vokale und Konsonanten sowie einen komplizierten Wortbau aus. Ähnlich wie das Japanische bedient es sich der Töne. Zudem teilt «Blackfoot» die Welt in Belebtes und Unbelebtes ein: sich bewegende Dinge wie der Mensch gelten als belebt; Dinge, die sich nicht bewegen, wie etwa Holz, sind unbelebt. «Blackfoot ist also eine Sprache, die sich nicht scheut, viele Informationen zu geben» sagte Zúñiga. Insgesamt spricht ein Drittel der Stammesangehörigen «Blackfoot», hauptsächlich die Erwachsenen. Junge Blackfoot kommunizieren in Englisch.

Frances Densmore und Blackfoot Mountain Chief
Die Ethnologin Frances Densmore bei Tonaufnahmen mit Blackfoot Mountain Chief im Jahr 1916.

Alkoholismus, Arbeitslosigkeit und fehlende Ausbildung als aktuelle Herausforderungen der Blackfoot-Stämme

Heute sind die Stämme der Blackfoot administrativ in Stammesräten organisiert. Diese bestehen jeweils aus einem Chief und zwölf Räten. Da die Kinder «Blackfoot» nicht mehr lernen, ist die Sprache vom Aussterben bedroht. Die seit 2008 in Reservatsschulen unternommenen Bemühungen, das Lernen von «Blackfoot» zu fördern, führten bisher zu keinen signifikanten Ergebnissen. Die Situation ist akut. «Ich kenne kein Kind, das die Sprache lernt, «Blackfoot» überlebt deshalb die nächsten 50 Jahre wohl nicht», erklärte Zúñiga. Obschon Ethnologen und Linguisten beim Verschwinden einer Sprache das Verschwinden der betreffenden Kultur voraussagen, trifft dies laut Zúñiga wahrscheinlich im Fall der Blackfoot nicht zu.

Indizien für die Vitalität der Blackfoot-Kultur finden sich in den Familienstrukturen wie auch in der Stammesorganisation, den Sommerzeremonien sowie dem ausgeprägten sozialen Zusammenhalt. Herausforderung ist die wirtschaftliche und gesundheitliche Situation. Eine grosse Rolle spielen dabei Alkoholismus, die hohe Arbeitslosenquote und die fehlende Ausbildung bei der Hälfte der Blackfoot. Zudem erkranken Stammesmitglieder überdurchschnittlich oft an Diabetes oder Tuberkulose und die Lebenserwartung liegt fünf Jahre tiefer als die der Kanadier europäischer Abstammung. Der starke soziale Zusammenhalt kann den Blackfoot aber helfen, den Herausforderungen zu begegnen und diese zu meistern.

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