Bandscheiben mit Seide reparieren

Rückenschmerzen könnten vielleicht bald geheilt werden. Berner Forschende untersuchen, ob degenerierte Bandscheiben mit einem Gewebe aus gentechnisch veränderter Seide regeneriert werden können.

Von Sandra Flückiger 13. Februar 2014

80 Prozent der Menschen leiden mindestens ein Mal in ihrem Leben an Schmerzen im unteren Rücken. Dies verursacht hohe sozio-ökonomische Kosten, da oft Personen im Alter von 25 bis 60 Jahren betroffen und für eine längere Zeit arbeitsunfähig sind. Häufig sind beschädigte Bandscheiben die Ursache für solche Schmerzen. Beheben kann man sie bisher, indem Bandscheiben entfernt oder stabilisiert werden.

«Regenerative Methoden, mit denen die Degeneration gestoppt werden kann oder die Bandscheibe im besten Falle wiederhergestellt werden könnte, sind dringend notwendig», sagt Benjamin Gantenbein vom Institut für chirurgische Technologien und Biomechanik (ISTB) der Universität Bern. Das Ziel des nun gestarteten Forschungsprojekts «Silk-o-Disc» besteht deshalb darin, eine biologische Lösung zu finden, um Bandscheiben zur Selbstheilung zu animieren.

Seidenspinner-Raupen
Seidenspinner-Raupen – für dieses Projekt gentechnisch verändert – liefern mit ihren Kokons das Rohmaterial für neues Gewebe an der Bandscheibe. Bild: Tom Wüthrich / Swiss Silk

Abdichten wie bei einem platten Reifen

Die Reparatur einer degenerierten Bandscheibe ist mit der eines platten Reifens vergleichbar: «Zuerst muss die äussere Gewebeschicht repariert werden. Das ist eine Herausforderung, denn ihre Fähigkeit zur Selbstheilung scheint sehr begrenzt zu sein», erklärt Projektleiter Gantenbein. Erst dann könne zum Beispiel ein Hydrogel injiziert werden, das zwischen den Wirbeln wie ein Kissen wirkt und Stösse abfängt – wie dies in einer gesunden Bandscheibe der Fall ist.

An dieser Stelle kommt die Seide ins Spiel. «Seide von gentechnisch veränderten Raupen wird zu einem Gewebe gesponnen, das wie ein Pflaster die äussere Gewebeschicht der Bandscheibe abdichtet», erläutert Gantenbein den einmaligen Ansatz des Forschungsprojekts. Speziell an der von Firmenpartnern hergestellten Seide ist, dass sie einen Wachstumsfaktor enthält, welcher auf die Seide aufgetragene Stammzellen zu Bandscheibenzellen heranreifen lässt. «So soll sich aus diesem Gespinst von Seide und Zellen ein der Bandscheibe ähnliches Gewebe entwickeln.»

Porträt von Petra Wirtz
Fertige Bandscheiben aus dem 3D-Drucker? Ein Zukunftsszenario. Vorerst erforscht ein Berner Team, ob der Drucker Gewebe aus Seide herstellen kann. Bild: Benjamin Gantenbein, ISTB

Da Seide geschmolzen werden kann, will der Molekularbiologe ausserdem untersuchen, ob dieses Seiden-Zell-Gerüst für den Gewebeaufbau auch mit einem 3D-Drucker hergestellt werden könnte.

Überbrücken von Finanzierungslücken

Das Projekt des Berner Forschungsteams wird während seiner Laufzeit von drei Jahren mit insgesamt 300'000 Franken von der Gebert Rüf Stiftung unterstützt. Diese betreibt gemäss eigenen Angaben Innovationsförderung in der Schweiz und wählt dafür insbesondere Projekte aus, die sich im «Tal der Tränen» befinden. Dies ist eine Finanzierungslücke, welche entsteht, wenn einerseits keine Grundlagenforschungsgelder mehr zur Verfügung  stehen und andererseits noch kein Startkapital für die Umsetzung.

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