Berner Astronomen verlieren ein Stück Romantik
Ein halbes Jahrhundert lang beobachteten Astronomen der Universität Bern mit dem Doppelteleskop in der Sternwarte Zimmerwald den Nachthimmel. Jetzt macht das altehrwürdige Instrument Platz für ein neues Gerät.
Es war die bislang einzige Weltraummission, in der es gelang, Material eines Kometen wieder sicher zur Erde zurückzubringen: Im Januar 2004 tauchte die NASA-Sonde «Stardust» in die sogenannte Koma – den Schweif – des Kometen «Wild 2» ein und sammelte dort Proben. Die spektakuläre Mission sorgte weltweit für Aufsehen. Weniger bekannt ist hingegen, dass das Unterfangen ohne das Teleskop der Sternwarte Zimmerwald so nie stattgefunden hätte. 1978 entdeckte der Astronom Paul Wild vom Astronomischen Institut der Universität Bern (AIUB) den Kometen nämlich just mit diesem Instrument.
«Nostalgische Gefühle»: Das alte Teleskop wird aus der Beobachtungskuppel gehievt. (Bilder:AIUB)
Ein Asteroid namens «Swissair»
Tempi passati: Jetzt wurde das altehrwürdige Teleskop nach 54 Dienstjahren ausgebaut. «Zuerst haben wir die Optik entfernt, dann wurde das Rohr des Teleskops per Kran aus der Kuppel des Observatoriums gehievt», erläutert AIUB-Vizedirektor Thomas Schildknecht die komplizierte Prozedur. Bis spätestens Ende 2014 soll das Teleskop laut dem Professor für Astronomie durch einen topmodernen Nachfolger ersetzt werden.
Dabei war das alte Gerät im Baujahr 1959 selbst High-Tech: Mit einem 60 Zentimeter breiten Teleskop gingen die Astronomen auf die Suche nach Asteroiden und Supernovae, explodierenden Sternen. In Erinnerung bleiben dabei die teilweise kuriosen Namen, welche die Berner Entdecker den Himmelskörpern gaben. Der Asteroid mit der Signatur 1976HB etwa erhielt den Namen «Swissair» – die Buchstaben «HB» bilden in der Luftfahrt das Kürzel für die Schweizer Immatrikulation.
Thomas Schildknecht (links) und seine Mitarbeiter bauen die Optik des Teleskops aus.
Stiftung rettet Teleskop
Heute ist die Berner Jagd auf Himmelskörper in den Hintergrund gerückt. Die Sternwarte Zimmerwald hat sich auf die Geodäsie, die Entfernungsmessung von Satelliten, und die Beobachtung von Weltraumschrott – zum Beispiel Satellitentrümmern – spezialisiert. Diese Aufgaben konnte das alte Teleskop nicht zufriedenstellend erfüllen. Das schwere Instrument musste von Hand ausgerichtet werden und Aufnahmen von Himmelsobjekten wurden auf Fotoplatten gespeichert, welche heute gar nicht mehr hergestellt werden.
«Wir haben uns überlegt, ob wir das Gerät nicht modernisieren sollen, aber der Aufwand wäre zu gross gewesen», sagt Thomas Schildknecht. Immerhin habe die Verschrottung dieses «wichtigen Zeitzeugen der Schweizer Astronomie» verhindert werden können: Die Stiftung Opticum Universum erklärte sich bereit, das Instrument zu übernehmen. Sie plant, das Teleskop so zu restaurieren, dass man damit wieder den Nachthimmel absuchen kann.
Gefährlicher Weltraumschrott
Für Schildknecht war der Ausbau ein «spezieller Moment», wie er sagt: «Ich habe Hunderte Nächte mit dem alten Teleskop gearbeitet. Natürlich hege ich da nostalgische Gefühle.» Immerhin muss der AIUB-Vizedirektor künftig nicht mehr unter der geöffneten Kuppel der Sternwarte die Winternächte durchfrieren: Das neue 80cm-Teleskop wird vollautomatisiert sein und sich bequem im warmen Büro per Computer bedienen lassen.
Laut Schildknecht dürfte es vor allem zur Beobachtung von Weltraumschrott eingesetzt werden: Selbst winzigste Trümmerteile können Raumfahrzeugen und Satelliten gefährlich werden. Ihre Umlaufbahn gilt es deshalb genau zu verfolgen. Diese Aufgabe übernimmt seit einigen Jahren das ZIMLAT («Zimmerwald Laser and Astrometry Telescope»). Das 1m-Laserteleskop wurde 1997 für die Laserdistanzmessungen zu Satelliten sowie optische Beobachtungen installiert. Weil sowohl die Anzahl Satelliten mit Laserreflektoren zunahm, als auch vermehrt Weltraumschrott beobachtet werden musste, stiess es jedoch schnell an seine Kapazitätsgrenzen.
Zum Zeitpunkt des Einbaus 1959 galt das alte Teleskop als Hightech.
Weitere Teleskope sollen folgen
Derzeit wird die Kuppel des Observatoriums umfassend saniert, damit sie das neue Teleskop aufnehmen kann. In den nächsten Jahren dürften zudem weitere, kleinere Beobachtungskuppeln auf dem Gelände der Sternwarte aufgestellt werden. Sie sollen ebenfalls der Beobachtung von Weltraumschrott dienen. «Die Sternwarte hat sich bereits auf dieses Gebiet konzentriert, und wir wollen diese Spezialisierung nun weiter intensivieren», sagt Schildknecht. Er hofft übrigens, dass im neuen 80cm-Teleskop aller Modernisierung zum Trotz ein Okular zur visuellen Himmelsbeobachtung eingebaut wird. Damit Interessierte den Himmel weiterhin direkt vor Ort in der Kuppel beobachten können – und so ein Stück der alten «Astronomen-Romantik» bewahrt bleibt.