Wenn Mädchen gamen und Buben Tiere pflegen

Am nationalen Zukunftstag an der Uni Bern besuchten über 100 Schülerinnen und Schüler die Alma Mater. Sie erhielten Einblicke in «untypische» Forschungsbereiche und räumten mit Vorurteilen über sogenannte Frauen- und Männerberufe auf.

Von Sandra Flückiger 15. November 2013

Wie züchtet man selber Kristalle? Was macht den 3D-Effekt eines Bildes aus? Wie kann man neue Sprachen erfinden? Und warum will die Kuh nicht mehr fressen? Der nationale Zukunftstag bot Mädchen und Jungen der 5. bis 7. Klasse einen vielfältigen Einblick in fünf Disziplinen an der Universität Bern – und zudem die Möglichkeit, die Seiten zu wechseln: So lernte etwa eine Mädchengruppe am Institut für Informatik Smartphone-gesteuerte Roboter kennen und konnte selbst ein Computerspiel zeichnen und animieren. «Wir hatten viel zu lachen. Bei unserem virtuellen Aquarium sank eine Luftblase immer wieder auf den Boden, statt aufzusteigen», erzählte die 12-jährige Janin Steck. Sie findet die Informatik spannend, will aber später nicht auf diesem Gebiet arbeiten. «Mir gefallen andere Berufe besser, zum Beispiel im Gesundheitswesen.»


Über 100 Kinder erhielten am Zukunftstag einen Einblick in die Forschung an der Uni Bern. (Bilder: Abteilung Kommunikation)

Mädchen im Labor, Jungen im Tierspital

Bei einem Rundgang lernte eine weitere Mädchengruppe die Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie kennen, darunter die Geschichte der Rosetta-Sonde, die Werkstatt sowie das grosse Labor, in dem Instrumente für den Gebrauch im Weltall getestet werden. Danach hiess es, selbst mit Werkzeugen zu arbeiten und einen Solarkäfer zu löten. Mit Feuereifer dabei war die 12-jährige Caroline Hodel: «Ich werke sehr gerne und habe mit meinem Vater zusammen schon ein solarbetriebenes Windrad gebaut. Später möchte ich einen handwerklichen Beruf lernen.»

Ins Labor ging es beim Institut für Geologie: Mädchen und Jungen züchteten selbst Kristalle, massen PH-Werte von verschiedenen Flüssigkeiten wie Cola, Milch und Putzmittel, betrachteten Gesteine unter dem Mikroskop und analysierten Baumringe.


Mit Feuereifer machten sich die Mädchen bei der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie daran, einen Solarkäfer zu löten.

Sprache und Tiere standen währenddessen bei den Jungen auf dem Programm. So gingen die Schüler am Institut für Sprachwissenschaft etwa der Frage nach, was Sprache überhaupt ist und ob auch Tiere sprechen können. Und sie erlebten in einem Experiment, dass ein Laut anders klingt, wenn man bestimmte Mundbewegungen dazu sieht. Im Tierspital erhielten sie eine Führung durch die Kleintierklinik, besuchten Patienten-Kühe im Stall und schauten in der Pferdeklinik dem Hufschmied über die Schulter.


Mädchen und Jungen erhielten die Gelegenheit, die Forschung des Instituts für Geologie kennenzulernen – und selber aktiv zu werden. Im Labor wurden zum Beispiel PH-Werte gemessen.

Jungen wollen weniger arbeiten

Um Geschlechterstereotypen ging es im interaktiven Postenlauf, den alle Kinder einen halben Tag lang absolvierten. Jungen und Mädchen erhielten dabei etwa die Möglichkeit, einen «untypischen Wissenschaftler» – Religionswissenschaftler Frank Neubert – und eine «untypische Wissenschaftlerin» – Weltraumforscherin Myrtha Hässig – zu befragen. Anhand eines Puzzles wurde diskutiert, was Jungen und Mädchen gut oder eben nicht gut können. Wobei sich die Mädchen einig waren, dass sie auch die typischen Bubenbeschäftigungen wie Fussball spielen und gamen gut könnten. «Trotzdem bekommen wir mehr Vorteile beim Ping-Pong-Spielen, weil die Jungs sagen, dass wir schlechter sind. Das regt mich auf», sagte die 12-jährige Anna Brawand.


Beim «Familienbasteln» überlegten sich die Jungen genau, wie viel sie später arbeiten wollen und wie viel Zeit sie mit der Familie und Freunden verbringen möchten.

Beim «Familienbasteln» ging es um die Frage, wie das eigene Leben in 20 Jahren aussieht. Wie teilt man sich Arbeits-, Familien- und Freizeit ein? Aus welchen Personen besteht das persönliche Umfeld? Dabei waren die verschiedensten Modelle vertreten, vom traditionellen Familienmodell bis hin zum WG-Leben. Für viele Jungen war klar, dass sie nicht 100 Prozent arbeiten möchten. «Ich brauche Zeit für meine Familie. Das klassische Modell ist mir zu klischeehaft», sagte etwa der 13-jährige Jonas Lussi. Und sein Klassenkollege Alex Truong ergänzte: «Ich werde einen Teil des Haushalts übernehmen, dann kann auch meine Frau arbeiten.»

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