Europa gegen schädliche Exoten

Ein globales Problem gemeinsam angehen: Ein europäisches Konsortium unter Berner Co-Leitung versucht gegen invasive Tiere und Pflanzen vorzugehen. Ein länderübergreifendes Informationssystem soll Ordnung und Effizienz in Bekämpfung und Prävention bringen.

Von Bettina Jakob 24. Mai 2013

Anoplophora glabripennis und Solidago canadensis: Was mit lateinischem Namen exotisch klingt, ist es in diesen Fällen auch: Der Asiatische Laubholzbockkäfer und die Kanadische Goldrute sind Tier und Pflanze, die in der Schweiz wachsen, obwohl sie eigentlich gebietsfremd sind (Neobiota). Durch ihre invasive Ausbreitung verdrängen sie einheimische Arten und verändern die Ökosysteme.


Kam mit dem Verpackungsholz aus China: der Asiatische Laubholzbockkäfer. (Foto: Beat Wermelinger/WSL)

Mit Verpackungsholz aus China zuerst in die USA und danach nach Europa eingeführt, befällt der Asiatische Laubholzbockkäfer hierzulande diverse Laubholzarten – und kann sie innert weniger Jahre zum Absterben bringen. Mit ihren unterirdischen Wurzeln wächst die Kanadische Goldrute flächendeckend zu einem dichten Bestand heran, der keinen Platz für andere Pflanzen lässt. Solch invasive Arten «bedrohen die Biodiversität, die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden – und auch die Wirtschaft», wie die Verantwortlichen des Projekts «European Information System for Alien Species» der «European Cooperation in Science and Technology» (COST) schreiben. Vize-Leiter des grossen europäischen Projekts mit 25 beteiligten Staaten ist Ökologe Wolfgang Nentwig vom «Institute of Ecology & Evolution» der Uni Bern.

Effektiv zu den richtigen Entscheidungen

Das Ziel des europäischen Konsortiums: «Wir wollen ein Informationssystem aufbauen, das die Datenbanken über invasive Arten der einzelnen Länder zusammenführt. Diese übergreifende Plattform soll als Frühwarnsystem eingesetzt werden», erklärt Wolfgang Nentwig. Die bestehenden nationalen Datenbanken würden sich in ihrer geografischen, taxonomischen und ökologischen Gliederung zu sehr unterscheiden, um als Arbeitsinstrumente zu dienen – sie seien schlicht zu wenig kompatibel und oftmals nicht auf dem aktuellsten Stand.

Mit dem geplanten Informationssystem wird sich dies ändern, ist der Berner Ökologe sicher: «Wir werden Wissen länderübergreifend sammeln und dieses in einem breiten Netzwerk von Expertinnen und Experten teilen können.» Gemäss Projektbeschrieb soll die neue Plattform eine effektive Grundlage schaffen, auf der wichtige und zeitnahe Entscheide gefällt werden können – passend in den Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie 2020, welche klare Vorgaben zur Bekämpfung, Kontrolle und Prävention von invasiven Arten macht. Neben dem ökologischen Schaden beziffern die Projektverantwortlichen den jährlichen wirtschaftlichen Schaden von invasiven Arten auf mindestens 20 Milliarden Euro.

Wissenschaftler sollen sich stärker vernetzen

Die «European Cooperation in Science and Technology» (COST) ist eine europäische Organisation, welche sich die Koordination von Forschungsprojekten einzelner europäischer Staaten auf die Fahne geschrieben hat. COST will die EU-Forschungsrahmenprogramme antizipieren und ergänzen sowie als «Brücke» zwischen den Wissenschafts-Communities dienen und die Mobilität der Forschenden stärken: «Die Fördergelder werden deshalb hauptsächlich für Reisespesen und Treffen eingesetzt», erklärt Wolfgang Nentwig. Hierfür wird für die vier Jahre des Projekts insgesamt fast eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Zusätzlich können auf nationaler Ebene in verschiedenen Ländern ergänzende Projekte ausgelöst werden, die den gleichen Betrag oder sogar mehr hinzufügen.

Die «Schwarze Liste»

In der Schweiz betreibt derzeit die Schweizerische Kommission zur Erhaltung der Wildpflanzen eine Informationsstelle für invasive Neophyten. Die «Watch List» zeigt invasive Neophyten der Schweiz, die das Potenzial haben, Schäden zu verursachen, und deren Ausbreitung daher überwacht werden muss. Die «Schwarze Liste» bezeichnet gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) diejenigen invasiven Neophyten, die in den Bereichen der Biodiversität, Gesundheit beziehungsweise Ökonomie Schäden verursachen.

DAISIE-Projekt

Bereits im Rahmen des DAISIE-Projektes («Delivering Alien Invasive Species Inventory for Europe»), einem einmaligen Dreijahresprojekt von über 100 europäischen Wissenschaftlern, das von der Europäischen Union finanziert wurde, konnten rund 11'000 eingeschleppte Arten in Europa dokumentiert werden. Die Datenbank DAISIE ist nach wie vor die grösste für Europa; sie listet die Arten, ihr Verbreitungsgebiet, die «Introduction history» und Literatur auf. Gemäss Wolfgang Nentwig eignen sich diese Daten sehr gut, um nun den nächsten Schritt zu machen – hin zu einem Frühwarnsystem, wie es im COST-Projekt geplant ist.